Das umfassende Wirtschafts- und Freihandelsabkommen zwischen der EU und Kanada schafft zollfreie Bedingungen für viele Waren sowie nahezu alle industriell-gewerblichen Güter,  ein klarer Vorteil auch für den E-Commerce in Kanada. Gerade angesichts der unvorhersehbaren US-Zollpolitik scheint Kanada aktuell die sicherste Option für eine Expansion nach Nordamerika zu sein. Welche Trends sich im kanadischen E-Commerce abzeichnen, wer die wichtigsten Player sind und was den E-Commerce in Kanada sonst noch kennzeichnet, erfahren Sie hier.

Zahlen und Fakten

Mit einer Fläche von fast zehn Mio. Quadratkilometern ist Kanada flächenmäßig das zweitgrößte Land der Erde. Mit 38 Mio. Einwohnern hat es jedoch weniger als halb so viele Einwohner wie das 30-mal kleinere Deutschland. Mehr als die Hälfte der kanadischen Bevölkerung lebt in der Nähe der Grenze zu den Vereinigten Staaten. International bekannt sind vor allem die Großstädte Montréal, Toronto und Vancouver. Die vergleichsweise kleine Hauptstadt Ottawa liegt an der Grenze zwischen der englischsprachigen Provinz Ontario und dem französischsprachigen Québec und verbindet somit auch geografisch die beiden Sprachgruppen. Der Norden des Landes ist dünn besiedelt.

Mit einem Bruttoinlandsprodukt (BIP) von rund 2.100 Mrd. US-Dollar ist Kanada nach Brasilien und vor Russland die zehntgrößte Volkswirtschaft der Welt. Kaufkraftbereinigt liegt das BIP pro Kopf mit rund 59.800 US-Dollar auf einem ähnlichen Niveau wie in Frankreich und Finnland (vgl. BIP pro Kopf in Deutschland: 69.500 US-Dollar). Gemessen am HDI, dem Wohlstandsindikator der Vereinten Nationen, liegt Kanada mit einem Wert von 0,939 hinsichtlich der menschlichen Entwicklung weltweit auf Rang 16 (vgl. Deutschland: 0,95).

Wirtschaft

Die kanadische Wirtschaft stützt sich vor allem auf den Dienstleistungssektor und das verarbeitende Gewerbe. Laut Daten von Statista trägt der Dienstleistungssektor rund 69,6 Prozent zur gesamten Bruttowertschöpfung bei, das verarbeitende Gewerbe rund 22,5 Prozent. Im Jahr 2023 waren 79,5 Prozent der Erwerbstätigen im Dienstleistungssektor beschäftigt.

Handelspartner

Mit einem Anteil von 49,5 Prozent bei den Importen und 76,4 Prozent bei den Exporten sind die USA Kanadas wichtigster Handelspartner. Weitere wichtige Importländer sind China (11,6 %), Mexiko (6,2 %), Deutschland (3,1 %), Japan (2,8 %), Südkorea (2,2 %) und Italien (1,6 %).

Im Jahr 2023 exportierte Kanada Waren im Wert von rund 569 Mrd. US-Dollar, rund 30 Mrd. US-Dollar weniger als im Vorjahr. Im gleichen Jahr importierte Kanada Waren im Wert von rund 570 Mrd. US-Dollar, rund 13 Mrd. US-Dollar weniger als im Vorjahr. Durch den Rückgang der Exporte schloss die Handelsbilanz mit einem leichten Defizit ab. Auch der Handel zwischen Kanada und Deutschland ging im Jahr 2023 um sechs Prozentpunkte zurück. Bei Nahrungsmitteln pflanzlichen Ursprungs betrug der Rückgang acht Prozent. Diese Produkte machen den größten Anteil am gesamten deutsch-kanadischen Handel aus. Vor allem Ölfrüchte, Fruchtzubereitungen, Kakao und Kakaoerzeugnisse sowie Backwaren aus Deutschland erfreuen sich in Kanada großer Beliebtheit.

Währung

Die kanadische Währung ist der kanadische Dollar (CAD). Ein kanadischer Dollar unterteilt sich in 100 Cents. Der aktuelle Umrechnungskurs beträgt 1,56 kanadischer Dollar für 1 Euro (Stand: 02.06.2025).

Uhrzeit

Kanada ist ein sehr großes Land und hat daher insgesamt sechs verschiedene Zeitzonen. In der Hauptstadt Ottawa liegt die Uhrzeit vier Stunden hinter der koordinierten Weltzeit. Wenn es in Berlin also 12 Uhr ist, dann ist es in Ottawa erst 6 Uhr.

Im Gegensatz zu Deutschland und Europa wird die Sommerzeit in Kanada nicht überall gleich gehandhabt. Ob und wie die Uhrzeit umgestellt wird, entscheidet jede Provinz für sich. In den meisten Teilen Kanadas wird jedoch am ersten Sonntag im April von Winter- auf Sommerzeit umgestellt. Am ersten Sonntag im November endet die Sommerzeit und die Uhr wird wieder auf Winterzeit zurückgestellt.

Trends

Bereits im Jahr 2019 tätigten acht von zehn Kanadiern ihre Einkäufe online. Laut einer Studie des kanadischen Postunternehmens Canada Post standen dabei Kleidung, elektronische Geräte und Bücher ganz oben auf der Einkaufsliste. Während der Corona-Pandemie wuchs der kanadische E-Commerce-Markt im Jahr 2020 um zusätzliche 18 Prozent im Vergleich zum Vorjahr.

Laut einer Umfrage des nationalen Statistikbüros haben 45 Prozent der Kanadier während der Pandemie mehr im Internet bestellt als zuvor. Die Pandemie hat den Einzelhandel strukturell verändert. Zunehmend richten sich auch kleine Unternehmen auf E-Commerce-Plattformen aus und erschließen diese neu. Trends wie Hybridkäufe, Click-and-Collect und das Einkaufen über verschiedene Kanäle hinweg prägen den kanadischen Markt. Soziale Medien sind ein wichtiger Werbeträger, da sie sich als äußerst rentabel erweisen. Deshalb geben immer mehr Einzelhändler Marketinggelder für Social-Media-Werbung aus.

Internetnutzung

Rund 94 Prozent der Kanadier haben Zugang zum Internet. Die meisten Online-Shopper leben in den Städten und nutzen das Internet vor allem für kleinere Routinebestellungen. Für die Bewohner abgelegener Gemeinden im Norden Kanadas ist der Internetzugang besonders wichtig, um Kontakt zur Außenwelt zu halten. Der Ausbau von Hochgeschwindigkeitsnetzen bleibt dort jedoch kostspielig und schwierig.

Kaufverhalten

Im Januar 2022 tätigten 55 Prozent der Kanadier Online-Einkäufe im Einzelhandel über mobile Geräte. Dieser Trend wird voraussichtlich weiter zunehmen. Am liebsten mobil shoppen die jüngeren Konsumentinnen und Konsumenten bis 35 Jahre. Knapp die Hälfte von ihnen kauft mindestens einmal pro Woche über digitale Geräte ein. Auch die Nutzung mobiler Zahlungen mittels Mobile-Point-of-Sale-Technologien wie Apple Pay, Android Pay und Google Pay nimmt in Kanada zu. Durch die laufende Einführung von 5G in allen Regionen Kanadas soll der mobile Handel langfristig gefördert werden.

Marktplätze

Der kanadische E-Commerce-Markt wird von US-amerikanischen Unternehmen dominiert. Amazon ist der stärkste Player auf dem Markt und insbesondere in der Kategorie „Computer und Elektronik” sehr präsent. Amazon verdankt seinen Erfolg einem breit gefächerten Angebot, das von Elektronik über Bücher bis hin zu Unterhaltungsmedien reicht. Im Jahr 2021 erzielte Amazon einen Umsatz von 8,3 Mrd. US-Dollar. Auf den Plätzen zwei und drei der umsatzstärksten Online-Shops folgen Walmart mit 4,3 Mrd. und Home Depot mit 1,7 Mrd. US-Dollar. Zusammen machen Amazon, Walmart und Home Depot 40 Prozent des gesamten Online-Umsatzes in Kanada aus.

Zahlungsmethoden

Die Kreditkarte ist auch im kanadischen E-Commerce die beliebteste Zahlungsmethode. Mit einem Marktanteil von 53,6 Prozent ist Mastercard die beliebteste Kreditkarte. Unter den jüngeren Kanadiern wird das kontaktlose Bezahlen per Smartphone immer beliebter.

Sprachen

Ein wichtiger Unterschied zu den USA ist die Zweisprachigkeit Kanadas. In acht der zehn Provinzen ist Englisch die offizielle und einzige Amtssprache, während die Provinz New Brunswick sowie die drei Territorien zweisprachig sind. In der größten Provinz Québec wird hingegen offiziell ausschließlich Französisch gesprochen. Das Recht, dort auf Französisch informiert und bedient zu werden, ist gesetzlich verbürgt. Sollte Französisch auf Speisekarten oder Schildern nicht an erster Stelle stehen, können sogar Strafen verhängt werden. In Québec leben 85 Prozent aller frankophonen Kanadier, die insgesamt etwa 22 Prozent der kanadischen Bevölkerung darstellen.

Alle nationalen Angebote und Institutionen sind zweisprachig, Schulunterricht wird im gesamten Land in beiden offiziellen Sprachen angeboten und es gibt Radio- und Fernsehsender, die auf Englisch und Französisch senden. Um den rechtlichen Anforderungen gerecht zu werden und sich an den kanadischen Gesamtmarkt zu richten, benötigen Unternehmen Webseiten in beiden Sprachen. Eine kultursensible Übersetzung, die die Besonderheiten der jeweiligen Zielgruppe berücksichtigt – Stichwort Lokalisierung – ist für den E-Commerce wichtig.

Wissenswertes über Importverfahren

Kanada möchte seine Importbestimmungen so einfach und wirtschaftlich effizient wie möglich gestalten. Je nach Ware ist entweder eine Importgenehmigung erforderlich oder es müssen Nachweise über die Konformität mit kanadischen Standards vorgelegt werden.

Zollbestimmungen

Grundsätzlich gilt als Verzollungsgrundlage der „Transaction Value“, also der fakturierte Preis der nach Kanada exportierten Produkte. Der kanadische Zolltarif sowie eine Auflistung der „Special Import Measures” nach Produktkategorien lassen sich auf der Website der Canada Border Services Agency direkt abrufen.

Handelsabkommen

Die Europäische Union und Kanada haben mit dem „Comprehensive Economic and Trade Agreement“ (CETA) ein umfassendes Wirtschafts- und Freihandelsabkommen abgeschlossen. Demnach sind nahezu alle industriell-gewerblichen Güter zollfrei.

Wichtig für den E-Commerce: Seit dem 1. Juli 2021 müssen sich nicht in Kanada ansässige Anbieter von Online-Produkten und -Dienstleistungen, die diese in Kanada verkaufen, für die Goods and Services Tax (GST)/Harmonized Sales Tax (HST) in Kanada registrieren. Die GST/HST ist somit an kanadische Kunden zu verrechnen und an das kanadische Finanzamt (CRA, Canada Revenue Agency) abzuführen.

Fazit

Die Pandemie hat den kanadischen Einzelhandel strukturell verändert. Zunehmend richten sich auch kleine Unternehmen auf E-Commerce-Plattformen aus und erschließen diese neu. Hybridkäufe, Click-and-Collect und das Einkaufen über verschiedene Kanäle hinweg liegen hoch im Trend. Immer mehr Einzelhändler investieren in Social-Media-Werbung, um die jüngere Konsumentengruppe der unter 35-Jährigen für sich zu gewinnen. Langfristig gesehen soll die laufende Einführung von 5G in ganz Kanada den mobilen Handel weiter fördern. Für Händler aus Deutschland ist Kanada ein interessanter Expansionsmarkt, denn die EU und Kanada haben sich auf ein umfassendes Wirtschafts- und Freihandelsabkommen geeinigt, wodurch viele Waren und nahezu alle industriell-gewerblichen Güter zollfrei sind. Gerade angesichts der unvorhersehbaren US-Zollpolitik scheint Kanada aktuell die sicherste Option für eine Expansion nach Nordamerika zu sein.



Quellen

Weiterführende Links

 


autor_eurotext_100Autor: Eurotext Redaktion

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