Französisch zählt mit rund 300 Millionen Sprechern zu einer der meist gesprochenen Sprachen auf der Welt. Davon sind es jedoch nur 96,5 Millionen Menschen, die Französisch als Muttersprache sprechen. Die restlichen Sprecher befinden sich in über 50 Ländern auf allen Kontinenten verteilt, dort wo Französisch Amts- oder Verkehrssprache ist. Da wundert es nicht, dass sich mit der Zeit zum Teil erhebliche Unterschiede in Grammatik, Wortschatz und Aussprache ergeben haben. Wir zeigen, welche Unterschiede es gibt und wie diese bei einer Fachübersetzung berücksichtig werden sollten.

Wie wurde Französisch überhaupt zu einer so internationalen Sprache? Die Verbreitung des Französischen begann in Europa, als sie zur offiziellen Sprache der europäischen Höfe wurde und im 17. und 18. Jahrhundert im Bildungswesen und in der Diplomatie Verwendung fand. Mit der Kolonialisierung weiter Teile Kanadas, der Karibik und Afrikas fand die französische Sprache ihren Weg über die Grenzen Europas hinweg. Auch nach der Unabhängigkeit der einst französischen Kolonien war die Sprache so weit verbreitet, dass sie vielerorts die Amtssprache blieb.

Zunächst schauen wir uns die Variante des Französischen unserer direkten französischsprachigen Nachbarn in Europa an, angefangen mit Frankreich selbst, und dann die französischen Varianten gesprochen in den ehemaligen Kolonien in Nordamerika und Afrika.

Frankreich

In Frankreich sind die meisten der 96,5 Millionen Muttersprachler angesiedelt. Die Form des Französischen, die in Frankreich, genauer gesagt in Paris, gesprochen wird, gilt als Standardversion des Französischen. Sie wird auch internationales Französisch genannt  und ist die Variante, die Französischlernenden weltweit beigebracht wird. In Frankreich selbst gibt es auch regionale Unterschiede, so z.B. sprechen die Franzosen aus dem Süden für gewöhnlich schneller und die Silben sind viel ausgeprägter als im Rest Frankreichs.

Die französische Sprache genießt bei den Franzosen einen sehr hohen Stellenwert. So hoch, dass versucht wird, sie mit einer konsequenten Sprachpolitik von allen Fremdspracheneinflüssen, wie z.B. Anglizismen, zu schützen. Das, sowie das französische Schulsystem, haben unter anderem dazu beigetragen, dass der durchschnittliche Franzose ziemlich geringe Fremdsprachenkenntnisse hat. In der internationalen Studie des English Proficiency Index zur Ermittlung der Englischkenntnisse als Fremdsprache belegte Frankreich im Jahr 2021 den 31. Platz. Zum Vergleich: Deutschland liegt auf Platz 11 und auf Nummer 1 die Niederlande. Mit dem Spanischen verhält es sich ähnlich: nur 13% der französischen Bevölkerung sprechen Spanisch, wovon die meisten spanische Muttersprachler sind, die nach Frankreich ausgewandert sind.

Belgien, Luxemburg und die Schweiz

Weitere französischsprachige Länder in direkter Nähe  sind Belgien, Luxemburg und die Schweiz. In Belgien ist Französisch eine der drei offiziellen Sprachen zusammen mit Niederländisch und Deutsch. Etwa 45% der Bevölkerung sprechen muttersprachlich Französisch – hauptsächlich in den Regionen Wallonien und der zweisprachigen Region Brüssel-Hauptstadt. Das in Belgien gesprochene Französisch unterscheidet sich durch die räumliche Nähe und die dadurch ähnlichen soziokulturellen Kontexte nur wenig von dem Französisch in Frankreich oder der Schweiz. Geringe Unterschiede gibt es in der Aussprache, z.B. die Differenzierung von Nasallauten, die in Frankreich zu einem zusammengeschlossen wurden: In Belgien werden brin (Stiel) und brun (braun) immer noch anders ausgesprochen.

Auf lexikalischer Ebene findet man im belgischen Französisch sogenannte Archaismen, also Begriffe, die in Frankreich mittlerweile als veraltet gelten. Ein bekanntes Beispiel dafür ist die Verwendung der Zahlwörter septante für “siebzig” und nonante für “neunzig”, im Gegensatz zum Standardfranzösischen soixante-dix (wörtlich “sechzig-zehn”) und quatre-vingt-dix (“vier-zwanzig-zehn”). Diese waren in Frankreich bis etwa im 16. Jahrhundert üblich, bis dann die neueren Formen zu dominieren begannen. Auch in der Schweiz wird auf das typisch französische Rechnen zur Ermittlung von Zahlwörtern verzichtet und es werden die älteren Formen verwendet. Zu beachten ist jedoch, dass in der Schweiz auch noch das Wort huitante anstelle von quatre-vingt (80) verwendet wird – in Belgien hat sich für die Zahl 80 die Form des Standardfranzösischen durchgesetzt.

Da Belgien durch seine Dreisprachigkeit im engen Kontakt mit dem Deutschen und dem Niederländischen steht, ist es nur logisch, dass sich die Sprachen gegenseitig beeinflusst haben. So finden sich im belgischen Französisch die sogenannten Belgizismen, Wörter, die dort ihren Ursprung haben: bourgmestre statt maire (Bürgermeister), échevin statt adjoint au maire (Beigeordneter) oder athénée statt lycee (Gymnasium). Auch in der Grammatik, die eigentlich sehr dem Standardfranzösischen ähnelt, finden sich hier und da germanische Einflüsse: Ça me goûte, im Standardfranzösisch ça me plaît (“Ich mag es” im Sinne von “Es schmeckt mir”), ist ein Lehnübersetzung des niederländischen Dat smaakt. Insgesamt sind die lexikalischen Unterschiede zwischen Standardfranzösisch und belgischem Französisch jedoch gering. Ein Belgier versteht einen Franzosen in etwa so wie ein englischsprachiger Kanadier einen Briten versteht.

Direkt neben Belgien liegt Luxemburg, wo Französisch – neben Deutsch – offizielle Amtssprache ist. Laut einer Studie des Bildungsministeriums von 2018 sprechen 98% der luxemburgischen Bevölkerung Französisch, 80% Englisch und 78% Deutsch. Luxemburgisch wird von 77% der Bevölkerung genutzt. Je nach Einsatzgebiert variiert die Wahl der Sprache: Französisch ist besonders als Kommunikationssprache im Bereich des Handels, sowie in der Hotellerie von Bedeutung. Luxemburgisch wird besonders im Radio- und Fernsehen verwendet, währenddessen Printmedien bevorzugterweise auf Deutsch zur Verfügung stehen.

Einige der oben genannten Belgizismen finden sich durch den engen kulturellen und politischen Kontakt mit Belgien auch im luxemburgischen Französisch, unter anderem z.B. die Verwendung von bourgmestre statt maire. Durch die Nähe zu Deutschland haben sich auch Wörter eingeschlichen, die sich von der Struktur her am luxemburgischen bzw. deutschen Verständnis orientieren: place de travail statt emploi (“Arbeitsplatz”) oder place de jeux statt terrain (“Spielplatz”). Wenn drei Sprachen nebeneinander fast gleichwertig existieren, ist es unvermeidbar, dass sie sich gegenseitig beeinflussen.

Auch in der Schweiz werden drei Amtssprachen gleichberechtigt nebeneinander verwendet: Deutsch, Italienisch und Französisch. Vier Kantone der Schweiz sind offiziell französischsprachig, drei Kantonen gelten als zweisprachig. Genau wie in Belgien haben sich im Gegensatz zum Standardfranzösisch sogenannte Archaismen erhalten. So werden in der Schweiz die drei Tagesmahlzeiten noch immer so bezeichnet, wie es bis Anfang des 19. Jahrhunderts in Frankreich üblich war: déjeuner (Frühstück), dîner (Mittagessen) und souper (Abendessen). Im Vergleich heißt es in Frankreich petit-déjeuner (“Frühstück”), déjeuner (“Mittagessen”) und diner (“Abendessen”). Auch die Aussprache der verlängerten Schlussvokale in Wörtern wie journée oder amie ist teilweise so geblieben, wie sie in der Aussprache des Pariser Französischen bis ins 18. Jahrhundert üblich waren.

Ein interessantes Phänomen, das in der französischen Schweiz vorkommt, ist das sogenannte français fédéral („Bundesfranzösisch“), ein Französisch, das klar erkennbar deutschschweizerisch geprägt ist. Viele administrative Texte werden zunächst auf Deutsch verfasst und werden dann ins Französische übersetzt. Durch wortgetreues oder ungenaues Vorgehen, kann es dazu kommen, dass die deutsche Satzstruktur oder feststehende Redewendungen ins Französische übernommen werden. Auch das Auftauchen von false friends ist hier üblich, typisch z.B. „Protokoll“ mit protocole (statt procès-verbal) zu übersetzen. Durch die geographische Nähe zu Deutschland und dem Nebeneinanderleben zweier Sprachen hat das Schweizerfranzösisch auch eine Reihe von Wörtern aus dem Deutschen übernommen, z.B.  poutzer („reinigen“).

Weitere Länder in Europa, in denen Französisch offizielle Amtssprache ist, sind Monaco, Andorra, die Region Aostatal in Italien und die beiden britischen Inseln im Ärmelkanal Guernsey und Jersey. Auf letzteren wird das Standardfranzösisch nach und nach vom Englischen als Bildungs-, Handels- und Verwaltungssprache verdrängt. Im Alltag wird neben Englisch ein normannischer Dialekt des Französischen gesprochen, der jedoch stark vom Standardfranzösisch abweicht und nur von wenigen Muttersprachlern gesprochen wird, deren Zahl zudem aufgrund des hohen Alters der Sprecher abnimmt. Trotzdem werden Anstrengungen unternommen, die Sprache am Leben zu erhalten.

Kanada

Die meisten Menschen, die Französisch als ihre Muttersprache außerhalb von Europa angeben, leben in Quebec. Durch eine Expedition unter der Leitung von Jacques Cartier im Jahre 1534 wurde die Region Gaspé-Halbinsel in der heutigen Provinz Quebec erkundet und zu französischem Besitz erklärt. Neufrankreich wurde gegründet, französische Kolonisten siedelten sich bis ins 17. und 18. Jahrhundert in „New France“ an und brachten das klassische Französisch mit nach Nordamerika.

Im Osten Kanadas werden hauptsächlich zwei Arten von Französisch gesprochen – Französisch in Québec (oder Québécois-Französisch) und Französisch an der Meeresküste, bekannt als akadisches Französisch. Obwohl die Grammatik und die schriftlichen Ausdrücke des akadischen Französisch und des Québécois-Französisch mit dem Standardfranzösischen übereinstimmen, sind die Unterschiede im Akzent erst auf der gesprochenen Ebene wirklich hörbar: zum Beispiel klingen Wörter wie mâle (das Männchen) und mal (der Schmerz) oder pâte (der Teig) und patte (die Pfote) im Standardfranzösisch praktisch gleich, nicht aber im gesprochenen Québécois-Französisch.

Im Wortschatz finden sich durch den starken Einfluss der englischen Sprache Anglizismen, die besonders im gesprochenen Québécois-Französisch noch deutlicher zu erkennen sind. Auch Lehnwörter aus den Sprachen der Ureinwohner, mit denen die frühen Siedler während der Kolonisierung in Berührung kamen, sind verbreitet. Beispiele dafür sind carcajou (Vielfraß), atoca (Preiselbeere), manitou (wichtige Person) und micouène (großer Holzlöffel). Die Unterschiede des kanadischen und europäischen Französischs belaufen sich größtenteils auf die gesprochene und informell verwendete Sprache. In der schriftlichen Form kann man durch die vielen Gemeinsamkeiten zum Standardfranzösisch jedoch kaum unterscheiden, ob ein Franzose oder ein Kanadier einen Text verfasst hat.

Afrika

Mit der Kolonialisierung von Ländern in West-, Zentral- und Ostafrika im 19. Jahrhundert kam die französische Sprache auf den afrikanischen Kontinent. Auch nach der Unabhängigkeit der ehemaligen Kolonien blieb das Französische als Verkehrs-, Amts-, Unterrichts- und Literatursprache erhalten. Der rasche demografische Wachstum Afrikas hat zur Folge, dass mehr und mehr junge Menschen Französisch als Erst- oder Zweitsprache erlernen. Schätzungen zufolge befinden sich allein 59% der täglich französisch Sprechenden auf dem afrikanischen Kontinent.

In jedem der frankophonen afrikanischen Länder wird Französisch zusätzlich zu einer oder mehreren indigenen Sprachen gesprochen. Die Aussprache und der Wortschatz können durch die Vielfalt der afrikanisch-französischen Varianten stark differieren. Das formale afrikanische Französisch, das in Bildungs-, Medien- und Rechtsdokumenten verwendet wird, basiert jedoch auf französischem Standardvokabular. Besonders auf gesprochener Ebene kann es zu dem Phänomen der Afrikanisierung der französischen Sprache kommen, das auf den Einfluss der Muttersprachen und die Komplexität der französischen Grammatikregeln zurückzuführen ist.

Seit den sechziger Jahren wird sich zunehmend kritisch mit dem kulturellen Erbe der europäischen Kolonisation und dem noch anhaltenden Gebrauch der „Sprache der Kolonisierer“ befasst. Befürworter sehen im Französischen ein Mittel des Anschlussfindens an die moderne Welt, sowie die Vereinfachung der Verständigung zwischen Afrikanern verschiedener Länder und zwischen Afrikanern und Europäern. Gegen die Verwendung des Französischen spricht sich beispielsweise der kamerunische Schriftsteller Mongo Beti aus, der im Französischen eine Sprache der Unterdrückung und eine Ausbeutung der Afrikaner sieht. Das Französische hat nämlich nach wie vor in Afrika das Ansehen als ein Mittel zum gesellschaftlichen Aufstieg und wird vorwiegend von den Eliten der Gesellschaften Afrikas benutzt.

Fazit

Mit dem Französischen kann man sehr viele Menschen weltweit erreichen. Dadurch, dass sich die regionalen Unterschiede hauptsächlich auf die Aussprache beziehen, die Grammatik und der Wortschatz jedoch weitestgehend einheitlich sind, sind Texte in internationalem Französisch für fast alle Französisch-Sprecher verständlich. Im Rahmen einer Fachübersetzung kann also im Normalfall das internationale Französischs verwendet werden.

Trotzdem empfiehlt es sich in bestimmten Fällen, auf die regionalen und lokalen Besonderheiten eines Landes einzugehen, um die Zielgruppe direkt anzusprechen und Vertrauen aufzubauen. Man sollte nämlich nicht vergessen, dass jede Variante des Französischen auch eine identitätsstiftende und symbolische Funktion hat. Aus Respekt vor der kulturellen Identität eines jeden Landes und dessen Bewohnern sollten sprachliche Besonderheiten also, wenn vorhanden, berücksichtigt werden.



Quellen

 


autor_eurotext_100Autor: Eurotext Redaktion

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