Last but not least: Nach England, Irland und Wales wenden wir uns dem vierten im Bunde des Vereinigten Königreichs zu – Schottland. Letztlich ist der Markt in Schottland genauso interessant: Die Zielgruppe ist relativ groß, die Infrastruktur gut und es wird gerne online eingekauft. Allerdings hat der Brexit den Handel mit schottischen Kundinnen und Kunden etwas erschwert. Was Schottland als mögliches Expansionsziel kennzeichnet, wo die Gemeinsamkeiten und die Unterschiede zu England und Wales liegen und was das für Onlinehändler bedeutet, zeigen wir hier.
Zahlen und Fakten über das Land
Schottland hat als nördliches Drittel Großbritanniens eine Fläche von 78.772 km² und ca. 5,3 Millionen Einwohnerinnen und Einwohner. Es ist damit etwas größer als Bayern, hat aber eine deutlich geringere Bevölkerungsdichte von 70 Einwohnerinnen und Einwohner pro km² (Bayern: ca. 190). Die einzige Landesgrenze besteht zu England und hat eine Länge von knapp 100 km. Die größten Städte Schottlands sind neben der Hauptstadt Edinburgh, die nebenbei bemerkt die erste Stadt der Welt war, die eine eigene Feuerwehr hatte, Glasgow und Aberdeen. Schottlands Küsten haben eine Gesamtlänge von etwa 3540 km.
Genauso wie England gehört Schottland zum Vereinigten Königreich, da die Schotten das Referendum über Schottlands Unabhängigkeit 2014 abgelehnt hatten. Staatsoberhaupt des Vereinigten Königreiches und damit auch von Schottland ist der britische König. Doch anders als das südlichste Land im Bunde verfügt Schottland über ein eigenes Parlament.
Bis zu seinem Austritt im Zuge des sogenannten „Brexit“ im Jahr 2020 war Schottland als Teil des Vereinigten Königreichs Mitglied der EWG bzw. der Europäischen Union. Besuchs- und Geschäftsreisen nach Schottland sind für EU-Bürgerinnen und -Bürger weiterhin ohne Visum möglich, doch seit Oktober 2021 wird für die Einreise ein Reisepass benötigt – der Personalausweis reicht nicht mehr aus.
Gemessen am HDI, dem Wohlstandindikator der Vereinten Nationen, ist das Vereinigte Königreich mit einem Wert von 0,929 das 18. Land der Welt nach menschlicher Entwicklung (vgl. Deutschland: 0,942; Österreich: 0,916). Das britische Bruttoinlandsprodukt (BIP) liegt bei rund 3.200 Mrd. US-Dollar, kaufkraftbereinigt liegt das BIP pro Kopf bei rund 55.800 US-Dollar (vgl. deutsches BIP pro Kopf: 45.700 US-Dollar).
In Schottland wird mit dem britischen Pfund bezahlt wie im gesamten Vereinigten Königreich. Allerdings gibt es eine kuriose Besonderheit: Die drei großen schottischen Banken Bank of Scotland, Royal Bank of Scotland und Clydesdale Bank sind nämlich berechtigt, ihre eigenen Banknoten herauszugeben. Zusammen mit den Banknoten der Bank of England gibt es deshalb in Schottland vier unterschiedliche Geldscheine jeden Nennwerts. In Schottland kann man in vielen Regionen sowohl mit schottischer Landeswährung als auch mit der britischen Währung bezahlen. Begibt man sich in abgelegene Gegenden, kann es auch passieren, dass die britische Währung nicht akzeptiert wird. Schottisches Bargeld scheint daher sinnvoll.
Das britische Pfund, im englischen Sprachraum als Pfund Sterling bzw. einfach nur Sterling bezeichnet, unterteilt sich in 100 Pence (=Mehrzahl von Penny). Aktuell (08.05.2023) beläuft sich der Wechselkurs auf 1,15 Euro pro Pfund Sterling.
Die Zeit in Schottland ist 1 Stunde vor der Zeit in Deutschland – wenn in Berlin 12:00 Uhr ist, schlägt die Uhr in Edinburgh 11:00 Uhr.
Sprache
Die offizielle Amtssprache ist Englisch. Britisches Englisch unterscheidet sich in Wortschatz und Rechtschreibung vereinzelt etwa von der amerikanischen Variante, ist jedoch universell verständlich. Die Hochsprache „Received Pronunciation“ (auch: „BBC-Englisch“) sprechen im Alltag etwa zehn Prozent der Britinnen und Briten, vor allem im südlichen Teil Englands. In Schottland wird neben Englisch auch Schottisch, Walisisch und vereinzelt sogar Gälisch unterrichtet und gesprochen. Ansonsten gibt es innerhalb des Vereinigten Königreichs eine Vielzahl lokaler Dialekte, die für die Schriftsprache und damit für den Onlinehandel jedoch keine Rolle spielen.
Eckdaten über Wirtschaft, Import und Export
Als Teil des Vereinigten Königreichs ist Schottland – nach Deutschland und vor Indien – die fünftgrößte Volkswirtschaft der Welt nach Bruttoinlandsprodukt (BIP). Das britische BIP liegt bei knapp 3.200 Mrd. US-Dollar, bis 2025 wird ein weiteres Wachstum bis auf über 3.900 Mrd. erwartet. Das schottische BIP liegt bei über 200 Mio. US-Dollar.
Im Jahr 2021 waren 71,63 Prozent der erwerbstätigen Britinnen und Briten im Dienstleistungssektor, 17,7 Prozent im verarbeitenden Gewerbe und 0,6 Prozent in der Landwirtschaft beschäftigt. Die Landwirtschaft spielt für Schottland eine sehr wichtige Rolle. Mehr als 75 Prozent der Landesfläche wird für Weidewirtschaft und den Anbau von Nutzpflanzen verwendet. Vor allem Gerste und Weizen sind für die Whisky- und Bierherstellung wichtig. Neben der Weidewirtschaft ist auch die qualitativ hochwertige Fleischproduktion von großer Relevanz. Gezüchtet werden in den Highlands vor allem Rinder und Schafe. Die Milchviehwirtschaft ist dagegen von untergeordnetem Gewicht. Bedeutungsvoll sind zudem auch die Holzwirtschaft und die Fischerei. Rund ein Drittel der gesamten Holzproduktion von Großbritannien findet in Schottland statt. Ebenso stammen 70 Prozent der Gesamtfangmenge von Großbritannien aus den Gewässern Schottlands. Die Hochseefischerei ist besonders im Nordosten und im Bereich der Inselgruppen von Bedeutung. Schottland ist jedoch auch für die hervorragende Qualität geräucherter Fische bekannt, für die vor allem Hering und Schellfisch verwendet werden.
Die Industrie und vor allem die Holzwirtschaft sind ebenfalls wichtige Sektoren für die schottische Wirtschaft. Im Industriesektor liegt der Fokus vor allem auf den großen Beständen an Kohle, Eisen- und Zinkerz. Seit der Entdeckung der ausgedehnten Ölfelder in den späten Siebzigerjahren stellt Erdöl und Erdgasförderung in der Nordsee einen wichtigen Wirtschaftsfaktor dar. Das Geschäft mit Öl und Gas vor der Küste macht gut 17 Prozent der gesamten Wirtschaftsleistung Schottlands aus. Der Export von Schottland wird seither besonders von Erdöl und Erdgas, chemischen Produkten, Elektronikteilen und -zubehör, Bekleidung, Maschinen, Textilien und Whisky bestimmt.
Insgesamt importiert Schottland weitaus mehr, als es exportiert. Im Jahr 2021 wurden Waren im Wert von über 106 Mio. Pfund aus der ganzen Welt nach Schottland importiert, die Exporte beliefen sich auf rund 86 Mio. Das Vereinigte Königreich importiert vor allem Fahrzeuge (25 Mio.), Arzneimittel und Pharmazeutika (21,8 Mio.) sowie Kleidung und Modeartikel (17 Mio.) sowie andere Konsumgüter (14 Mio.).
Deutschland gehört zu den wichtigsten Wirtschaftspartnern des Vereinigten Königreichs. 11 Prozent der grenzüberschreitenden Handelstransaktionen finden mit Deutschland statt. Weitere wichtige Handelspartner und Bezugsmärkte sind China (13,2 %), die Vereinigten Staaten (8,7 %), die Niederlande (6 %), Norwegen (5,2 %), Belgien, Frankreich (jeweils 4,5 %) und Italien (3,8 %). Mit diesen Ländern finden rund 57 Prozent der Transaktionen statt.
Trends im Hinblick auf die Internetnutzung
Die Internetabdeckung im Vereinigten Königreich und damit auch in Schottland ist außergewöhnlich gut: Anfang 2020 hatten 96 Prozent der Britinnen und Briten Zugang zum Internet, nur 6,3 Prozent der Erwachsenen waren noch nie online. 87 Prozent gaben außerdem an, in den vergangenen zwölf Monaten etwas im Internet gekauft zu haben. Besonders beliebt waren laut einer Erhebung des britischen Statistikbüros demnach Kleidung und Schuhe. Knapp jeder Dritte hatte auch Essen per Mausklick bestellt. Weil die Britinnen und Briten mehr Zeit zu Hause verbrachten, surften sie während der Corona-Pandemie doppelt so lange im Internet wie noch 2019, wie die Provider-Firma Openreach berichtet.
Was die Internetnutzung angeht, ist auch in Schottland – dem globalen Trend folgend – die Altersgruppe der Jugendlichen und jungen Erwachsenen am aktivsten. Es gibt jedoch auch ein zunehmend älteres Publikum, welches das Internet und mobile Geräte nutzt, auch kauforientiert. Aus einer Umfrage von Statista aus dem Jahr 2021 ergab sich darüber hinaus eine Differenzierung in der Internetnutzung je nach Alter der Befragten hinsichtlich des Gerätes, welches vorzugsweise zum Surfen verwendet wird. Bei allen Altersgruppen bietet das Smartphone den bevorzugten Weg zum Internet – und damit im Falle einer kauforientierten Nutzung auch zum gewünschten Produkt. Am wesentlichsten überwiegt die mobile Nutzung des Internets über Smartphone und Tablet bei den jüngeren Nutzerinnen und Nutzern zwischen 25 und 34 Jahren. Erwachsene Nutzerinnen und Nutzer surfen auch vorzugsweise mobil, auch wenn weniger als die jungen Erwachsenen; die älteren Nutzerinnen und Nutzer ab 55 Jahren teilen sich zwischen Desktopnutzung und mobiler Nutzung.
Dass die mobile Nutzung des Internets überwiegt, ist für Interessenten aus dem E-Commerce eine wichtige Information, da die Anzeige von Werbeinhalten auf den verschiedenen Kanälen eine eigene, plattformoptimierte Anpassung erfordert. Soziale Medien erfreuen sich auch in Schottland sehr vieler Nutzerinnen und Nutzer – und eignen sich deshalb besonders gut für die Vermarktung von Produkten und Leistungen. Laut Daten von Statista nutzen über 61 Mio. Britinnen und Briten soziale Netzwerke, bis 2027 soll das Publikum um weitere 4 Mio. wachsen. Zu den beliebtesten sozialen Medien gehören im Vereinigten Königreich, genauso wie in Deutschland und den meisten Ländern West- und Mitteleuropas, WhatsApp (73,4 %), Facebook (71,07 %) und Instagram (56,4 %), gefolgt von Twitter (42,8 %), TikTok (38 %), iMessage (33,5 %) und Snapchat (29,5 %).
Trends im Hinblick auf das Kaufverhalten
Gemeinsam mit dem Rest des Vereinigten Königreichs bildet Schottland den viertgrößten E-Commerce-Markt der Welt und liegt damit vor Deutschland. Daten von Statista zufolge generiert der britische E-Commerce einen Umsatz im Wert von über 110 Mrd. Pfund, das entspricht rund 38 Prozent des insgesamt von der Handelsbrache generierten Umsatzes im Vereinigten Königreich. Die Modebranche schreibt dabei die größten Umsätze.
Der schottische Markt, wie auch der britische, wird überwiegend von amerikanischen Shops und Markplätzen beherrscht, insbesondere von Amazon und eBay, die dort mit Abstand die größten E-Commerce-Akteure sind. Da der britische Markt technologisch fortgeschritten ist und eine hohe Marktdurchdringung und Zahlungsfähigkeit aufweist, ist der Wettbewerb um Onlinekäufe sehr hart. Einige traditionelle stationäre Einzelhändler, die sich auf bestimmte Kategorien konzentrieren, wie Argos für Elektronik und Haushaltsgeräte oder B&Q und Screwfix mit Werkzeugen und Eisenwaren, sind jedoch immer noch in der Lage, sich einen ordentlichen Marktanteil zu sichern. Einige wichtige britische Lebensmittelhändler wie Tesco, konnten sich durch den Online-Verkauf einen Namen machen, obwohl Asda, das dem amerikanischen Einzelhändler Walmart gehört, auch in diesem digitalen Segment ein enger Konkurrent ist.
Rund 60 Prozent der 2021 befragten britischen Konsumentinnen und Konsumenten gaben an, mindestens einmal im Jahr Produkte und Leistungen über das Internet zu beziehen – insgesamt geben die Britinnen und Briten pro Kopf mehr Geld für Online-Käufe aus als jedes andere Land der Welt. Für die meisten Befragten sei es im Internet einfacher, zum gewünschten Produkt zu gelangen, weil die Produkte im digitalen Handel übersichtlicher präsentiert werden und die Rezensionen anderer Konsumentinnen und Konsumenten eine verlässliche Orientierungshilfe darstellen.
Die Britinnen und Briten sind, was Kreditkarten anbelangt, weiter als die Deutschen. Fast überall kann dort mit Visa/Mastercard/Maestro gezahlt werden. In Pubs wird allerdings bevorzugt Bargeld angenommen. Für Online-Einkäufe ist neben den Kreditkarten auch Paypal sehr beliebt.
Brexit und Folgen für den E-Commerce
Der E-Commerce zwischen der EU und Schottland ist durch den Brexit seit Januar 2021 deutlich komplizierter geworden – das Handelsvolumen ging im ersten Quartal 2021 im Vergleich zum Vor-Quartal um ein Fünftel zurück. Insgesamt hat der gestiegene Verwaltungsaufwand zu höheren Versandkosten und -zeiten als vor dem Brexit geführt. Weitere Informationen dazu in unserem Artikel „Der Brexit und seine Folgen für den E-Commerce“.
Wissenswertes zu den Import- und Zollbestimmungen
Was früher als innergemeinschaftliche Lieferung zwischen einem EU-Land und Schottland abgewickelt wurde, wurde mit dem endgültigen Austritt des Vereinigten Königreichs aus Binnenmarkt und Zollunion zur Ausfuhr in ein Drittland. Für deutsche Exporteure ergeben sich in der Folge grundlegende Änderungen – auch, wenn nach dem zwischen dem Vereinigten Königreich und der EU Ende 2020 erzielten Handels- und Kooperationsabkommen in vielen Fällen Nulltarife vorgesehen sind. Wo früher ein Paket einfach losgeschickt werden konnte, muss jetzt eine Zollerklärung oder Handelsrechnung beigefügt werden. Dazu gehören etwa eine Beschreibung und der Wert der zu versendenden Ware. Ob dabei letztlich Zölle oder Steuern anfallen, hängt von der Art und dem Wert der Ware ab. Grundsätzlich können kleinere Online-Bestellungen mit einem Warenwert von bis zu 22 Euro ohne Abgaben eingeführt werden. Wird dieser Wert allerdings überstiegen, kommen Einfuhrumsatzsteuer, Verbrauchsteuer und gegebenenfalls eine Zollgebühr hinzu.
Nach dem Handels- und Kooperationsabkommen werden Importe des jeweils anderen Wirtschaftsraums nicht mit Zöllen oder Quoten belegt, sofern diese festgelegte Ursprungsregeln erfüllen. Eine im Kooperationsabkommen vorgegebene Ursprungserklärung dient als Nachweis hierfür. Die Ursprungserklärung muss in deutscher sowie in englischer Sprache verfasst werden und ist unverändert zu übernehmen. Waren, die weder britischen noch EU-Ursprungs sind, werden mit Einfuhrzöllen nach den jeweiligen Zolltarifen belastet.
Nach dem Brexit ist beim E-Commerce insbesondere auf folgendes zu achten: den Lieferort, den Lagerort der Ware, den Warenwert sowie den Verkaufskanal – ob über die eigene Website oder einen Online-Marktplatz – sowie vor allem, ob der Kunde eine Privatperson oder ein Unternehmen ist. Denn: Bei Lieferungen an Privatpersonen im Wert von unter 135 Pfund fällt nun die britische Umsatzsteuer an und der Verkäufer muss im britischen Steuersystem angemeldet sein.
Fazit
Letztlich ist der Markt in Schottland genauso interessant wie der in England und Wales: Die Zielgruppe ist relativ groß, die Infrastruktur gut und es wird gerne online eingekauft. Auch die Einstiegshürden sind eigentlich nicht sehr groß: Wer über einen englischsprachigen Onlineshop mit den entsprechenden Bezahlmethoden verfügt, kann loslegen. Allerdings hat der Brexit den Handel mit schottischen Kundinnen und Kunden etwas erschwert – denn was früher als innergemeinschaftliche Lieferung abgewickelt wurde, wurde mit dem Austritt des Vereinigten Königreichs aus Binnenmarkt und Zollunion Ausfuhr in ein Drittland. Die Folgen: zusätzliche bürokratische Hürden, höherer organisatorischer Aufwand und längere Versandzeiten. Und so stellt sich zumindest für europäische Unternehmen vom Festland die Frage, ob sich der organisatorische und finanzielle Aufwand am Ende lohnt. Für kleine Händler vermutlich eher nicht. Bleibt abzuwarten, wie sich die politische Lage in Schottland entwickelt. Das letzte Referendum für eine Unabhängigkeit von England ging relativ knapp aus. Falls die Stimmung weiter kippt, wäre es denkbar, dass sich Schottland politisch von England trennt und dann auch wieder eine EU-Mitgliedschaft anstrebt.
Quellen
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Autor: Eurotext Redaktion
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