Im heutigen globalen Umfeld des E-Commerce ist die Frage nach der angemessenen Sprache von großer Bedeutung. Während in einigen Ländern wie Deutschland und Frankreich heftige Debatten rund um das Gendern geführt werden, verläuft die Diskussion in den Niederlanden und Belgien vergleichsweise ruhiger. In diesem Artikel werfen wir einen Blick auf die verschiedenen Ansätze der geschlechtergerechten Sprache im Niederländischen und ihre Vor- und Nachteile, insbesondere im Bereich des E-Commerce und der Übersetzung. Von der expliziten Nennung der Geschlechter bis hin zu geschlechtsneutralen Formulierungen gibt es verschiedene Möglichkeiten, die Sprache inklusiver zu gestalten und die Vielfalt unserer Gesellschaft widerzuspiegeln.

Debatte im niederländischen Sprachraum

Themen wie Diversität, Inklusivität und soziale Gerechtigkeit sind auch in den Niederlanden und Belgien von Bedeutung und werden diskutiert. Allerdings liegt der Fokus dieser Diskussionen weniger auf der Sprache im Vergleich zu anderen Ländern. Die ruhigere Debatte über den inclusief taalgebruik in den niederländischsprachigen Regionen im Vergleich zum Deutschen, Italienischen, Französischen oder Spanischen hat vor allem sprachstrukturelle und historische Gründe. Diese liegen darin begründet, dass die geschlechtsspezifischen Unterschiede im Niederländischen weniger ausgeprägt sind als im Deutschen.

Die Kritik am aktuellen Sprachgebrauch des Niederländischen geht auf die Frauenbewegung der 1970er Jahre zurück und bezieht sich bis heute vor allem auf das generische Maskulinum und das Fehlen weiblicher Berufsbezeichnungen. Mit der zunehmenden Sichtbarkeit von LGBTQ+-Themen rücken auch neuere Aspekte wie die nicht-binäre Geschlechtsidentität in den Fokus. Inzwischen gibt es mehrere Leitfäden zum inklusiven Sprachgebrauch, und auch der Rat für niederländische Sprache und Literatur hat sich 2021 positiv dazu geäußert. Dennoch scheint die Kritik am generischen Maskulinum im Niederländischen noch nicht die breite Öffentlichkeit erreicht zu haben und wird bisher vor allem in akademischen Kreisen diskutiert.

Das generische Maskulinum in der niederländischen Sprache

Im Niederländischen gibt es wie im Deutschen drei grammatikalische Geschlechter: das Maskulinum, das Femininum und das Neutrum. Interessant ist jedoch, dass das Maskulinum und das Femininum im Laufe der Zeit zum so genannten „Utrum“ verschmolzen sind, das im Singular den gleichen Artikel „de“ hat, z.B. „de man“ (der Mann) und „de vrouw“ (die Frau). Diese sprachliche Besonderheit kann dazu beitragen, dass bestimmte Personenbezeichnungen als geschlechtsneutral verstanden werden, da zumindest beim Artikel kein direkter Unterschied zwischen männlich und weiblich erkennbar ist. So gibt es bei bestimmten Artikeln nur den Unterschied zwischen Neutrum, z.B. „het weer“ (das Wetter) und Nicht-Neutrum, oder Utrum, z.B. „de tafel“ (der Tisch), „de lamp“ (die Lampe). Wie im Deutschen kann das grammatikalische Geschlecht bei Personenbezeichnungen vom tatsächlichen biologischen Geschlecht abweichen, z.B. „het meisje“ (das Mädchen). Bei anderen Begriffen wie „de collega“ (Kollege) oder „de klant“ (Kunde) gibt es im Niederländischen sogar nur eine Form, die sowohl für männliche Kollegen/Kunden als auch für weibliche Kolleginnen/Kundinnen verwendet wird.

Diese universellen Bezeichnungen sind jedoch die Ausnahme, und tatsächlich werden Berufs-, Funktions- und Rollenbezeichnungen, die sich auf eine gemischte Gruppe oder ein allgemeines Publikum beziehen, gemäß den sprachlichen Konventionen mit der grammatikalisch männlichen Form bezeichnet und als alle Geschlechter umfassend gemeint – so genanntes generisches Maskulinum. So ist es z.B. üblich zu sagen: „Mijn vrouw is notaris en burgemeester“ (Meine Frau ist Notar und Bürgermeister).  Für einige Berufsbezeichnungen, insbesondere solche, die traditionell von Männern ausgeübt werden, gibt es noch keine weibliche Alternative oder ihre Verwendung ist nicht üblich.

Die Argumente für das generische Maskulinum sind in erster Linie konventioneller Art und basieren auf grammatikalischen Regeln. Es wird argumentiert, dass die Sprache dadurch einfacher und ökonomischer wird und dass alle Menschen die grammatikalisch maskuline Form tatsächlich als inklusiv interpretieren. Die Gegenseite beruft sich auf linguistische Studien, die gezeigt haben, dass die männliche Form oft weniger generisch interpretiert wird als behauptet. Letztlich würden stereotype Rollenbilder verfestigt, Frauen durch Sprache strukturell unsichtbar gemacht und als „nur mitgemeint“ verstanden. Sie argumentieren, dass ein gesellschaftlicher Wandel auch einen sprachlichen Wandel erfordert bzw. dass sprachliche Veränderungen das Bewusstsein für das gesellschaftliche Anliegen schärfen sollten. Denn Sprache beeinflusst auch die Einstellungen, das Verhalten und die Wahrnehmung der Menschen.

Will man im Niederländischen das generische Maskulinum vermeiden, um die Geschlechtergerechtigkeit im Sprachgebrauch zu fördern, gibt es zwei Möglichkeiten: Entweder man verwendet Formulierungen, in denen das Geschlecht aller Personen explizit genannt wird, oder man verwendet geschlechtsneutrale Formulierungen, die das Geschlecht aller Personen verbergen und somit zu einem inklusiveren Sprachgebrauch führen, da alle Personen unabhängig von ihrem Geschlecht angesprochen werden. Im Folgenden werden die derzeit verfügbaren geschlechtergerechten Formen sowie ihre Vor- und Nachteile, insbesondere im Hinblick auf Übersetzungen und E-Commerce, diskutiert.

Geschlecht berücksichtigende Formulierungen: Vor- und Nachteile

Die einfachste Möglichkeit, Frauen im Sprachgebrauch sichtbar zu machen, besteht darin, sie explizit zu nennen, so dass die männliche und die weibliche Form nebeneinander stehen, auch Beidnennung genannt, wie in: „de lezer en de lezeressen“ (der Leser und die Leserin). Diese Alternative kann jedoch zu einem Hindernis werden, wenn die Länge des Textes begrenzt ist. Diese Formen können in runden Klammern oder nach einem Schrägstrich abgekürzt werden: „lezer(essen)“ und lezers/-essen oder „lezers/lezeressen“. Diese Abkürzungen werden jedoch nicht empfohlen, da die Klammervariante fälschlicherweise suggeriert, dass es sich um eine (männliche) Singularform mit einer (weiblichen) Pluralform handelt. Außerdem ist die Schrägstrichvariante grammatikalisch nicht korrekt, die Lesbarkeit des Textes verschlechtert sich und es entsteht der Eindruck, dass die weibliche Ableitungsform der männlichen untergeordnet ist.

Auch die Bildung weiblicher Personenbezeichnungen, die im Deutschen praktisch immer durch Anhängen der Silbe „-in“ an die männliche Personenbezeichnung gebildet werden kann, ist im Niederländischen wesentlich komplexer und nicht so regelmäßig. Die weibliche Form kann durch Anhängen von „-in“, „-es“, „-ster“, „-e“ sowie „-euse“ gebildet werden, was bei einigen Bezeichnungen zur Unlesbarkeit führen kann, wie z.B. bei „lera(a)r(essen)“ (Lehrer(innen)). Zudem gibt es viele Bezeichnungen, für die es noch keine weibliche Form gibt, und es ist unklar, mit welcher Variante eine weibliche Form am besten gebildet werden kann.

Insbesondere bei Berufsbezeichnungen hat sich bisher nur die grammatikalisch männliche Variante bewährt, die dann sowohl für Männer als auch für Frauen verwendet wird. Beispiele hierfür sind „ambtenaar“ (Beamter), „auteur“ (Autor) oder „minister“ (Minister). Es gibt auch einige wenige Berufsbezeichnungen, die nur in der weiblichen Form existieren, meist weil der Beruf früher ausschließlich von Frauen ausgeübt wurde, z.B. „caissière“ (Kassiererin), „naaister“ (Näherin), „poetsvrouw“ (Putzfrau) und „vroedvrouw“ (Hebamme). Heutzutage ist die Berufswahl unabhängig vom Geschlecht möglich, was gerade bei den generischen weiblichen Bezeichnungen zu neuen, geschlechtsneutralen Begriffen geführt hat, wie z.B. “verloskundige” als universelles Synonym für “vroedvrouw” (Hebamme). Umgekehrt scheint es mehr Widerstand zu geben, wenn es darum geht, für traditionell männliche Berufsbezeichnungen eine weibliche oder geschlechtsneutrale Alternative zu formulieren.

Einige Personen sehen es als positiv an, dass es für bestimmte Personenbezeichnungen nur eine Form gibt und argumentieren gegen die Schaffung einer weiteren, da dies nur unterstreichen würde, dass man sich in einem binären Geschlechtersystem bewege, also davon ausgehe, dass es nur Mann und Frau gebe. Wenn es nur einen Begriff gäbe, der für alle gelte, könnten sich alle, auch nicht-binäre Menschen, damit identifizieren und repräsentiert fühlen, so die Argumentation. Diese Ansichten haben dazu geführt, dass große Tageszeitungen in den Niederlanden 2016 beschlossen haben, keine weiblichen Berufs- und Funktionsbezeichnungen mehr zu verwenden. Es ist jedoch unklar, ob die Beibehaltung der männlichen Form tatsächlich dazu führen würde, dass der Begriff als neutral angesehen wird. Schließlich bleibt der psychologische Effekt bestehen, dass eine grammatikalisch männliche Personenbezeichnung eher an einen Mann als an eine Frau oder eine nicht-binäre Person denken lässt.

In anderen Sprachen, wie im Deutschen mit dem Sternchen (*) oder dem Unterstrich (_), gibt es Ansätze, die Nicht-Binarität einer Personenbezeichnung mit Gender-Zeichen zu kennzeichnen. Im Niederländischen haben solche Diskussionen jedoch nicht stattgefunden. Hinsichtlich der Personal- und Posessivpronomen einer nicht-binären Person gibt es ebenfalls keine allgemeingültige Übereinkunft, wie z.B. im Englischen mit “they/them”. Derzeit scheinen „die“ und der Singular „hen“ am vielversprechendsten zu sein, möglicherweise erweitert um „diegene“ mit dem Possessivpronomen „diens“ und dem Singular „hun“. In bestimmten Kontexten kann es wichtig sein, alle Geschlechter explizit anzusprechen und sichtbar zu machen. Beispiele sind Stellenausschreibungen oder Kontexte, in denen betont werden soll, dass alle Geschlechter willkommen sind.

Geschlechtsneutrale Formulierungen: Vor- und Nachteile

Möchte man geschlechtergerecht formulieren, ohne den Text zu verlängern, Zeichen zu verwenden oder weibliche Berufsbezeichnungen erfinden zu müssen, empfiehlt sich eine geschlechtsneutrale Formulierung. Diese hat den Vorteil, dass sich sowohl Frauen als auch Männer und nicht-binäre Menschen angesprochen fühlen können, da kein Geschlecht dominiert. Bei Berufsbezeichnungen können geschlechtsneutrale Bezeichnungen verwendet werden, die im Gegensatz zu grammatikalisch männlichen oder weiblichen Bezeichnungen in ihrer Form nicht auf ein bestimmtes Geschlecht hinweisen: Sie enthalten keine angehängten Silben (z.B. „-ster“ oder „-er“) oder Wortarten (z.B. „-man“ oder „-vrouw“), die einem bestimmten Geschlecht zugeordnet werden könnten.

Bei Berufsbezeichnungen, die auf die Endung „-man“ oder „-vrouw“ zurückgehen, besteht die Möglichkeit, das geschlechtsneutrale Singularsuffix “-persoon” zu verwenden. So wird beispielsweise aus “ombudsman“ (Bürgerbeauftragter) der neutrale Begriff “ombudspersoon”. Anstelle von „secretaresse“ (generisch weiblich, verwendet für Frau und Mann) kann man den neutralen Ausdruck „administratief bediende“ (Verwaltungsangestellt) verwenden. Eine weitere Option besteht darin, wenn möglich zur Pluralform überzugehen und die männlichen Formen neutralisiert zu verwenden. Zum Beispiel wird aus „brandweerman“ (Feuerwehrmann) die Pluralform „brandweerlieden“ (wörtlich übersetzt: Feuerwehrleute), oder in Sätzen wie „Leerlingen moeten op tijd aanwezig zijn“ oder „Beste Amsterdammers“.

Es gibt auch Überlegungen, ähnlich wie im Deutschen, die Partizip Form zu bilden. Anstelle von „voorzitster/voorzitter“ (Vorgesetzte/Vorgesetzter) könnte man die neue Form „voorzittende“ (Vorsitzende) verwenden. Das Gleiche gilt für Rollenbezeichnungen, etwa statt „studente/ student“ die neutrale Form „studerende“ (Studierende) und statt „reizigster/reiziger“ das neue Wort „reizende“ (Reisende) Die Verwendung dieser Formen ist bisher noch nicht so etabliert wie im Deutschen und mag anfänglich ungewöhnlich erscheinen, ähnlich wie es anfangs im Deutschen der Fall war. Bei vermehrter Verwendung könnten sie jedoch irgendwann gebräuchlich werden. Während diese Partizip Formen im Deutschen nur im Plural geschlechtsneutral sind (vergleiche „die Studierenden“ und „der/die Studierende“), wäre diese Form im Niederländischen durch das Zusammenfallen der bestimmten Artikel im Utrum auch im Singular geschlechtsneutral.

In einigen Situationen können neutrale Oberbegriffe wie „de directie” (Leitung) oder “de redactie” (Redaktion) anstelle von „de directeurs“ (Direktoren) oder “de redacteurs” (Redakteure) eine Lösung darstellen. Der Begriff „lezerspubliek“ (Leserschaft) kann anstelle von „lezers“ oder „lezeressen“ verwendet werden. Anstelle der dritten Person kann auch die direkte Anrede in der zweiten Person (je, jij, u) verwendet werden, zum Beispiel: „U kunt worden geweigerd als ju de retourkosten niet hebt betaald“. In Fällen, in denen Personen allgemein angesprochen werden, z. B. in Briefen, E-Mails, Stellenanzeigen, Vorschriften oder Gesetzen, gibt es zwei Möglichkeiten. Entweder wird eine, am besten geschlechtsneutrale Form verwendet, z.B. „leerkracht“ (Lehrkraft), die alle Geschlechter einschließt, oder es werden die verschiedenen Geschlechter explizit genannt, indem unterschiedliche Formen verwendet werden, z.B. „lerares/leraar/leerkracht“ (Lehrer/Lehrerin/Lehrkraft). Alternativ wird empfohlen, hinter der Personenbezeichnung die Geschlechterbezeichnungen in Klammern (v/m/x) zu setzen, z.B. „Direktor/Direktorin (v/m/x)“, wie es im Deutschen üblich ist, insbesondere bei Stellenausschreibungen. Das x steht hier für nicht-binäre Personen, im Deutschen wird das d für „divers“ verwendet.

Die geschlechtsneutrale Formulierung im E-Commerce hat mehrere Vorteile und Herausforderungen. Durch die Verwendung einer Sprache, die kein Geschlecht hervorhebt, kann sich ein breiter Kundenkreis angesprochen und repräsentiert fühlen. Im Vergleich zu Geschlecht berücksichtigende Formulierungen wie Beidnennung oder Klammersetzung folgt eine geschlechtsneutrale Formulierung auch grammatikalischen Regeln, ist oft kürzer und basiert nicht auf einem binären Geschlechtersystem, was die Sprache noch inklusiver macht. Allerdings gibt es auch Herausforderungen, vor allem im Niederländischen, wo es oft noch keine alternativen Formen zum generischen Maskulinum gibt, was etwas mehr sprachliches Geschick und Kreativität erfordern kann.

Fazit

Geschlechtergerechtes Schreiben und Übersetzen ist auch im Niederländischen für viele Texte problemlos möglich, auch wenn sich im Vergleich zu vielen anderen Sprachen noch nicht so viele Strategien entwickelt und durchgesetzt haben. Es gibt jedoch viele Leitfäden, in denen geschlechtergerechte Alternativen vorgestellt werden. Wenn mit der Intention der Geschlechtsneutralität die männliche Form verwendet wird, wie dies die niederländischen Zeitungen tun, empfiehlt sich zumindest ein Hinweis, dass diese Personenbezeichnungen alle Geschlechter einschließen.

Wenn bereits bei der Erstellung von Texten für den Online-Shop auf geschlechtergerechte Formulierungen geachtet wird, erleichtert dies oft die Übersetzung, ohne dass zusätzliche Kosten entstehen. Die spezifischen Aspekte, die im E-Commerce und in der Übersetzung zu beachten sind, wenn es um die Verwendung einer geschlechtergerechten Sprache im Allgemeinen geht, haben wir bereits in diesem Artikel behandelt. Gerade weil im Niederländischen noch nicht viele Alternativen zum generischen Maskulinum etabliert sind, und auch weil es regionale Unterschiede im Sprachgebrauch gibt, empfiehlt es sich, bei Übersetzungen eine Person hinzuzuziehen, die mit den in der Zielregion etablierten Formen des geschlechtergerechten Sprachgebrauchs vertraut ist und über professionelle Erfahrung im Umgang mit der Ziel- und Ausgangssprache verfügt.



Quellen

 


autor_eurotext_100Autor: Eurotext Redaktion

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