Statistiken zeigen: Rund 78 % aller Apps scheitern. Das klingt dramatisch und ist es auch. Die Gründe für dieses Scheitern sind vielfältig: von technischen Problemen über schlechtes Marketing bis hin zu fehlendem Marktbedarf.
Ein Aspekt wird dabei oft übersehen: sprachliche und kulturelle Anpassung. Gerade Apps, die für den internationalen Markt gedacht sind, geraten hier ins Stolpern. Dieser Beitrag beleuchtet die wichtigsten Gründe für das Scheitern von Apps und erklärt, warum Sprache und Kultur mehr als nur ein „Nice to Have“ sind.

Die Hauptgründe für das Scheitern von Apps

Die häufigsten Stolperfallen im Überblick:

Kein klarer Product-Market-Fit:
Die App löst kein relevantes Problem oder trifft nicht den Bedarf der Zielgruppe.

Geringe Sichtbarkeit & schlechtes Marketing:
Ohne Reichweite bleibt die beste App wirkungslos.

Technische Probleme & schwache Nutzererfahrung (UX):
Bugs, schlechte Bedienbarkeit oder langsame Ladezeiten führen dazu, dass Nutzer abspringen.

Unklare Monetarisierungsstrategie
Apps ohne tragfähiges Geschäftsmodell kämpfen langfristig ums Überleben.

Mangelnde sprachliche & kulturelle Anpassung:
Häufig unterschätzt, aber entscheidend, sobald Märkte außerhalb des Ursprungslands bedient werden.

Sprachliche & kulturelle Anpassung – worum geht’s wirklich?

Viele denken bei Internationalisierung von Apps zunächst an Übersetzung. Doch erfolgreiche Lokalisierung bedeutet weit mehr: Sie stellt sicher, dass Inhalte im kulturellen Kontext des Zielmarkts verständlich, angemessen und wirksam sind.

Sprache

Ein besonders anschauliches Beispiel liefert die portugiesische Sprache:
Obwohl Brasilien und Portugal die gleiche Sprache sprechen, unterscheiden sich wichtige Begriffe erheblich. Das Wort rapariga etwa bedeutet in Portugal ganz neutral Mädchen. In Brasilien hingegen hat dasselbe Wort eine stark abwertende Bedeutung und wird umgangssprachlich für Prostituierte verwendet. Eine wortwörtliche Übersetzung könnte hier also zu gravierenden Missverständnissen oder sogar Image-Schäden führen.

Auch im englischsprachigen Raum gibt es solche Fallen:
Das Wort pants bezeichnet in den USA ganz allgemein Hosen, während es in Großbritannien Unterwäsche bedeutet. Bei einer Shopping-App kann so ein Detail leicht zu Verwirrung führen.

Symbole

Nicht nur Sprache, sondern auch Symbole bergen Risiken. Ein oft zitiertes Beispiel ist das Daumen-hoch-Symbol. Während es in den meisten westlichen Ländern (z.B. Deutschland, USA, Großbritannien) Zustimmung bedeutet, kann es in Ländern wie Iran, Irak, Afghanistan sowie in Teilen Westafrikas eine ganz andere Bedeutung haben: Dort gilt der erhobene Daumen als beleidigend oder obszön, vergleichbar mit einer unanständigen Geste wie dem ausgestreckten Mittelfinger in westlichen Kulturen. Diese kulturellen Unterschiede können gerade bei global ausgerollten Apps zu unerwarteten Problemen führen.

Einheiten und Formate

Auch funktionale Details sind wichtig: etwa Maßeinheiten, Datums- und Zeitformate oder rechtliche Hinweise, die sich von Land zu Land unterscheiden.

SEO/Keyword-Research

Ein wichtiger Aspekt ist die Anpassung der Suchbegriffe. Diese unterscheiden sich je nach Land oft stark. Während Nutzer in den USA etwa nach period tracker suchen, verwenden Menschen in Deutschland eher Begriffe wie Zyklus-App oder Menstruationskalender, um eine ähnliche App zu finden.

Farben

Und nicht zuletzt ist auch die Farbwahl ausschlaggebend für den Erfolg: Rot steht in vielen westlichen Ländern für Warnung oder Gefahr, in China hingegen für Glück und Wohlstand. Oder die Farbe Weiß: In Europa wird damit vorwiegend Reinheit und Unschuld assoziiert, während es in Ländern wie Japan traditionell mit Tod und Trauer verbunden ist.

Diese Beispiele zeigen: Lokalisierung ist ein komplexer Prozess, der weit über die Übersetzung von Texten hinausgeht.

Die Rolle von KI-Übersetzungen

Moderne KI-Übersetzungen liefern beeindruckende Ergebnisse, besonders für Sprachen, bei denen viele hochwertige Trainingsdaten vorliegen. In einigen Sprachen ist das bereits der Fall, in anderen hingegen nicht. Sie sind zwar schnell, effizient und liefern grammatikalisch „größtenteils“ saubere Ergebnisse. Aber: Sie bleiben auf der sprachlichen Ebene.

Was KI nicht leisten kann:

  • Einschätzen, ob ein Text kulturell passend ist.
  • Erkennen, ob eine Aussage in einem Land missverstanden oder sogar als unhöflich empfunden wird.
  • Die Gesamtwirkung der App in ihrem kulturellen Umfeld bewerten.

Deshalb gilt: KI ist ein nützliches Werkzeug, aber keine vollständige Lösung für eine erfolgreiche Lokalisierung.

Frühzeitig planen: Worauf bei der Entwicklung geachtet werden sollte

Damit Lokalisierung später nicht zu einem kostspieligen Nachrüstprojekt wird, sollten Entwicklerinnen und Entwickler diese Aspekte von Anfang an berücksichtigen:

Flexibles App-Design:
Texte in anderen Sprachen sind oft länger – das Layout sollte dafür Raum bieten.

Trennung von Code & Inhalt:
Damit Übersetzungen ohne Eingriffe ins Coding durchgeführt werden können.

Dokumentation & Glossare:
Klare Begriffe erleichtern die spätere Lokalisierung.

Frühe Tests mit Nutzern und Nutzerinnen aus Zielmärkten:
Um kulturelle Stolperfallen rechtzeitig zu identifizieren.

👉 Wer frühzeitig plant, spart langfristig Zeit, Kosten und Nerven.

Praktische Umsetzung: Wie Inhalte für die Lokalisierung übermittelt werden

Ein praktischer Aspekt, der oft zu Beginn unklar ist: Wie werden die App-Inhalte für die Übersetzung bereitgestellt?

Üblich ist die Bereitstellung von:

  • Strings-Dateien in Formaten wie .xml, .json, .po oder .xliff.
  • Screenshots oder Bildschirmaufzeichnungen, damit Übersetzer und Übersetzerinnen den Zusammenhang der Texte erkennen können.
  • Glossare oder Styleguides, die unternehmensspezifische Begriffe und Schreibweisen festlegen.

Regelmäßig aktualisierte Apps profitieren von automatisierten Prozessen, die neue Inhalte über Schnittstellen (APIs) direkt in den Lokalisierungsprozess einbinden. So bleibt die App konsistent und aktuell, ohne dass jedes Mal manuell nachgearbeitet werden muss.

Eine gut vorbereitete technische Grundlage erleichtert die Lokalisierung erheblich und verringert die Fehleranfälligkeit.

Ist Mehrsprachigkeit immer sinnvoll?

Nicht jede App muss automatisch mehrsprachig sein. Eine App, die nur ein lokales Problem löst (z.B. Abfallkalender für eine deutsche Stadt), profitiert kaum von einer Übersetzung.

Anders sieht es aus, wenn die App grundsätzlich für verschiedene Märkte geeignet ist – etwa im Bereich Fashion, Gesundheit, Finanzen oder Bildung. Hier ist Mehrsprachigkeit nicht nur sinnvoll, sondern oft entscheidend für den Erfolg. Der Verzicht darauf kann den Zugang zu großen Zielgruppen verhindern.

Freelancer oder Agentur? Ein kurzer Überblick

Wer Apps internationalisieren möchte, steht oft vor der Frage: Freelancer oder Agentur? Beide haben ihre Vor- und Nachteile:

Freelancer:

✅ Oft kostengünstig für kleine, einfache Projekte.

❌ Begrenzte Kapazität & Risiko bei Ausfall.

✅ Persönlicher Kontakt möglich.

❌ Nicht immer integrierte QA-Prozesse

❌ Selten separates Projektmanagement.

Agenturen:

✅ Koordination mehrerer Sprachen & größerer Volumina aus einer Hand.

✅ Erfahrung mit verschiedenen Tools & technischen Anforderungen, (z.B. API-Anbindungen, Translation-Memory-Systeme).

❌ In Einzelfällen höhere Kosten als Freelancer.

Professionelles Projektmanagement & standardisierte QA-Prozesse.

Gerade wenn die App regelmäßig Updates erhält, verschiedene Märkte bedient oder komplexe Inhalte (z.B. Gesundheitsthemen) enthält, ist die Zusammenarbeit mit einer Agentur langfristig meist stabiler und verlässlicher. Wenn der Übersetzungsdienstleister zusätzlich eine gute Kundenintegration bietet, steht dem Projekterfolg nichts mehr im Weg.

Fazit

Der App-Markt ist hart umkämpft. Neben einer guten Idee und sauberer Technik entscheidet vor allem, ob die App wirklich für die Menschen gemacht ist, die sie nutzen sollen. Das umfasst nicht nur Funktionen, sondern auch Sprache, Kultur, Usability und Vertrauen.
Lokalisierung darf daher nicht als nachträgliches Anhängsel gesehen werden, sondern sollte von Anfang an Teil der Strategie sein. Eine sorgfältige kulturelle Anpassung erhöht nicht nur die Nutzerzufriedenheit, sondern auch die langfristigen Erfolgschancen.

 



Quelle

 


autor_eurotext_100Autor: Eurotext Redaktion

Wir erklären, wie Internationalisierung funktioniert, geben Tipps zu Übersetzungsprojekten und erläutern Technologien und Prozesse. Außerdem berichten wir über aktuelle E-Commerce-Entwicklungen und befassen uns mit Themen rund um Sprache.

 

Bitte beachten Sie: Auch wenn wir in unseren Beiträgen gelegentlich Rechtsthemen ansprechen, stellen diese keine Rechtsberatung dar und können eine solche auch nicht ersetzen. Wenn Sie konkrete Fragen haben, lassen Sie sich bitte von einem Anwalt beraten.