Eine starke Kaufkraft, eine hervorragende Infrastruktur und eine spätestens seit der Corona-Pandemie durchweg digitalisierte Bevölkerung – in Deutschland scheinen alle Voraussetzungen für ein erfolgreiches E-Commerce-Business gegeben. Muss man für den Einstieg in den deutschen Markt auch viele Dinge beachten, so werden sich die Bemühungen langfristig auszahlen. Denn wer es schafft, den deutschen Kunden zu überzeugen, der hat ihn langfristig an sich gebunden. In diesem Beitrag erklären wir, was Online-Händler beachten müssen, um sich am deutschen E-Commerce-Markt durchzusetzen.

Land und Leute

Deutschland ist mit über 83 Mio. Menschen relativ dicht besiedelt. Die zentrale geografische Lage in Europa und hoch qualifizierte Logistikdienstleister bieten optimale Voraussetzungen für den Warentransport und die Erschließung weiterer europäischer Märkte. Eine Studie der Weltbank aus dem Jahr 2016 bewertete Deutschland unter 160 Staaten als besten Logistikstandort.

In Deutschland existiert ein sogenanntes Ost-West-Gefälle in Bezug auf die Unterschiede in den Lebensverhältnissen zwischen den alten („West“) und den neuen („Ost“) Bundesländern. Das Einkommen und somit auch die Wirtschaftskraft ist in den alten Bundesländern leicht erhöht, während die Zahl der Arbeitslosen dort etwas niedriger ausfällt.

Sprachen in Deutschland

95 Prozent der Einwohner Deutschlands sprechen Deutsch als Erst- und Muttersprache. Für etwa drei Mio. ist Russisch und für etwa zwei Mio. Türkisch die Muttersprache. Weiterhin gibt es noch eine nennenswerte Anzahl polnischer, kurdischer, italienischer, griechischer, arabischer, niederländischer, serbischer, kroatischer, spanischer und englischer Muttersprachler.

Zweitsprachen sind in Deutschland für 63 Prozent der Bevölkerung Englisch, für achtzehn Prozent Französisch, für neun Prozent Holländisch, für sieben Prozent Italienisch, für sechs Prozent Russisch, für weitere sechs Prozent Spanisch und für zwei Prozent Dänisch. Dreißig Prozent der Deutschen spricht keine weitere Fremdsprache. Ein Online-Shop in deutscher Sprache ist deshalb Voraussetzung, um die Deutschen zu erreichen.

Netzabdeckung und Internetnutzung in Deutschland

Neunzig Prozent der deutschen Haushalte verfügen über einen Breitbandanschluss. Dieser erreicht eine durchschnittliche Downloadgeschwindigkeit von 69,4 Mbit/s, die allemal genügt, um unbeschwert seine Einkäufe online zu tätigen.

Im Ranking des schnellsten Internets der Welt liegt Deutschland nur auf Platz 31 (Stand 2019). Doch an der Internetgeschwindigkeit wird bereits mit Hochdruck gearbeitet: Die Bundesregierung gibt an, dass bis 2025 mit dem Verlegen von Gigabit-Netzen aus Glasfaser eine „flächendeckende digitale Infrastruktur von Weltklasse“ geschaffen werden soll. Der Wunsch nach schnellem Internet ist auch in der Bevölkerung zu spüren: Die Nachfrage nach (Festnetz-)Bandbreiten mit hohem nominellen Wert steigt stetig an. Auch die Zahl der LTE-Teilnehmer stieg von 2019 bis Mitte 2021 um etwa 15 Prozent auf 68,9 Mio.

Marketing in Form von Suchmaschinenoptimierung und bezahlten Werbeplätzen in den Suchmaschinenergebnissen kann sich in Deutschland durchaus lohnen, denn 92,8 Prozent der Deutschen benutzen das Internet, um eine der vielen Suchmaschinen zu nutzen. 86,7 Prozent der Deutschen nutzen  das Internet für das Versenden privater E-Mails und 46 Prozent lesen Newsletter, was eine solide Grundlage für E-Mail-Marketing-Kampagnen ist.

Gut zwei Drittel der Deutschen, nämlich 69,9 Prozent, gehen ins Internet, um online einzukaufen und sind somit potenzielle E-Commerce-Kunden. Dabei gehen 14,9 Prozent der Deutschen einmal im Monat, 16,6 Prozent mehrmals im Monat und 3,5 Prozent einmal pro Woche oder häufiger online einkaufen. 19,9 Prozent der Deutschen gehen nie online einkaufen.

Im Jahr 2021 nutzten 64,6 Prozent der Deutschen das Internet für Online-Käufe. Die Rate der Online-Käufer wird bis zum Jahr 2025 auf 68,4 Prozent geschätzt – immerhin etwas mehr als 57 Mio. potenzielle Käufer.

Einkaufsverhalten des Deutschen im Internet

Beim Webshop-Design unbedingt beachten: Der deutsche Kunde shoppt gerne mobil. Aktuell gibt es 62,6 Mio. Smartphone-Nutzer in Deutschland. Es wird geschätzt, dass die Anzahl der Smartphone-Nutzer bis 2023 auf 68,6 Mio. angestiegen sein wird. Je jünger der Online-Käufer, desto wahrscheinlicher ist es, dass er über ein mobiles Endgerät einkauft: Deutsche zwischen 18 und 53 Jahren shoppen online am liebsten mithilfe ihres Smartphones. Es lohnt sich also, eine schnelle und nutzerfreundliche mobile Version des Webshops zu besitzen. Laptop und Computer sind danach die zweite und das Tablet die letzte Wahl. 54- bis 72-Jährige sitzen fürs Onlineshopping am liebsten am Computer oder Laptop, während das Smartphone und das Tablet dafür seltener verwendet werden.

So findet der deutsche Kunde zu einer Kaufentscheidung: Gemäß einer Statista-Umfrage gaben 59 Prozent der Befragten an, vor einer größeren Anschaffung immer zuerst im Internet zu recherchieren. 47 Prozent der Befragten achten besonders auf Kundenrezensionen im Internet.

Schnelligkeit beim Versand ist für den Deutschen ein Plus: Vierzehn Prozent der Befragten bevorzugen Express-Versand und Zwölf Prozent der Befragten möchten einen Artikel noch am selben Tag in der Hand halten.

Der Deutsche kauft gerne über Grenzen hinweg, auf internationalen Websites. Somit ist der deutsche Online-Shopper verantwortlich für 15 Prozent der weltweiten, grenzüberschreitenden Käufe. Die beliebtesten Länder, in denen der Deutsche außerhalb seines Heimatlands einkauft, sind das Vereinigte Königreich, die USA und China.

Entscheidende Zutaten für den Webshop: Sicherheit, guter Service und Transparenz

Der deutsche Kunde kennt seine Rechte und schätzt es, wenn seine Privatsphäre respektiert wird. So möchte er zum Beispiel nicht zu Werbezwecken angerufen werden oder Werbepost erhalten.

Der deutsche Kunde ist anspruchsvoll und skeptisch: Er erwartet ein reibungsloses Einkaufserlebnis, einen Webshop in sehr gutem Deutsch und Waren von Qualität.

In Deutschland wird auch der Verbraucherschutz groß geschrieben und gesetzlich streng geregelt. Organisationen wie die Stiftung Warentest werden bei der Suche nach einem bestimmten Produkt gerne für ein unabhängiges Qualitätsurteil zu Rate gezogen. Aus einer Handvoll Produkten gewinnt in der Regel dasjenige, das eine gute Qualität und hohe Zuverlässigkeit nachweisen kann. Prüfzertifikate, herausragende Qualitätsurteile und gute Bewertungen sind in Deutschland nämlich nicht selten der Grund für eine Kaufentscheidung.

Voraussetzung für einen Online-Einkauf ist Transparenz: Gerade ein ausländischer Online-Shop tut gut daran, den Bestellablauf, den Versand, sämtliche Kosten und Fristen transparent und schnell ersichtlich zu machen.

Dass die Waren kostenlos retourniert werden können, wird erwartet. Ein kostenloser Versand ist von Vorteil, doch noch wichtiger ist, dass die Ware zügig beim Kunden eintrifft. Langfristig ist es eine Überlegung wert, sich einen Fulfillment-Partner in Deutschland zu suchen, sowie einen deutschsprachigen Kundenservice, der in Problemfällen telefonisch weiterhelfen kann.

Der deutsche Kunde wählt denjenigen Online-Shop, der Verlässlichkeit und Sicherheit ausstrahlt. Für die Website gilt daher: Wichtig sind ein ausgezeichnetes Deutsch, ein professionelles Design mit ansprechenden Bildern, eine kurze Ladezeit und eine vertraute Top-Level-Domain, vorzugsweise .de oder .com. Absolut unerlässlich sind vollständige rechtliche Angaben.

Umsatzentwicklung im deutschen E-Commerce

Das Marktvolumen des E-Commerce in Deutschland ist kontinuierlich am Steigen. So stieg auch der Umsatz durch E-Commerce im B2C-Bereich kontinuierlich: Bis 2009 im Schnitt um zwei Mrd. Euro pro Jahr, ab 2010 etwa vier Mrd. Euro pro Jahr und zwischen 2019 und 2020 ein Unterschied von 9,6 Mrd.: Im Jahr 2020 wurden in Deutschland im Online-Handel 72,8 Mrd. Euro erwirtschaftet. Im Vergleich dazu lag der B2C-E-Commerce-Umsatz im Jahr 2015 hierzulande noch unter 40 Milliarden Euro. Gewiss ist diese sprunghafte Entwicklung auf die Pandemie-Lage zurückzuführen.

Auf dem Deutschen E-Commerce-Markt tummeln sich rund 37.000 Online-Händler, die den lokalen Ladengeschäften mittlerweile mehr als die Hälfte ihres Umsatzes wegnehmen.

Zusammengenommen haben die Top-100-Onlineshops in Deutschland im Jahr 2020 einen Umsatz von 49.483 Mio. Euro gemacht. Aufgrund der Pandemie auch mit einem großen Sprung nach oben: 2019 lag der Umsatz noch bei 37.522 Mio. Doch auch hier zeigt sich im Lauf der vergangenen Jahre ein konstantes Wachstum. Mehr als die Hälfte des E-Commerce-Gesamtumsatzes erwirtschafteten die Top-10-Onlineshops: Von den rund fünfzig Mrd. Umsatz haben diese einen Umsatz von etwa 28 Milliarden Euro erwirtschaftet. Seit etwa 2015 konzentriert sich der Online-Verkauf zu einem konstantem Anteil von etwa vierzig Prozent auf die wenigen Großen.

Die beliebtesten E-Commerce-Branchen und -Plattformen in Deutschland

Der Favorit unter den in Deutschland meistgenutzten E-Commerce-Plattformen ist Amazon mit 13.875 Mio. Euro Umsatz im Jahr 2020. Auf dem zweiten Platz liegt Otto mit 4.500 Mio. Euro. Platz drei belegt Zalando, gefolgt von Mediamarkt, Saturn, Lidl, Apple, Ikea, Notebooksbilliger und H&M.

Online-Handel boomt (2020) in den Branchen „Consumer Goods/ Elektro“, „Fashion & Accessoires“, „Freizeit & Hobby“ und „Wohnen & Einrichten“, während der Deutsche Waren aus den Bereichen „Fast Moving Consumer Goods“ und „Heimwerken & Garten“ häufiger in einem lokalen Ladengeschäft einkaufen.

Die 2021 bei weitem stärkste online gekaufte Warengruppe stellt mit einem Umsatz von 19.270 Mio. Euro die Bekleidung dar, dicht gefolgt von Produkten aus dem Bereich „Elektronikartikel und Telekommunikation“ mit einem Umsatz von 16.444 Mio. Euro. In der Reihenfolge sortiert nach Beliebtheit folgen die Kategorien „Computer/Zubehör/Spiele/Software“, „Haushaltswaren und -geräte“, „Möbel, Lampen und Dekoration“, „Schuhe“, „Bücher/Ebooks/Hörbücher“, „Hobby und Freizeit“, „Lebensmittel“ und „Drogerie“. Der Markt im Bereich DIY (Do-It-Yourself) ist zwar noch recht klein, dennoch hat sich ein etwas größerer Online-Umsatzanstieg zwischen 2019 und 2020 abgezeichnet (von 3.932 auf 4.973 Mio. Euro). Das stärkste Wachstum bis 2025 wird für den Bereich „Elektronik und Medien“ prognostiziert, während alle anderen Bereiche etwa gleich stark weiterwachsen.

Die am häufigsten heruntergeladenen Apps zum Einkaufen waren 2021 Amazon Shopping, eBay, Kaufland, eBay Kleinanzeigen, Mein dm, Klarna, OTTO, AliExpress, Joom und Lidl Plus.

Bezahlung und Versand

Im Jahr 2020 wurde 30,4 Prozent des Umsatzes auf Rechnung gekauft, 24 Prozent wurde via PayPal bezahlt, 17,9 Prozent via Lastschrift/ Bankeinzug und 11,8% mit der Kreditkarte. Unbeliebter scheinen die Zahlung mittels Überweisung, Vorkasse, Ratenkauf oder Finanzierung, Amazon Pay und per Nachnahme oder bei Abholung.

Immerhin 61,7 Prozent der Deutschen führen online Bezahlvorgänge via Online-Banking durch. In die Richtung des digitalen Bezahlwegs zeigt auch der Trend bei der Bezahlung eines Online-Einkaufs, zum Beispiel via PayPal, Giropay und Sofortüberweisung. Aber auch der Rechnungskauf nach Erhalt der Ware (Überweisung) erlebt einen minimalen Anstieg. Die Bezahlung per Rechnung stufen die Deutschen als sicher ein, wohingegen mindestens jeder zweite Deutsche der Bezahlung via paydirekt, Vorkasse, AmazonPay und Sofortüberweisung skeptisch gegenübersteht.

Für den Warenversand profiliert sich DHL als größter, deutscher Versanddienstleister mit europaweitem Aktionsradius. Weitere wichtige Versanddienstleister sind Hermes und DPD. Die Lieferung nach Hause ist in Deutschland die beliebteste Versandmethode, allerdings werden auch Click & Collect und die Lieferung an Abholstationen genutzt.

In Deutschland werden umfassende Zollkontrollen durchgeführt. Es kommt daher vor, dass man hin und wieder mit Lieferverzögerungen konfrontiert wird. Das Beauftragen eines in Deutschland ansässigen Fulfillment-Dienstleisters würde dieses Problem umgehen.

Der deutsche Kunde ist daran gewöhnt, dass Warenrücksendungen meistens kostenlos sind. In einigen Warengruppen ist dazu noch die Retourenrate in Deutschland außergewöhnlich hoch, zum Beispiel bei Waren aus dem Bereich Fashion.

Rechtliche Besonderheiten

Die Datenschutzgrundverordnung (DSGVO) regelt seit dem 25. Mai 2018 EU-weit die Verarbeitung personenbezogener Daten und wird in Deutschland sehr ernst genommen. So ist es beispielweise nicht erlaubt, Kunden ohne deren Einverständnis anzurufen oder mit Werbe-E-Mails zu “beglücken”. Ein weiteres Gesetz, und zwar das Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb (UWG), verbietet Anrufe zu Werbezwecken ebenfalls.

Ein rechtlich einwandfreier Webshop beinhaltet die Allgemeinen Geschäftsbedingungen (AGB), ein Impressum, Datenschutzrichtlinien, eine Widerrufsbelehrung und Cookie-Richtlinien. Mit einem Consent-Manager und einem Double Opt-In sind Webshop-Betreiber auf der sicheren Seite. Auch die Produkte müssen in deutscher Sprache realitätsgetreu beschrieben werden.

Was die bestellte Ware betrifft, so darf diese in Deutschland ohne Angabe von Gründen binnen vierzehn Tagen retourniert werden.

Die Umsatzsteuer (ugs. Mehrwertsteuer) beträgt in Deutschland neunzehn Prozent. Der reduziert Steuersatz von sieben Prozent gilt für die meisten Lebensmittel, medizinische Hilfsmittel, Übernachtungen und vieles mehr. In Deutschland muss ein Online-Händler dann Umsatzsteuer entrichten, wenn er seine Ware in Deutschland lagert. Auch dann, wenn der Umsatz durch den grenzüberschreitenden Verkauf an in Deutschland ansässige Kunden 10.000 Euro überschreitet, muss die Umsatzsteuer in Deutschland entrichtet werden. Online-Händler, die auf einer deutschen Plattform wie beispielsweise Otto verkaufen, benötigen auch eine deutsche Steuer-ID.

Trends im deutschen E-Commerce

Wer in Deutschland erfolgreich online verkaufen und sich gegen die Konkurrenz durchsetzen möchte, der muss im Internet nicht nur mit einer eigenen Homepage präsent sein, sondern sollte seine Kunden auch in den sozialen Medien Informationen, Kaufmöglichkeiten und einen Ansprechpartner bieten.

Häufig wird für ein Produkt eine Multi-Channel-Kampagne aufgesetzt und weitere Verkaufskanäle zum Endkunden genutzt. Viele Online-Händler bieten ihre Produkte zusätzlich zum eigenen Webshop auch auf Marktplätzen und Plattformen wie Amazon oder Otto an. Der Verkauf bei derartigen Marktplätzen stellt eine einfache Lösung dar, weil sich der Online-Händler um einige Prozesse, wie zum Beispiel den Versand, nicht selbst kümmern muss. Außerdem schätzt der Deutsche die Vertrautheit und Berechenbarkeit des gesamten Einkaufserlebnisses, die er von diesen Marktplätzen bereits kennt.

Für den deutschen Kunden wird ein Thema immer wichtiger: Nachhaltigkeit. Im Zusammenhang mit Konsum bedeutet das für den Online-Händler vor allem eine umweltfreundliche Verpackung und CO2-neutralen Versand.

Fazit

Aus strategischen Gesichtspunkten betrachtet ist Deutschland ein hervorragender Ort für ein E-Commerce-Business: Es liegt im Herzen Europas und besitzt eine der stärksten Wirtschaften der Welt. Ein deutschsprachiger Online-Shop eröffnet zudem auch Zugang zu weiteren deutschsprachigen Märkten, wie den österreichischen und den schweizerischen Markt.

Gute Vorbereitung ist das A und O für den E-Commerce in Deutschland. Wer rechtliche Besonderheiten stets im Blick behält und den Ansprüchen des deutschen Kunden gerecht wird, der ist bestens gewappnet für einen Eintritt in den deutschen E-Commerce-Markt.



Quellen

 


autor_eurotext_100Autor: Eurotext Redaktion

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