Virtuelle Influencer sind ein Phänomen, das nicht nur auf den ersten Blick widersprüchlich wirkt. Trotzdem nimmt ihre Anzahl und ihre Reichweite seit Jahren zu und ein Ende ist nicht in Sicht. Wir haben uns angesehen, was virtuelle Influencer sind und was sie für Follower und Unternehmen so interessant macht.

Was sind virtuelle Influencer?

Virtuelle Influencer sind künstlich erschaffene, computergenerierte Personen, die über eigene Social Media Kanäle verfügen und dort – wie normale Influencer auch – über ihr (virtuelles) Leben berichten und Werbung machen.

Begonnen hat dieser Trend bereits vor einigen Jahren: Eine der erfolgreichsten ist die 2016 erschaffene Lil Miquela mit aktuell 2,8 Millionen Followern auf Instagram. Seitdem nimmt ihre Anzahl kräftig zu und sie haben sich einen festen Platz in den sozialen Medien erobert.

Virtuelle Influencer lassen sich grob in 3 Gruppen unterteilen:

  • Influencer, die von einem Unternehmen erfunden wurden und quasi als deren “Maskottchen” fungieren und nur deren Werbebotschaften vermitteln.
  • Virtuelle Influencer, die wie die meisten menschlichen Influencer im Rahmen von Werbepartnerschaften mit verschiedenen Unternehmen zusammenarbeiten. Diese werden meist von Agenturen als Produkt für eine bestimmte Zielgruppe entwickelt und betreut.
  • Zuletzt solche, die eher Kunstprojekte sind und nicht (ausschließlich) zu Werbezwecken genutzt werden.

Woher kommen sie und welche Sprachen sprechen Sie?

Virtuelle Influencer sind vor allem in den USA ein Thema. Nicht nur die bereits genannte Lil Miquela stammt aus den USA, auch Barbie ist dort mit 2,5 Millionen Followern als Influencerin aktiv. Die wohl erfolgreichste kommt hingegen aus Brasilien: Lu ist das Markengesicht der Zeitschrift Luiza, spricht Portugiesisch und hat über 6 Millionen Follower auf Instagram. Auch im asiatischen Raum gibt es Vertreterinnen: Aus Indonesien stammt beispielsweise Thalasya Pov mit 465.000 Followern, die von ihren Erschaffern als “Metahuman” bezeichnet wird. In Deutschland gibt es bislang noch keine so erfolgreichen künstlichen Instagrammer: Yuna, die unter anderem als Reporterin für ProSieben “arbeitet”, hat gerade mal 2000 Follower.

Mit 400.000 Followern ist die deutsche Noonoouri deutlich erfolgreicher und auch die russische Anna Cattish hat knapp eine halbe Million Follower. Beiden ist aber gemein, dass sie keine computeranimierten Menschen sind, sondern gezeichnet bzw. stärker verfremdet. Hier ergibt sich ein Abgrenzungsproblem: Ab wann handelt es sich um einen “echten” virtuellen Influenzer? Oder ist es “nur” eine Kunstfigur wie so viele andere Comichelden, Zeichentrickfiguren, Gamescharaktere etc., die mitunter auch auf Social Media aktiv sind? Ein Unterscheidungskriterium ist sicher die Nutzung als Werbeträger für andere Unternehmen, aber selbst das trifft z.B. auf viele Comichelden zu.

Was ist das Besondere an virtuellen Influencern?

Um ihre Besonderheiten zu verstehen, muss man sich erst einmal klar machen, was überhaupt einen “normalen” Influencer ausmacht: Der Reiz klassischer Influencer ist zumeist ihre (angebliche) Authentizität: Sie lassen uns an ihrem Leben teilhaben, egal, ob es sich um alltägliche Banalitäten, außergewöhnliche Momente oder sogar ganz Intimes geht. Auf die Weise haben wir als Follower den Eindruck, ihnen ganz nahe zu sein. Wir fühlen mit ihnen mit, freuen uns über ihre Erfolge, trauern mit ihnen um ihre Verluste. Influencer werden dadurch zu Familienmitgliedern oder Freunden. Dazu kommt, dass viele Influencer erfolgreich sind (oder das Bild davon vermitteln) und wir somit zu ihnen aufschauen und sie als Idole verehren können.

Verstärkt wird das noch durch die direkte Kommunikation in den sozialen Medien: Die Follower konsumieren nicht nur den Content, sie reagieren auch mit Likes oder Kommentaren, interagieren mit “ihrem” Influencer und bauen so eine noch persönlichere Bindung auf.

Und gerade diese persönliche und sehr emotionale Bindung macht Influencer für die Werbewirtschaft so interessant: Wird ein Produkt in einem Werbespot oder auf einem Plakat beworben, ist das immer sofort als Werbung erkennbar. Influencerwerbung wird aber (im Idealfall) von den Followern nicht als Werbung wahrgenommen, sondern eher als freundschaftliche Empfehlung. Wer ein Produkt kauft, das von einem Influencer beworben oder sogar selbst vertrieben wird, kann ihn damit unterstützen und sich ihm noch näher fühlen. Die Werbebotschaft wird also viel subtiler und emotionaler vermittelt als es mit klassischer Werbung möglich wäre.

Insofern erstaunt der Erfolg virtueller Influencer auf den ersten Blick: Wie funktioniert eine emotionale Bindung an ein künstliches Wesen, das häufig nur zum Zweck der Werbung erschaffen wurde? Was ist der Reiz für die Follower, wenn sie wissen, dass nichts daran authentisch ist und alles nur “erstunken und erlogen” wurde?

Eine Antwort darauf zu finden ist nicht einfach. Ist es der Reiz des Neuen und Exotischen? Wer 100 “echten” Influencern folgt, für den ist ein künstlicher vielleicht eine originelle Abwechslung? Ist es die Neugier einer technikaffinen Jugend, die mit Avataren und CGI-Charakteren aufgewachsen ist? Ist es einer von den vielen Trends und Hypes, die das Internet permanent hervorbringt? Oder sind auch normale Influencer schon soweit von der behaupteten Authentizität entfernt, dass der Sprung zu einer komplett künstlichen Person gar nicht mehr auffällt? Ist der Content, den die virtuellen Influencer liefern, so perfekt auf ihre Ziegruppe optimiert, dass er auch ohne echten Menschen funkioniert? Wahrscheinlich ein bisschen von allem.

Was sind die Vorteile für werbende Unternehmen?

Es lässt sich aber klar sagen, was virtuelle Influencer so interessant für Unternehmen macht: Sie sind in jeder Hinsicht berechenbar. Sie sind perfekt auf eine Zielgruppe zugeschnitten, sie verändern sich nicht, haben keine Star-Allüren, sorgen nicht mit unüberlegten Statements für negative PR und ihnen steigt ihr virtueller Ruhm auch nicht zu Kopf. Das ist für Firmen wichtig, die großen Wert auf ihr Image und das ihrer Markenbotschafter legen. Aber auch für Firmen, die noch wenig Erfahrung im Influencermarketing haben und deshalb keine Risiken eingehen wollen.

Virtuelle Influenzer brauchen keinen Urlaub und machen keinen Feierabend. Man kann mit ihnen also nahezu unbegrenzt Content erstellen und auf beliebig vielen Kanälen ausspielen.

Dazu kommt, dass sie meist deutlich günstiger sind als menschliche Influencer mit vergleichbarer Reichweite. Die Preise für Werbepartnerschaften sind in den letzten Jahren deutlich gestiegen und viele Influencer schätzen ihren Wert zu hoch ein. Ihre virtuellen Konkurrenten können deshalb auch preislich interessant sein.

Wie sieht die Zukunft aus?

Momentan sind virtuelle Influencer sehr im Trend und bekommen deshalb viel Aufmerksamkeit. Sie profitieren auch von den verbesserten technischen Möglichkeiten, die es ermöglichen, ansprechende Bilder mit sehr wenig Aufwand zu erzeugen. Wir dürften also in nächster Zeit noch deutlich mehr virtuelle Influencer zu sehen bekommen.

Mittelfristig dürfte vor allem die Grenze zwischen echten und virtuellen Influencern interessant werden. Noch kann man sehr leicht erkennen, ob es sich um einen echten oder einen künstlich erzeugten Menschen handelt. Aber diese Grenze wird sich mehr und mehr auflösen. Was, wenn man irgendwann nicht mehr weiß, ob man es mit einem echten Menschen zu tun hat? Und auch klassische Influencer werden die technischen Möglichkeiten virtueller Influencer nutzen: Warum für ein Photoshooting um die Welt reisen, wenn sich die Bilder auch künstlich erzeugen lassen?

Insgesamt sieht es nicht so aus, als wäre es nur ein kurzzeitiger Hype. Virtuelle Influencer bieten vor allem der Werbewirtschaft und Unternehmen viele Vorteile, die auch langfristig überzeugen. Insofern ist jetzt schon absehbar, dass sie gekommen sind um zu bleiben – und sich wahrscheinlich nicht mit einer Nische zufrieden geben werden. Welche Märkte und Zielgruppen besonders geeignet sind und welche nicht, wir die Zeit zeigen.

Quellen

 


autor_eurotext_100Autor: Eurotext Redaktion

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