Südafrikas E-Commerce steht vor einem explosiven Wachstum. Die Daten der First National Bank, eines der führenden Kreditinstitute in Südafrika, zeigen einen Anstieg um 30% der durchschnittlichen E-Commerce-Ausgaben in der ersten Hälfte des Jahres 2020 im Vergleich zum Vorjahr. Die Rand Merchant Bank erwartet, dass der Wert des Onlinehandels innerhalb der nächsten fünf Jahre um 150% auf 225 Milliarden Rand ansteigen wird.

Das rasche Wachstum des südafrikanischen E-Commerce im Jahr 2020 wurde durch die weltweite Coronavirus-Pandemie beflügelt. Während der stationäre Einzelhandel durch strenge Restriktionen unter Druck geraten ist, boomt der Onlinehandel. Ob aus Angst vor überfüllten, geschlossenen Räumen oder weil sie auf die digitale Bequemlichkeit nicht mehr verzichten können, kaufen heute mehr südafrikanische Konsumentinnen und Konsumenten online ein als je zuvor. Deshalb zeigen wir in diesem Teil unserer Reihe “E-Commerce in …“, welche Merkmale, Stärken und Chancen den E-Commerce-Markt in Südafrika kennzeichnen.

Zahlen & Fakten

Mit einem nominalen Bruttoinlandsprodukt von über 350 Milliarden US-Dollar ist Südafrika der am weitesten entwickelte Wirtschaftsraum und – nach Nigeria – das zweitreichste Land des afrikanischen Kontinents. Die föderale Republik im südlichen Afrika gehört als einziges afrikanisches Land zu den G20-Wirtschaftsmächten und wird zu den fünf BRICS-Staaten gezählt. Außerdem ist Südafrika Gründungsmitglied der Vereinten Nationen.

Südafrika hat drei Hauptstädte: Pretoria (Exekutive), Kapstadt (Legislative) und Bloemfontein (Judikative). Johannesburg, in der bevölkerungsreichen Provinz Gauteng, ist die größte Stadt des Landes und das pulsierende Herz der südafrikanischen Wirtschaft. Hier leben rund 7,8 Millionen Menschen. Kapstadt kommt mit 3,4 Millionen Einwohner auf Platz 2, gefolgt von Durban (2,7 Millionen), einer Hafenstadt am Indischen Ozean und wichtigem Industriezentrum. Die kleineren Städte East London und Port Elizabeth liegen beide an der Südküste des Landes und sind ebenfalls wichtige Handels-, Industrie- und Kulturzentren. Das Land beheimatet 59,6 Millionen Menschen unterschiedlicher Ethnie, Kultur und Muttersprache und erstreckt sich über eine Fläche von ungefähr 1,2 Millionen km2 – fast doppelt so groß wie Deutschland, Österreich und Italien zusammengezählt.

Das wichtigste Merkmal Südafrikas ist seine Diversität. 11 Sprachen (Afrikaans, Englisch, Ndebele, Pedi, Sotho, Swati, Tsonga, Tswana, Venda, Xhosa und Zulu) haben gemäß der Verfassung von 1996 offiziellen Status und werden in den verschiedenen Regionen gesprochen. In einigen ländlichen Gebieten sprechen die meisten Bewohner weder Afrikaans noch Englisch. Wer diese beiden Sprachen beherrscht, ist aber in klarem Vorteil, denn Afrikaans und Englisch ermöglichen die Kommunikation in den meisten Teilen des Landes. Englisch scheint in zunehmendem Maße in offiziellen, bildungsbezogenen und formellen Geschäftsbereichen gegenüber Afrikaans als traditionelle Sprache der Regierung zu überwiegen. Aufgrund der sprachlichen und kulturellen Vielfalt kommt der Lokalisierung im südafrikanischen E-Commerce eine große Bedeutung zu.

Die südafrikanische Währung ist der Rand (ZAR). Ein Rand unterteilt sich in 100 Cent und entspricht 0,057 Euro.

In den Sommermonaten wird die Uhr in Südafrika, anders als in Deutschland, nicht um eine Stunde nach vorne gestellt. Eine Sommerzeit gibt es in Südafrika nicht, deshalb herrscht während der mitteleuropäischen Sommerzeit Zeitgleichheit. Dadurch kommen Reisende aus Europa ohne Jetlag nach Südafrika an.

Trends & Einblicke

Die Bevölkerung Südafrikas wird zunehmend „digital versierter“ und macht die digitale Technologie zum Teil ihres Lebens. Mehr als die Hälfte der fast 60 Millionen Südafrikanerinnen und Südafrikaner haben Zugang zum Internet, mehr als zwei Drittel von ihnen gehen täglich online. Damit liegt die Penetrationsrate weit über dem Niveau von Indien und fast so hoch wie die Chinas. Südafrika ist eine „mobile first“-Wirtschaft: Fast alle aktiven Internetnutzerinnen und -nutzer gehen täglich online und greifen über ihr Mobiltelefon auf das Web und soziale Medien zu. Begünstigt durch den einfachen Zugang zum Internet und zu mobilen Diensten, nutzen südafrikanische Kundinnen und Kunden zunehmend Smartphones und Online-Plattformen, um Kontakte zu knüpfen, einzukaufen und ihr Geld zu verwalten.

Google ist die beliebteste Web-Suchmaschine im Land mit einem Marktanteil von 93,6%, gefolgt von Bing und Yahoo mit 4,7% bzw. 1,4%. 41% der Onlinetransaktionen in Südafrika werden mit der Kreditkarte abgeschlossen. Überwiesen wird deutlich seltener (20%). Es folgen E-Wallet (17%), Bargeld (11%) und sonstige Zahlungsmittel (11%).

Die Anzahl derer, die digitale Technologien in allen Bereichen ihres Lebens einsetzen, ist von 2015 bis 2018 von 10% auf 12% der südafrikanischen Bevölkerung gestiegen. 58% sind „experimentierfreudige“ Nutzerinnen und Nutzer. Sie sind bereit, digitale Technologien umfassender in ihr Leben einzubinden und sind offen für weitere digitale Erfahrungen. 2015 waren es noch 43%. Zusammengenommen ist der Anteil der digital versierten und digital experimentierfreudigen Südafrikanerinnen und Südafrikaner von 53% der Bevölkerung im Jahr 2015 auf 70% im Jahr 2018 gestiegen.

Dieser Trend wird sich voraussichtlich in den kommenden Jahren fortsetzen. Bis 2022 werden in Südafrika 25,5 Millionen Menschen ein Smartphone besitzen und 19 Millionen Facebook nutzen. Auch Onlinebanking-Apps erfreuen sich eines immer größeren Publikums. Die First National Bank, eine der fünf größten Banken Südafrikas, meldete im Jahr 2018 ein jährliches Wachstum der mobilen Banking-Apps von 65%. Capitec, ebenfalls eines der führenden Kreditinstitute im Land, verzeichnete im gleichen Jahr innerhalb von sechs Monaten einen Anstieg der Nutzung seiner Banking-App um 62%.

Laut einer Umfrage unter fast 6.000 Südafrikanerinnen und Südafrikanern sind 62% derjenigen, die online einkaufen, zwischen 25 bis 44 Jahre alt. 61% der Befragten gaben an, dass sie aufgrund der Bequemlichkeit online einkaufen, während 15% der Meinung sind, dass das Internet eine größere Auswahl an Artikeln bietet. Weitere 15% halten das Shoppen im Internet generell für günstiger.

Stärken & Chancen

Doch trotzdem hinkt der südafrikanische E-Commerce immer noch hinter dem globalen Markt hinterher. Laut Euromonitor machen die Online-Ausgaben in Südafrika nur 2% aller Einzelhandelstransaktionen aus, verglichen mit dem weltweiten Durchschnitt von 16%. Der südafrikanische E-Commerce bleibt daher weitgehend unerschlossen. Um das volle Potential des südafrikanischen E-Commerce erschließen zu können, soll vor allem in den ärmeren Gebieten des Landes investiert werden, wo nur die wenigsten Menschen Zugang zum Internet haben. So könnten bis 2024 laut den Markt- und Verbraucherdaten von Statista weitere 31,6 Millionen südafrikanische Konsumentinnen und Konsumenten zum Online-Shopping bekehrt werden.

Die Datenkosten sowie die Internetverfügbarkeit im Allgemeinen sind eines der größten Hindernisse für das Wachstum des E-Commerce in Südafrika. Damit die Branche florieren kann, müssten zunächst ein entsprechendes Fundament vorhanden sein. Zudem soll es am Ausbau einer Lieferinfrastruktur weitergearbeitet werden, um Waren in die Townships zu liefern, wo die Mehrheit der schwarzen Bürgerinnen und Bürger im Erwachsenalter lebt. Beides ist aktuell nicht der Fall.

Wo hingegen das Internet und eine effiziente Lieferinfrastruktur längst präsent sind, müssen Einzelhändler verstehen, dass sie mit mehr als den traditionellen Kriterien wie Komfort, Qualität und Preis punkten müssen. 56% der Internetnutzerinnen und -nutzer nämlich geben an, dass ihre Entscheidungen beim Onlinekauf durch soziale Medien beeinflusst werden. Digital versierte Konsumentinnen und Konsumenten sind sehr auf die Qualität ihrer Online-Erfahrungen fokussiert. Sie erwarten eine 24/7-Verfügbarkeit, sofortige Antworten und eine einfache Bedienung. Unternehmen, die dies nicht anbieten, riskieren, Kunden zu verlieren.

Der E-Commerce wächst in Südafrika stetig. Im Jahr 2017 wurde der Umsatz aus aller Onlinetransaktionen auf 2,69 Milliarden US-Dollar geschätzt. Bis zum Jahr 2021 soll der E-Commerce auf 4,7 Milliarden US-Dollar anwachsen. Zu den wichtigsten Akteuren auf dem südafrikanischen E-Commerce-Markt gehören unter anderen Südafrikas größter Online-Mode-Shop Zando, die Plattform Takealot und der Marktplatz Bid or Buy. Elektronik und Medien sind derzeit mit insgesamt 964,2 Millionen US-Dollar die führende Produktkategorie, gefolgt von Möbeln und Haushaltsgeräten, die zusammengenommen einen Umsatz von 553,7 Millionen US-Dollar generieren. Auch herunterladbare digitale Unterhaltungs- und Bildungsartikel sowie Veranstaltungstickets gehören zu den Produkten, die am meisten online verkauft werden.

Grenzüberschreitende Onlinekäufe sind nicht unüblich: Laut einer Studie von Ipsos kaufen schätzungsweise 1,4 Millionen Südafrikanerinnen und Südafrikaner auf ausländischen Websites ein. Der kostenlose Versand sowie die Verfügbarkeit der eigenen Landeswährung und sicherer Zahlungsmöglichkeiten zusammen mit einem breiteren Angebot an Produkten, die im Land nicht erhältlich sind, sind die Hauptgründe, die südafrikanische Konsumentinnen und Konsumenten dazu ermutigen, auf ausländischen – vor allem chinesischen, US-amerikanischen und britischen – Websites zu kaufen.

Importverfahren & grenzüberschreitender Handel

Südafrika hat ein komplexes Importverfahren. Die südafrikanische Steuerbehörde (South African Revenue Service, SARS) verfügt über etwa 90.000 Produktcodes, die für alle Importe strikt gelten. Ausländischen Exporteuren wird dringend empfohlen, einen lokalen Agenten für die Zollabfertigung zu suchen, der sich mit der südafrikanischen Gesetzgebung gut auskennt.

Die südafrikanische Steuerbehörde verlangt von Importeuren, dass sie sich registrieren und einen SARS-Importeur-Code erhalten. SARS verwendet ein Single Administrative Document (SAD), um die Zollabfertigung für Importeure, Exporteure und grenzüberschreitende Händler zu erleichtern. Das SAD ist ein Mehrzweck-Warenerklärungsformular, das Importe, Exporte, grenzüberschreitende und Transitbewegungen abdeckt.

Nach der Registrierung als Importeur beim South African Revenue Service kann man eine Importgenehmigung bei der International Trade Administration Commission (ITAC) beantragen, die sicherstellt, dass die importierten Waren den Sicherheits-, Qualitäts-, Umwelt- und Gesundheitsanforderungen des Landes entsprechen. Außerdem müssen die Bestimmungen internationaler Abkommen eingehalten werden.

Fazit

Insgesamt stellt der südafrikanische E-Commerce-Markt definitiv eine große Chance dar, sowohl für inländische als auch für ausländische Unternehmen. Die lokale Bevölkerung in den Städten wird zunehmend internet- und technologiefreudiger und kauft oft und gerne online, am liebsten am Handy. In den ärmeren Gebieten des Landes hingegen haben immer noch viel zu wenig Menschen Zugang zum Internet. Außerdem mangelt es dort an einer Infrastruktur, die den Onlinehandel ermöglicht. Die große sprachliche, ethnische und wirtschaftliche Diversität, die die südafrikanische Gesellschaft prägt, muss aus der Sicht des europäischen Exporteuren neben dem komplexen Importverfahren ebenfalls berücksichtigt werden. Visionäre, die erkennen können, welches unerschlossene Potential im südafrikanischen E-Commerce-Markt steckt, und ihre Produkte über bequeme, zahlungssichere und ansprechende Plattformen anbieten, die das Zielpublikum in ihrer Sprache ansprechen und das Vertrauen der Kundinnen und Kunden gewinnen, können in Südafrika expandieren.



Quellen

 


autor_eurotext_100Autor: Eurotext Redaktion

Wir erklären, wie Internationalisierung funktioniert, geben Tipps zu Übersetzungsprojekten und erläutern Technologien und Prozesse. Außerdem berichten wir über aktuelle E-Commerce-Entwicklungen und befassen uns mit Themen rund um Sprache.

 

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