Im schnelllebigen und globalen Umfeld des E-Commerce ist die Wahl der richtigen Worte von entscheidender Bedeutung. In diesem Kontext entfacht sich eine vielseitige Debatte um den Gebrauch der geschlechtergerechten Sprache, im Französischen bekannt als „écriture inclusive“ (inklusives Schreiben) oder „langage épicène“ (geschlechtsneutrale Sprache). In diesem Beitrag stellen wir die verschiedenen Formen des inklusiven Sprachgebrauchs vor und wägen deren Vor- und Nachteile ab, insbesondere im Hinblick auf E-Commerce und Übersetzungen. Außerdem wird geschaut, welchen Einfluss die politische Lage der französischsprachigen Länder auf die Umsetzung der geschlechtergerechten Sprache hat.
Gesellschaftliche Diskussion im französischsprachigen Raum
Insbesondere in Frankreich ist die gesellschaftliche Diskussion von einer deutlichen Ablehnung durch maßgebliche Institutionen und der entscheidenden Politik geprägt. Die Académie Française, eine traditionsreiche staatliche Einrichtung zur Vereinheitlichung und Pflege der französischen Sprache, hat sich vehement gegen geschlechtergerechte Sprache und speziell gegen die Verwendung von Gender-Zeichen ausgesprochen. Diese Haltung spiegelt sich auch in der Politik wider, wie etwa in der Zustimmung der rechten Mehrheit im Senat im Oktober 2023 zu einem Gesetzentwurf, der bestimmte geschlechtergerechte Formulierungen in Verwaltungsdokumenten verbieten soll – ein Verbot, das auch der Präsident Macron unterstützt. Diese politische Haltung ist nicht neu, da es bereits in den vergangenen Jahren Rundschreiben gab, die die Verwendung bestimmter inklusiver Schreibweisen in offiziellen Texten und im Unterricht untersagten. Trotz dieser politischen Ablehnung findet die geschlechtergerechte Sprache im französischen Alltag breite Unterstützung. So haben Universitäten, Unternehmen und Gewerkschaften verschiedene Formen des Genderns in ihre Kommunikation integriert.
Frankreich hebt sich als einziges französischsprachiges Land durch seinen besonders restriktiven Umgang mit geschlechtergerechter Sprache hervor. Im Gegensatz dazu wurde in Belgien 2021 ein Dekret verabschiedet, das geschlechtergerechte Formulierungen fördert und nicht diskriminierende Praktiken in der offiziellen Kommunikation empfiehlt. In Quebec werden seit 2006 inklusive Schreibpraktiken unterstützt, die das generische Maskulinum durch geschlechtsneutrale Formulierungen ersetzen. Auch die Schweiz fördert seit den 1990er Jahren nicht sexistische und geschlechtsneutrale Schrift in den drei Landessprachen Französisch, Deutsch und Italienisch. Trotzdem gibt es auch in diesen Ländern Unstimmigkeiten, was die Verwendung von Gender-Zeichen in amtlichen Texten betrifft.
Formen des geschlechtergerechten Sprachgebrauchs im Französischen
Da jede Sprache ihren eigenen grammatikalischen Regeln folgt und sich historisch in einem anderen Kontext entwickelt hat, ergeben sich auch unterschiedliche Anliegen, die durch einen inklusiven Sprachgebrauch adressiert werden sollen. Im Französischen ist eines dieser Anliegen die Feminisierung von Titeln, Berufsbezeichnungen und Funktionen. Dabei geht es darum, Frauen mit einer weiblichen Berufsbezeichnung anzusprechen, also eine Ministerin zum Beispiel als „Madame la ministre“ statt „Madame le ministre“. Diese Praxis stieß in Frankreich jahrelang auf Widerstand, insbesondere seitens der Regierung und der Académie Française. In anderen französischsprachigen Ländern und Regionen wurde bereits 1970 die weibliche Form der Amtsbezeichnung in der Verwaltungssprache eingeführt. Es brauchte einen Regierungswechsel und mehrere Anträge von Ministerinnen, um in Frankreich endlich die weibliche Form von Berufs- und Amtsbezeichnungen offiziell umzusetzen. Es dauerte jedoch bis 2019, bis die Académie Française erklärte, dass sie grundsätzlich keine Hindernisse für diese Praxis sehe.
Das generische Maskulinum
Besonders im Fokus der Kritik steht im Französischen die grammatikalische Regel des generischen Maskulinums, die besagt: „Le masculin l’emporte sur le féminin“ (Das Maskulinum hat stets Vorrang vor dem Femininum). Demnach werden gemischtgeschlechtliche oder geschlechtsunspezifische Gruppen ausschließlich im grammatischen Maskulinum ausgedrückt, z. B. „Les étudiants espagnols sont arrivés en retard“ (Die spanischen Studenten sind spät gekommen), auch wenn unter den Studierenden 99 Frauen und ein Mann sind. Im Französischen gilt ebenfalls, dass sich Adjektive und Pronomen grammatikalisch immer in Geschlecht und Anzahl an das Bezugswort anpassen, sodass teilweise jedes Element im Satz verändert wird (über eine Gruppe aus 100 Studentinnen hieße es: „Les étudiantes espagnoles sont arrivées en retard“). Die Verwendung des generischen Maskulinums wird von vielen als diskriminierend empfunden, da Frauen nur „mitgemeint“, aber nicht explizit angesprochen und repräsentiert werden. Darüber hinaus hat die Verwendung dieser grammatikalischen Regel, die es auch im Deutschen gibt, psychologische Auswirkungen auf die Sichtbarkeit und Verfestigung von Rollenstereotypen, die wir hier näher beschrieben haben.
Alternativ zur Verwendung des generischen Maskulinums gibt es im Französischen verschiedene Möglichkeiten, sich auf gemischtgeschlechtliche Gruppen zu beziehen: Zum einen Bezeichnungen, die die verschiedenen Geschlechter in der Formulierung aufführen, zum anderen geschlechtsneutrale Formulierungen, die sich auf ein Kollektiv oder ein Individuum beziehen, ohne ein Geschlecht explizit anzusprechen. Beide haben Vor- und auch Nachteile, die im Folgenden insbesondere im Kontext von Übersetzung und E-Commerce betrachtet werden.
Geschlecht berücksichtigende Formulierungen: Vor- und Nachteile
Eine Möglichkeit, Männer und Frauen gleichermaßen zu repräsentieren und anzusprechen, ist die Nennung beider Geschlechter, also z.B. „Chers étudiants, chères étudiantes“ (Liebe Studenten, liebe Studentinnen) – eine Praxis, die allerdings gerade in Texten mit Längenbegrenzung kritisiert wird.
Um den Sprachgebrauch ökonomischer zu gestalten, gibt es Vorschläge, die weibliche und männliche Form zu kombinieren, so wie es z.B. im Deutschen mit den Gender-Zeichen bei „Leser:innen“ möglich ist. Im Französischen gibt es zahlreiche Vorschläge für solche verkürzten Doppelformen:
- Klammern “étudiant(e)”
- eckige Klammern “admission du[de la] candidat[e]”
- Punkte „d’admission du.de la candidat.e“
- Schrägstriche „Nom de l’adjoint/e administratif/ve“
- Großbuchstaben „admission du DE LA candidatE“
- Mittelpunkte „Conseiller·ère choisi·e“
- Bindestriche „administrateurs-trices“
- Komma „Informaticien,ienne recherché,e“.
Bei diesen Zeichen hat sich vor allem die Verwendung der Mittelpunkte verbreitet, während ein Klammersetzen oftmals auf eine mögliche Auslassung hinweist und somit als diskriminierend verstanden werden kann.
Die Verwendung von Gender-Zeichen im Französischen hat verschiedene Kritikpunkte hervorgerufen: Ein zentraler Aspekt ist der Lesefluss, die Ästhetik und Länge des Textes, die als beeinträchtigt angesehen werden, da die Einfügung von Gender-Zeichen den visuellen Aspekt unterbrechen und den Text verlängern kann, vor allem wenn man bedenkt, dass im Französischen manchmal alle Elemente eines Satzes geschlechtsspezifisch angepasst werden müssen. Dies könnte eine Herausforderung darstellen, insbesondere in Anzeigen, Überschriften oder anderen Kontexten, in denen jedes Wort zählt. Es wird auch argumentiert, dass die Verwendung von Gender-Zeichen die Sprache unnötig verkompliziert, was zu Bedenken hinsichtlich der Verständlichkeit führen und die Kommunikation erschweren kann. Dies ist besonders problematisch für Menschen, die Französisch erst lernen oder bereits Leseschwierigkeiten haben.
Ein weiterer wichtiger Kritikpunkt bezieht sich auf die mögliche Unvollständigkeit dieser Formen, da sie dazu tendieren, die geschlechtliche Vielfalt auf die Vorstellung zu reduzieren, dass es nur Mann und Frau gibt, und somit nicht alle Geschlechtsidentitäten berücksichtigen. Neben der Sichtbarmachung von Frauen in der Sprache zielt die „écriture inclusive“ nämlich auch darauf ab, wirklich inklusiv zu sein und über dieses binäre Geschlechtersystem hinauszugehen. Im Französischen geschieht dies explizit durch die Schaffung neuer Begriffe, indem weibliche und männliche Wörter kombiniert oder neutrale Pronomen wie “iel”, “ille”, “al”, “ol” gebildet werden. Darüber hinaus werden kreative Veränderungen der Endungen vorgenommen, indem alternative Endungen wie “autaire” als Ersatz für “auteur” (Autor) oder “autrice” (Autorin) verwendet werden. Während einige in diesen Formen einen wichtigen Schritt zur Anerkennung aller Geschlechtsidentitäten sehen, argumentieren andere, dass die Lesbarkeit, praktische Anwendbarkeit und Vereinheitlichung verbessert werden müssen. Man sollte sich auch bewusst sein, dass die Verwendung von Doppelformen mit Genderzeichen sowie Neuschöpfungen Aufmerksamkeit erregen und als politische Positionierung verstanden werden kann. Unternehmen müssen sicherstellen, dass ihre Sprache zur Markenidentität und den Erwartungen der Zielgruppe passt.
Geschlechtsneutrale Formulierungen: Vor- und Nachteile
Sollte solch eine Positionierung nicht gewünscht sein, können geschlechtsneutrale Formulierungen verwendet werden, welche den Vorteil haben, dass sich alle Menschen vertreten und angesprochen fühlen, ohne dass die Geschlechter im Text hervorgehoben werden. Während es im Deutschen relativ problemlos möglich ist, geschlechtsneutral zu formulieren, indem man Konstruktionen im Partizip II verwendet, also z.B. „Studierende“ oder „Lesende“, ist dies im Französischen nicht möglich. Man kann sich behelfen, indem man sogenannte „nom ou adjective épicène“ (geschlechtsneutrale Substantive oder Adjektive) verwendet. In der französischen Linguistik handelt es sich dabei um Wörter, die nur ein grammatikalisches Geschlecht haben, sich aber auf Personen jeden Geschlechts beziehen können. Dies sind z.B. „la personne“ (die Person), „la victime“ (das Opfer) oder Adjektive wie „apte“, „capable“, „universitaire“. Obwohl der Begriff „épicène“ eigentlich dieses spezifische sprachliche Phänomen beschreibt, wird er im Allgemeinen synonym mit „geschlechtsneutral“ verwendet, daher auch das Synonym „langage épicène“ für geschlechtergerechte Sprache.
Eine gängige Methode ist auch die Verwendung von Kollektivbezeichnungen wie “communauté” (Gemeinschaft), “corps professoral” (Lehrkörper) oder “personnel” (Personal) für Personengruppen. Sowie das Ersetzen eines Personentitels durch einen Namen, der die Funktion bezeichnet, z.B. „rédaction“ (Redaktion) statt „les rédacteurs“ (die Redakteure). Eine weitere Möglichkeit ist die Umformulierung mithilfe von neutralen Pronomen, wie z.B. dem Personalpronomen „vous“ (Sie), Indefinitpronomen wie „on“, „quiconque“, „tout le monde“ oder „chaque“ und Relativpronomen wie „qui“ oder „dont“.
Unter die „nom épicène“ fallen auch Substantive wie „le/la responsable”, „le/la collègue”, „le membre”, „le/la spécialiste”, etc. Dabei ist zu beachten, dass zwar die Substantive an sich geschlechtsneutral sind, nicht aber die Formulierung als Ganzes, da der Artikel – bedingt durch die Struktur der französischen Sprache – immer auf das Geschlecht der bezeichneten Person hinweist. Wie man sieht, erlaubt es die französische Sprache derzeit nicht, völlig geschlechtsneutral zu schreiben, wie es beispielsweise im Deutschen möglich ist. Das Französische bietet jedoch viele Alternativen zum generischen Maskulinum, um sich einer inklusiven Schreibweise so nah wie möglich anzunähern. Es ist auch möglich, am Anfang des Textes eine Erläuterung einzufügen, die darauf hinweist, dass die geschlechtliche Nicht-Binarität im Text berücksichtigt wurde, auch wenn er nicht völlig geschlechtsneutral verfasst wurde.
Doch was sind die Vor- und Nachteile dieser geschlechtsneutralen Formulierungen? Eines der wichtigsten Ziele ist die Förderung von Inklusion und Respekt für Vielfalt. Im E-Commerce ist dies von entscheidender Bedeutung, um eine breite und vielfältige Zielgruppe anzusprechen und sicherzustellen, dass alle sich unabhängig von ihrem Geschlecht angesprochen fühlen. Außerdem haben geschlechtsneutrale Formulierungen den Vorteil, dass sie keine spezifischen Zeichen benötigen, den grammatikalischen Regeln folgen und oft deutlich kürzer sind als sämtliche Elemente in Geschlecht und Anzahl anpassen zu müssen. Trotz dieser Vorteile gibt es auch Herausforderungen. Gerade im Französischen kann es etwas mehr Sprachgeschick und Kreativität im Umgang mit der Sprache erfordern, um möglichst geschlechtsneutral zu schreiben und zu übersetzen. Verwendet man geschlechtsneutrale Formulierungen jedoch mit Sorgfalt, kann im Vergleich zu der Verwendung von Gender-Zeichen die Lesbarkeit, Verständlichkeit und inklusive Kundenansprache verbessert werden.
Fazit
Die Einführung eines geschlechtergerechten Französischs in E-Commerce und der Übersetzung ist grundsätzlich in jedem Text umsetzbar, wobei je nach Längenbegrenzung oder Zielgruppe geschlechtsneutrale, sowie Doppelformen variiert werden können. Indem Unternehmen geschlechtergerechte Sprache als integralen Bestandteil ihrer Kommunikationsstrategie betrachten, können sie eine inklusive Umgebung schaffen, die Zielgruppe erweitern und die Kundschaft stärker binden. Geschlechtergerecht schreiben und übersetzen kann manchmal ein wenig Kreativität mit der Sprache erfordern. Wenn dies gewünscht ist, stehen jedoch zahlreiche Leitfäden für das Französische zur Verfügung, an denen man sich orientieren kann. Wenn auch bereits bei der Texterstellung im Online-Shop auf eine geschlechtergerechte Formulierung geachtet wird und die Übersetzung nahtlos daran anschließen kann, ist nicht mit einem budgettechnischen Mehraufwand zu rechnen. Auf die spezifischen Aspekte, die im E-Commerce und in der Übersetzung zu beachten sind, wenn es um die Verwendung geschlechtergerechter Sprache im Allgemeinen geht, wurde hier bereits eingegangen. Berücksichtigt man die verschiedenen politischen Haltungen und Gesetzgebungen in den frankophonen Ländern, empfiehlt es sich, für die Übersetzung immer eine Person zur Rate zu ziehen, die mit den jeweiligen etablierten Formen des geschlechtergerechten Sprachgebrauchs in der Zielregion vertraut ist und professionelle Erfahrung im Umgang mit Ziel- und Ausgangssprache hat.
Quellen
- Ecriture inclusive : Emmanuel Macron estime qu’« on n’a pas besoin d’ajouter des points au milieu des mots pour rendre la langue française lisible » (lemonde.fr)
- Geschlechtergerechte Sprache – Der französische Senat will das Gendern verbieten – News – SRF
- Geschlechtergerechte Sprache im Französischen: nichtsexistische, geschlechtsneutrale oder inklusive Sprache?: Sprache und Geschlecht (sprache-und-gendern.de)
- Geschlechtergerechte Sprache im Land der Académie française | GfdS
- Guide-redaction-inclusive-inrs-vf.pdf
- L’écriture inclusive : le Sénat français veut l’interdire, quid en Belgique ? – rtbf.be
- Le Sénat se fait plaisir en votant l’interdiction de l’écriture inclusive – Libération (liberation.fr)
Autor: Eurotext Redaktion
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