Die Frage nach der geschlechtergerechten Sprache im Deutschen hat in den letzten Jahren eine Debatte ausgelöst, die so facettenreich und kontrovers ist wie die Sprache selbst. Die Diskussion um die sprachliche Darstellung der Geschlechter hat viele Meinungen, Emotionen und auch Skepsis hervorgerufen. In einer Zeit, in der die Werte der Gleichheit und Vielfalt immer mehr an Bedeutung gewinnen, steht die Art und Weise, wie wir sprechen und schreiben, im Mittelpunkt einer wichtigen gesellschaftlichen Debatte. In diesem Artikel möchten wir die Diskussionen zu diesem Thema in der deutschen Sprache aufgreifen und ihre Anwendbarkeit auf den E-Commerce und professionelle Übersetzungen erörtern.

Der geschlechtergerechte Sprachgebrauch ist in Deutschland vor allem unter dem Begriff “Gendern” bekannt, einer eingedeutschten Wortbildung aus dem Englischen, die sich auf den Begriff gender (engl. Geschlecht) bezieht. „Gender“ wurde in den Sozialwissenschaften eingeführt, um die sozialen, kulturellen und psychologischen Unterschiede zwischen Männern und Frauen zu bezeichnen, die über die biologischen Unterschiede wie Chromosomen, Hormone und Fortpflanzungsorgane hinausgehen. Es wird davon ausgegangen, dass Individuen im sozialen Kontext von frühester Kindheit an in eine bestimmte Geschlechterrolle eingeführt werden, die auf gesellschaftlichen Normen, Erwartungen und Werten basiert und definiert, was für Männer oder Frauen angemessen oder typisch ist. Dieser Sozialisationsprozess beeinflusst, wie Individuen ihre Geschlechtsidentität entwickeln und wie sie sich in Bezug auf Geschlechterrollen verhalten. Die Erkenntnis, dass geschlechtsspezifisches Verhalten nicht biologisch determiniert ist, sondern im sozialen Kontext an Menschen herangetragen wird, hat eine breitere Diskussion über Geschlechtergerechtigkeit, Frauenrechte und LGBTQ+-Themen eröffnet und das Bewusstsein für die Vielfalt von Geschlechtsidentitäten und -ausdrücken geschärft.

Obwohl Gendern in einem allgemeinen Sinn die Berücksichtigung oder Analyse des Geschlechteraspekts meint, wird der Begriff im Deutschen synonym für einen geschlechterbewussten Sprachgebrauch verwendet, der die Gleichbehandlung der Geschlechter in der geschriebenen und gesprochenen Sprache zum Ausdruck bringen will.

Debatte um den geschlechtergerechten Sprachgebrauch

Aber warum gibt es überhaupt so viele Bemühungen, den Sprachgebrauch zu ändern? Was ist problematisch an der Art und Weise, wie wir seit jeher sprechen? Kritisiert wird vor allem der Gebrauch des generischen Maskulinums. Darunter versteht man die Verwendung grammatikalisch männlicher Personen- oder Berufsbezeichnungen, z.B. “Lehrer”, um sich generisch, also verallgemeinernd, auf alle Personen zu beziehen, unabhängig von ihrem biologischen Geschlecht. Während das weibliche grammatikalische Geschlecht bei Personenbezeichnungen einen einzigen spezifischen Wert hat und nur Frauen bezeichnet, z. B. die “Lehrerinnen”, hat das männliche Geschlecht einen doppelten Wert: a) spezifisch, indem es sich auf das männliche Geschlecht bezieht („die Lehrer“, gemeint sind nur die männlichen Lehrkräfte), und b) generisch, indem es beide Geschlechter einschließt („alle Lehrer“, gemeint sind alle Lehrkräfte, unabhängig von ihrem Geschlecht). Bei gemischtgeschlechtlichen Gruppen, z.B. 70 Lehrerinnen und 30 Lehrer, werden nach grammatikalischen Regeln alle Personen unter der männlichen Form „die Lehrer“ abstrahiert.

Auch wenn dieser Sprachgebrauch lange Zeit unkritisch verwendet wurde und historisch als grammatikalisch korrekt gilt, gibt es spätestens seit der Auseinandersetzung mit dem Thema in den feministischen Studien seit den 1970er Jahren Bestrebungen, das generische Maskulinum zu vermeiden. Es wird argumentiert, dass dieser Sprachpraxis ein androzentrischer Ansatz zugrunde liegt, der Männer als Referenten und Frauen als Abhängige betrachtet und Frauen damit ausschließt und unsichtbar macht. Die Grammatik trage somit zur Aufrechterhaltung von Ungleichheiten bei, da Frauen unbewusst lernen, unsichtbar zu sein und nur einen provisorischen Platz in der Gesellschaft und der Sprache einzunehmen.

Es wird auch vermutet, dass diese Praxis Auswirkungen auf die Realität hat, insbesondere auf die mentalen Vorstellungen, die wir aktivieren, wenn wir eine Personenbezeichnung hören. Beispielsweise wird die Verwendung von Begriffen wie “Arzt” oder “Lehrer” oft automatisch mit der Vorstellung eines männlichen Subjekts assoziiert. Dies reduziert die Anzahl der Frauen, an die wir uns erinnern, und kann dazu führen, dass bestimmte Berufe oder Rollen als geschlechtsspezifisch wahrgenommen werden, was wiederum die individuelle Entscheidungsfindung und die beruflichen Möglichkeiten beeinflussen kann. In diesem Sinne wird geschlechtergerechte Sprache auch als Mittel zur Stärkung von Frauen und zur Förderung ihrer Präsenz in verschiedenen Kontexten, von der Wissenschaft über die Politik bis hin zur Arbeitswelt, gesehen. Im Sinne einer geschlechtergerechten Sprache von “Forscherinnen und Forschern” zu sprechen, trägt dazu bei, die tatsächliche Vielfalt der Menschen in diesen Positionen zu repräsentieren und ihre Sichtbarkeit zu erhöhen.

Dies gilt auch für die explizite Ansprache verschiedener Geschlechtsidentitäten jenseits der binären Vorstellung von Mann und Frau. Traditionelle Sprachformen bieten oft nur eingeschränkte Möglichkeiten, Menschen unabhängig von ihrem Geschlecht oder ihrer Geschlechtsidentität sichtbar zu machen. Die Anpassung der Sprache soll sicherstellen, dass alle Menschen respektvoll und inklusiv angesprochen werden können. Im Bemühen um eine geschlechtergerechte Sprache wird daher das generische Maskulinum zunehmend infrage gestellt und alternative Formen diskutiert, die alle Geschlechter repräsentieren.

Auch wenn im Zentrum der Genderdebatte die Kritik am generischen Maskulinum steht, ist eine geschlechtergerechte Sprache auch das Ablehnen sexistischer oder stereotyper Äußerungen, wie z.B. „Du läufst wie ein Mädchen“, Begriffen wie „Putzfrau“ und „Müllmann“ oder auch metaphorischen Konzepten wie „Mutter Natur“.

Formen des geschlechtergerechten Sprachgebrauchs im Deutschen: Vor- und Nachteile

In der Diskussion um einen geschlechtergerechten Sprachgebrauch, der das generische Maskulinum meidet, gibt es noch keine einheitlichen und verbindlichen Regeln, aber es gibt verschiedene Grundsätze und Empfehlungen, die den Gebrauch einer inklusiven Sprache erleichtern können.

Eine gängige Praxis ist die doppelte Nennung der weiblichen und männlichen Form, insbesondere bei der Anrede, die durch einen Schrägstrich verkürzt werden kann, z.B. “Leserinnen und Leser”; “Leserinnen/Leser”, “Leser/-innen”. Eine weniger bekannte Form, die eher kritischen Charakter hat, ist die Verwendung des generischen Femininums, in der die grammatikalisch feminine Form von Personenbezeichnungen genutzt wird, um sich auf gemischtgeschlechtliche Gruppen zu beziehen, z.B. „Alle Lehrerinnen“ um sich auf alle Lehrkräfte, jeglichen Geschlechts zu beziehen. Obwohl bei diesen beiden Formen Männer und Frauen gleichermaßen angesprochen werden sollen, werden alle Geschlechtsidentitäten jenseits von Mann und Frau nur “mitgemeint”, aber nicht direkt angesprochen.

Um dieses Problem zu umgehen, hat sich die Verwendung spezifischer Gender-Zeichen zwischen männlicher und weiblicher Endung durchgesetzt, die eine explizitere Hervorhebung unterschiedlicher Geschlechtsidentitäten ermöglichen. So kann zwischen der männlichen und der weiblichen Form ein Unterstrich oder ein Doppelpunkt gesetzt werden, der sogenannte Gender Gap (z.B. “Leser_innen”; “Leser:innen”), ein Asterisk, auch Genderstern genannt (z.B. “Leser*innen”), oder wortinterne Großschreibung mit Binnen-I verwendet werden, z.B. “LeserInnen”. Diese Form soll die Vielfalt geschlechtlicher Identitäten berücksichtigen und sichtbar machen, da die Sonderzeichen als Platzhalter für alle dienen, die sich weder dem weiblichen noch dem männlichen Geschlecht zuordnen.

Die Verwendung von Gender-Zeichen ist in der Diskussion um geschlechtergerechte Sprache nicht unumstritten. Ein häufig geäußerter Kritikpunkt bezieht sich auf die Lesbarkeit und Ästhetik von Texten, in denen solche Zeichen verwendet werden. Es wird argumentiert, dass sie den Lesefluss stören und das Erscheinungsbild von Texten unübersichtlich machen. Die Frage der Aussprache ist ebenfalls ein Punkt der Unsicherheit, da es keine einheitlichen Regeln gibt, wie diese Zeichen ausgesprochen werden sollen. Darüber hinaus wird die Verwendung von Gender-Zeichen sowie die doppelte Nennung von kritischen Stimmen als unnötige Verkomplizierung und Verlängerung der Sprache empfunden, was Bedenken hinsichtlich der Verständlichkeit und Erschwerung der Kommunikation aufwerfen kann.

Eine Alternative zur expliziten Hervorhebung des Geschlechts durch Doppelnennungen oder die Verwendung von Gender-Zeichen ist die Verwendung geschlechtsneutraler Begriffe (z.B. “Mensch”, “Person”, “Mitglied”, “Gast”), von Sachbezeichnungen (z.B. “Staatsoberhaupt”, “Leitung”, “Kollegium”) oder von Substantivierungen mit Partizip I, Partizip II und Adjektiven im Plural, z.B. “die Studierenden”, “die Gewählten”, “die Verwitweten”. Es gibt auch Bemühungen, statt der männlichen Form die geschlechtsneutrale Form mit einem Adjektiv zu bilden, z.B. „verfasst von“ statt „Verfasser“ oder „fachkundiger Rat“ statt „Rat eines Fachmanns“. Auch die direkte Anrede kann verwendet werden, z.B. „Bitte schreiben Sie eine Antwortmail“ statt „Kunden werden gebeten, eine Antwortmail zu schreiben“. Eine weitere Alternative ist die Verwendung von Passivkonstruktionen wie „Es ist Folgendes zu beachten“ statt „Kunden müssen Folgendes beachten“ oder Relativsätzen wie „Alle, die teilnehmen“ statt „Alle Teilnehmer“.

Die Diskussion über die Vor- und Nachteile der verschiedenen Formen des Genderns hält an. Manche Menschen bevorzugen eine klare, gut lesbare Sprache und empfinden bestimmte Varianten des Genderns als störend oder übergriffig. Andere argumentieren, dass geschlechtsneutrale oder explizit inklusive Formulierungen notwendig sind, um alle Menschen unabhängig von ihrem Geschlecht oder ihrer Geschlechtsidentität angemessen anzusprechen und zu repräsentieren und damit Marginalisierung und Diskriminierung zu vermeiden. Die Debatte um geschlechtergerechte Sprache ist weit mehr als eine sprachliche Anpassung, sie spiegelt tiefgreifende Veränderungen in unserer Gesellschaft wider. Mit der Anpassung der Sprache soll versucht werden, die politischen und gesellschaftlichen Veränderungen in Bezug auf Geschlechteridentitäten, Gleichberechtigung und Vielfalt aufzunehmen und auszudrücken. Geschlechtergerechte Sprache ist somit ein Spiegel sich verändernder gesellschaftlicher Normen und ein Impulsgeber für das Streben nach einer inklusiveren Gesellschaft.

Fazit

Die Anwendung geschlechtergerechter Sprache ist ein komplexes Thema, eng verknüpft mit sozio-kulturellen Bestrebungen. Ein inklusiver Sprachgebrauch wird als Alternative und als eines der vielfältigen Mittel innerhalb der Gleichstellungspolitik vorgeschlagen, um eine umfassende Gleichstellung aller Geschlechter zu erreichen. Die zahlreichen Formen und Empfehlungen zur Verwendung einer inklusiven Sprache zeigen, dass ein Sprachwandel nicht zwangsläufig kompliziert ist. Es geht vielmehr darum, sich an neue Konstruktionen zu gewöhnen oder kreativ zu werden.

Zusammenfassend lässt sich festhalten, dass die Anwendung geschlechtergerechter Sprache im Deutschen zu Beginn dieses Umbruchs zwar einen gewissen Mehraufwand mit sich bringt, jedoch nicht außer Acht gelassen werden sollte, dass Sprache ein mächtiges Werkzeug in der Debatte um Gerechtigkeit, Diversität und Inklusion darstellt. Beim Einsatz geschlechtergerechter Sprache geht es primär um die Hervorhebung geschlechtsspezifischer Anliegen. Beachtet wird jedoch auch die Wechselwirkung mit anderen Formen von Diskriminierung, wie Rassismus, Klassismus, Heteronormativität oder Ableismus. So besteht die konstante Forderung nach einer Sprache, die wahrlich inklusiv ist und den Menschen sowie seine Würde in den Mittelpunkt stellt.

Im nächsten Teil wollen wir untersuchen, welche Rolle geschlechtsneutrale Sprache im E-Commerce spielt und was man bei Übersetzungen in andere Sprachen beachten muss.



Quellen

 


autor_eurotext_100Autor: Eurotext Redaktion

Wir erklären, wie Internationalisierung funktioniert, geben Tipps zu Übersetzungsprojekten und erläutern Technologien und Prozesse. Außerdem berichten wir über aktuelle E-Commerce-Entwicklungen und befassen uns mit Themen rund um Sprache.

 

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