In Brasilien – dem bevölkerungsmäßig größten Internetmarkt Lateinamerikas und dem Land mit der weltweit fünfthöchsten Anzahl an Internetnutzerinnen und -nutzern – gehen bereits mehr als 55 Prozent der Menschen über mobile Endgeräte ins Internet. Im E-Commerce kaufen die Brasilianerinnen und Brasilianer günstigere oder bessere Produkte, informieren sich über Kaufmöglichkeiten und schreiben Bewertungen über gekaufte Waren. Für Menschen, die in abgelegenen Regionen fernab der Logistikzentren leben, ist die direkte Lieferung nach Hause der wichtigste Aspekt des E-Commerce. Doch der Einstieg in den brasilianischen Markt ist für ausländische Interessenten nicht einfach. Mehr dazu hier.
Zahlen und Fakten, Wirtschaft, Export- und Importpartner, Währung, Uhrzeit
Brasilien ist flächenmäßig der fünftgrößte Staat der Erde und mit rund 215 Mio. Einwohnerinnen und Einwohnern bevölkerungsmäßig der siebtgrößte, fast doppelt so groß wie alle EU-Staaten zusammen. Die Bevölkerung konzentriert sich auf die Bundesstaaten im Osten und Süden Brasiliens. Das Amazonasgebiet und das Bergland sind dünn besiedelt.
Der Großteil der brasilianischen Bevölkerung lebt an der Atlantikküste, wo sich auch fast alle Großstädte befinden. São Paulo ist mit rund 12 Mio. Einwohnerinnen und Einwohnern die bevölkerungsreichste Stadt Brasiliens. Auch Rio de Janeiro gehört mit rund 6,7 Mio. zu den größten Städten Brasiliens und Südamerikas. Die Hauptstadt Brasília ist gemessen an der Einwohnerzahl die drittgrößte Stadt Brasiliens.
Mit einem Bruttoinlandsprodukt (BIP) von rund 1.900 Mrd. US-Dollar ist Brasilien nach Italien und vor Kanada nominal die neuntgrößte Volkswirtschaft der Welt. Kaufkraftbereinigt liegt das BIP pro Kopf mit rund 18.900 US-Dollar auf dem Niveau anderer Schwellenländer wie Mexiko, China oder der Türkei (vgl. Deutschland: 64.100 US-Dollar; Österreich: 66.900 US-Dollar).
Gemessen am HDI, dem Wohlstandsindikator der Vereinten Nationen, liegt Brasilien mit einem Wert von 0,76 hinsichtlich der menschlichen Entwicklung weltweit auf Rang 89 (vgl. Deutschland: 0,942; Österreich: 0,916). Die Kluft zwischen einer wohlhabenden und gut ausgebildeten Minderheit der Bevölkerung und einer schlecht ausgebildeten Mehrheit, die meist am Rande des Existenzminimums lebt, ist ein großes soziales Problem und – neben der Inflation – eine der größten Herausforderungen für die brasilianische Wirtschaft. Dass immer mehr Menschen vom Land in die Städte ziehen und dort die Armenviertel vergrößern, verschärft die Situation zusätzlich.
Brasilien ist für Deutschland der wichtigste Handelspartner in Südamerika und das bedeutendste Zielland für Investitionen. Heute sind rund 1.600 Unternehmen mit deutscher Kapitalbeteiligung in Brasilien aktiv und erwirtschaften rund zehn Prozent der industriellen Wertschöpfung. Allein in São Paulo gibt es über 800 deutsche Unternehmen mit mehr als 250.000 Beschäftigten. Deutsche Unternehmen exportieren Waren im Wert von gut 12 Mrd. Euro nach Brasilien, vor allem chemische Erzeugnisse, Maschinen sowie Fahrzeuge und Fahrzeugteile. Weitere wichtige Handelspartner sind China (Exporte: 30,7 %; Importe: 22,1 %), die USA (E: 10 %; I: 15,9 %), Argentinien (E: 4,9 %; I: 4,9 %), Mexiko (E: 2,5 %; I: 2,3 %) und Japan (E: 1,9 %; I: 2,1 %). Der größte Teil (58,8 %) des brasilianischen BIP wird im Dienstleistungssektor erwirtschaftet, aber auch die traditionell starke verarbeitende Industrie ist nach wie vor von großer Bedeutung (22,2 %).
Die brasilianische Währung ist seit 1994 der Real (BRL). 1 Real entspricht 100 Centavos. Der aktuelle Umrechnungskurs beträgt 6,07 Real für 1 Euro (Stand: 09.10.2024).
Neben der unterschiedlichen Währung müssen Reisende aus Deutschland auch die Zeitverschiebung beachten. In Brasilien gibt es vier Zeitzonen. Während der Sommerzeit liegt Brasilia vier Stunden hinter der deutschen Zeit.
Internetnutzung, Kaufverhalten, Produktkategorien, Marktplätze, Zahlungsarten
Rund 80 Prozent der brasilianischen Bevölkerung haben Zugang zum Internet. Es wird erwartet, dass die Internetdurchdringung in Brasilien bis 2027 auf über 90 Prozent und bis 2029 auf 98 Prozent steigen wird. Damit ist Brasilien im Verhältnis zur Bevölkerung der größte Internetmarkt Lateinamerikas und hat weltweit die fünfthöchste Anzahl an Internetnutzern.
Mehr als 55 Prozent des Internetverkehrs in Brasilien wird über mobile Endgeräte generiert. Von den rund 156 Mio. Menschen, die 2023 ins Internet gingen, taten dies mehr als 154 Mio. mobil. Fast 90 Mio. Nutzer surften im selben Jahr nach eigenen Angaben ausschließlich mobil. Einmal online, bleiben die Brasilianerinnen und Brasilianer gerne in Kontakt: Vier von fünf Internetnutzerinnen und -nutzern sind in sozialen Netzwerken aktiv, Messaging-Dienste werden von mehr als 92 Prozent der Brasilianerinnen und Brasilianer genutzt.
Laut Statista werden bis 2027 mehr als zwei Drittel der brasilianischen Bevölkerung online einkaufen. Die Mehrheit der befragten brasilianischen Konsumenten gibt an, das Internet zu nutzen, um sich vor dem Kauf über Produkte und Alternativen zu informieren – vor allem, wenn größere Anschaffungen anstehen. Als besonders hilfreich empfinden die brasilianischen Konsumenten dabei Produktbewertungen, denen sie einen sehr hohen Wert beimessen. Ein weiterer Faktor ist die Einfachheit, mit der über mobile Endgeräte eingekauft werden kann. Vor allem aber schätzen die Brasilianerinnen und Brasilianer den Komfort, sich die Produkte nach Hause liefern zu lassen.
In Brasilien werden 58 Prozent der digitalen Einkäufe von Frauen getätigt. Die 35- bis 44-Jährigen mit mittlerem Einkommen sind die aktivste Zielgruppe im brasilianischen E-Commerce. Die Elektronik im Allgemeinen und die Unterhaltungselektronik im Besonderen ist die Produktkategorie, die am meisten auf digitalem Wege verkauft wird. Vor allem hier investieren die brasilianischen Konsumentinnen und Konsumenten die meiste Zeit in die Recherche, bevor sie den Kauf abschließen.
Laut Daten von Statista wird der brasilianische E-Commerce zwischen 2024 und 2029 kontinuierlich um insgesamt 11,7 Prozentpunkte wachsen. Bis 2029 sollen 81,3 Prozent der Konsumentinnen und Konsumenten den E-Commerce für sich entdeckt haben. Der brasilianische E-Commerce-Markt wird bislang von einheimischen Plattformen dominiert, darunter B2W Digital (die Gruppe hinter u.a. Americanas.com und Submarino.com), Magazine Luiza (oder kurz Magalu) und Cnova. Einzige Ausnahme ist der brasilianische Ableger des lateinamerikanischen Internetriesen Mercado Libre aus dem Mercosur-Nachbarland Argentinien, in Brasilien Mercado Livre. Während Mercado Libre mit eBay kooperiert, ist Amazon erst seit 2017 mit seinem kompletten Angebot in Brasilien aktiv und daher weniger dominant als in Europa.
Digitale Bezahldienste sind im brasilianischen E-Commerce weit verbreitet. Den größten Marktanteil teilen sich PayPal und Mercado Pago. Mehr noch als die Möglichkeit der elektronischen Bezahlung können die Lieferbedingungen über Erfolg oder Misserfolg des E-Commerce in Brasilien entscheiden: Für sechs von zehn brasilianischen Online-Shopperinnen und -Shopper ist die direkte Lieferung nach Hause der wichtigste Grund, online einzukaufen, noch vor anderen Kriterien wie niedrigeren Preisen oder einer großen Produktauswahl.
Sprache
Brasilien ist das Land mit der größten portugiesischsprachigen Bevölkerung der Welt. Für den Verkauf in Brasilien ist daher eine Version des Webshops in portugiesischer Sprache erforderlich. Ähnlich wie z. B. das Englische, das Französische, das Spanische und das Deutsche ist das Portugiesische eine plurizentrische Sprache, von der es mehrere Varianten gibt, die alle als offiziell gelten. Das brasilianische Portugiesisch hat seine Besonderheiten: Aussprache, Rechtschreibung und Grammatik unterscheiden sich vom europäischen Portugiesisch. Mehr über Portugiesisch und seine Varianten lesen Sie hier.
Bei der Übersetzung ist es wichtig, die brasilianische Variante der portugiesischen Sprache und die kulturellen und landesspezifischen Unterschiede zu berücksichtigen. So muss z. B. auch berücksichtigt werden, dass die brasilianischen Konfektionsgrößen weder den europäischen noch den amerikanischen Größen entsprechen und angepasst werden müssen. Auch die Preise sollten in der Landeswährung angegeben werden.
Wissenswertes zu Import- und Zollbestimmungen, Handelsabkommen, Verpackungsvorschriften, Ursprungsbezeichnung
Voraussetzung für die Lieferung von Waren nach Brasilien ist das Vorliegen aller Genehmigungen. Insbesondere müssen Importeure Zugang zum brasilianischen Online-Zollanmeldesystem SISCOMEX haben. Dieser ist bei der brasilianischen Steuer- und Zollbehörde zu beantragen.
Im SISCOMEX werden Unternehmen unter anderem nach ihrem Umsatz verschiedenen Kategorien zugeordnet. Die Zollanmeldung, die Handelsrechnung, der internationale Frachtbrief und eine Warenliste sind für die Einfuhrabfertigung erforderlich. Für bestimmte Warengruppen sind zusätzlich Importlizenzen, Ursprungszeugnisse, Prüfzertifikate, Pflanzengesundheitszeugnisse oder Analysezertifikate zur Bestätigung der Seuchenfreiheit erforderlich.
Formal gesehen sind alle Importe genehmigungspflichtig, aber die meisten Waren erhalten automatisch eine Lizenz. Dazu genügt die elektronische Zollanmeldung. Die Genehmigung erfolgt sofort durch das System SISCOMEX. Ob die Zollanmeldung ausreicht oder eine Importlizenz beantragt werden muss, wird vom System angezeigt.
In Brasilien gilt der gemeinsame Außenzolltarif des Mercosur. Dieser basiert wie die Kombinierte Nomenklatur der EU auf dem Harmonisierten System. Daher entsprechen die ersten sechs Ziffern des Mercosur-Zolltarifs dem EU-Zolltarif. Präferenzzölle oder Zollfreiheit bestehen grundsätzlich nur für die Mitgliedstaaten des Mercosur-Abkommens und der Lateinamerikanischen Integrationsvereinigung ALADI.
Im Jahr 2019 konnte das Assoziierungsabkommen zwischen der Europäischen Union und den Mercosur-Staaten nach fast 20-jährigen Verhandlungen unter Dach und Fach gebracht werden. Das Abkommen, das noch vom Rat der Europäischen Union und vom Europäischen Parlament angenommen werden muss, enthält Bestimmungen zum politischen Dialog, zur Zusammenarbeit und zum Handel.
In Brasilien muss das Ursprungsland von Konsumgütern sowohl auf dem Produkt als auch auf der Einzelhandelsverpackung in portugiesischer Sprache angegeben werden. Zu beachten ist auch, dass die Zollbehörden nach eigenem Ermessen eine amtliche Übersetzung der vom Importeur vorgelegten Informationen verlangen können, insbesondere bei Zertifikaten, Warenetiketten und anderen Dokumenten.
Fazit
Brasilien ist im Verhältnis zur Bevölkerung der größte Internetmarkt Lateinamerikas und hat weltweit die fünfthöchste Anzahl an Internetnutzerinnen und -nutzern. Rund 80 Prozent der 215 Mio. Brasilianerinnen und Brasilianer haben Zugang zum Internet – bis 2027 sollen es über 90 Prozent und bis 2029 98 Prozent sein. Mehr als 55 Prozent des Internetverkehrs in Brasilien wird über mobile Endgeräte generiert und viele, die ein Smartphone besitzen, geben an, ausschließlich mobil ins Internet zu gehen – natürlich auch, wenn es darum geht, Produkte im E-Commerce zu kaufen oder zu vergleichen, um den Kauf später abzuschließen. Das Potenzial des E-Commerce in Brasilien ist also groß. Allerdings ist der Einstieg in den brasilianischen Markt, der bisher von lokalen Anbietern dominiert wird, für ausländische Interessenten nicht einfach. Das Land ist für europäische Verhältnisse riesig und die Infrastruktur oft mangelhaft. Hinzu kommt, dass die bürokratischen Hürden für Import und Vermarktung in Brasilien relativ hoch sind. Die Formalitäten können zudem viel Zeit in Anspruch nehmen. Insofern kann die Zusammenarbeit mit lokalen Partnern große Vorteile bringen: Bürokratische Hürden können umgangen oder vereinfacht und Lieferungen besser organisiert werden, um Kosten und Risiken des Imports zu minimieren.
Quellen
- BDI: Brasilien: Wichtigster Wirtschaftspartner in Südamerika [zuletzt aufgerufen am 09.10.2024]
- Statista: Anteile der Wirtschaftssektoren am Bruttoinlandsprodukt (BIP) Brasiliens bis 2023 [zuletzt aufgerufen am 09.10.2024]
- Statista: Attitudes towards online shopping in Brazil 2024 [zuletzt aufgerufen am 09.10.2024]
- Statista: Beliebteste Online-Bezahldienste in Brasilien 2023 [zuletzt aufgerufen am 09.10.2024]
- Statista: Brazil: internet user penetration 2019-2029 [zuletzt aufgerufen am 09.10.2024]
- Statista: Bruttoinlandsprodukt (BIP) in Brasilien bis 2029 [zuletzt aufgerufen am 09.10.2024]
- Statista: Bruttoinlandsprodukt (BIP) pro Kopf in Brasilien bis 2029 [zuletzt aufgerufen am 09.10.2024]
- Statista: Die größten Volkswirtschaften weltweit nach Bruttoinlandsprodukt (BIP) 2023 [zuletzt aufgerufen am 09.10.2024]
- Statista: E-commerce penetration rate in Brazil 2020-2029 [zuletzt aufgerufen am 09.10.2024]
- Statista: Gender distribution of online shoppers in Brazil 2018-2023 [zuletzt aufgerufen am 09.10.2024]
- Statista: Größte Städte in Brasilien 2024 [zuletzt aufgerufen am 09.10.2024]
- Statista: Most common devices for online purchases in Brazil 2023 [zuletzt aufgerufen am 09.10.2024]
- Statista: Wichtigste Exportländer für Brasilien 2023 [zuletzt aufgerufen am 09.10.2024]
- Statista: Wichtigste Importländer für Brasilien 2023 [zuletzt aufgerufen am 09.10.2024]
- Wirtschaftskammer Österreich: Brasilien: Export und Import [zuletzt aufgerufen am 17.06.2024]
Weiterführende Links
- Mercosur (in englischer Sprache)
- ALADI (in spanischer Sprache)
- Handelsabkommen EU-Mercosur
- Brasilianische Zoll- und Steuerbehörde (in englischer Sprache)
Autor: Eurotext Redaktion
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