In Belgien hat die innovative Gesundheitsbranche einen großen Einfluss auf die Wirtschaftsleistung, die Infrastruktur, den Export und die Beschäftigung des Landes. Der Sektor trägt zur Verbesserung der Lebensqualität der Bürger bei und macht Land zu einem weltweit führenden Standort für klinische Studien und Logistik für pharmazeutische Produkte. Warum der Markt gerade für App-Entwickler besonders interessant ist, erfahren Sie in unserem aktuellen Blogbeitrag.

Bevölkerung

Das kleine Königreich Belgien liegt zwischen den Ardennen und der Nordsee und grenzt an die Niederlande, Deutschland, Luxemburg und Frankreich. Derzeit beträgt die Bevölkerungszahl der konstitutionellen Monarchie ca. 11,8 Mio. Gemeinsam mit Luxemburg und Straßburg ist die Hauptstadt Brüssel zudem einer der drei offiziellen Sitze der europäischen Organe.

Die Belgier und Belgierinnen erfreuen sich generell guter Gesundheit und werden relativ alt. So ist die Lebenserwartung nach einem deutlichen pandemiebedingten Rückgang im Jahr 2020 wieder stark angestiegen und hält sich aktuell bei etwa 82,3 Jahren. Die Zahlen sind vergleichbar mit Deutschland, wo die Lebenserwartung 2024 rund 82,0 Jahre beträgt.

Hauptursache für Sterbefälle sind verhaltensbedingte Risikofaktoren. Trotz einer deutlichen Reduzierung der Raucherquoten in den letzten zehn Jahren rauchten im Jahr 2018 immer noch 15 % der Erwachsenen täglich. Während der Pro-Kopf-Alkoholkonsum leicht unter dem Durchschnitt der Länder in der Europäischen Union (EU) lag, war starker Alkoholkonsum vergleichsweise häufiger. Ungefähr 16 % der belgischen Erwachsenen wurden 2018 als fettleibig eingestuft. Damit liegt Belgien im Durchschnitt der EU. Jeder Vierte in Belgien leidet an einer chronischen Erkrankung.

Etwa 17 % der belgischen Bevölkerung litt 2019 an einer psychischen Erkrankung, was ebenfalls dem EU-Durchschnitt entspricht. Die Selbstmordraten lagen in den letzten zwei Jahrzehnten allerdings durchweg über denen der meisten anderen EU-Länder. Um diesen Entwicklungen entgegenzuwirken, hat Belgien verschiedene Reformen initiiert, die eine bürgernahe psychiatrische Versorgung fördern und psychischen Erkrankungen vorbeugen sollen. Dennoch müssen Patientinnen und Patienten bei psychosozialen Versorgungsdiensten aktuell mit langen Wartezeiten rechnen.

Gesundheitsmarkt

In Belgien sind die staatlichen und politischen Entscheidungskompetenzen nicht zentral organisiert, sondern aufgeteilt zwischen drei Regierungsebenen: der föderalen Regierung, den drei Sprachgemeinschaften (Flämisch bzw. belgisches Niederländisch, Französisch und Deutsch) und den drei Regionen (Flandern, Brüssel und Wallonien). Rechtlich sind diese Gemeinschaften gleichgestellt, doch ihre Zuständigkeiten und Aufgaben umfassen unterschiedliche Bereiche. Für das Gesundheitswesen bedeutet dies, dass die föderale Ebene für die Gesetzgebung und Regulierung zuständig ist, während die Sprachgemeinschaften die Gesundheits- und Pflegeversorgung eigenständig umsetzen können. Auf lokaler Ebene kann dann individuell über die Budgets für Investitionen entschieden werden.

Das belgische Gesundheitssystem basiert auf einem Bismarck-Modell. Wie in Deutschland gibt es eine verpflichtende gesetzliche Krankenversicherung, die nahezu die gesamte Bevölkerung abdeckt, und die öffentlichen Gesundheitsausgaben werden vorwiegend durch Sozialbeiträge finanziert. Die verfügbaren Finanzmittel werden durch staatliche Zuschüsse ergänzt. Insgesamt hat der Staat 2023 rund 10,9 % des BIP in Gesundheitsausgaben investiert. Belgien liegt damit genau im EU-Mittelfeld. Zum Vergleich: EU-Spitzenreiter Deutschland gibt etwa 13,2 % seines BIP für Gesundheit aus.

Die Krankenkassen werden vom Landesinstitut für Kranken- und Invaliditätsversicherung LIKIV (niederl. RIZIV, franz. INAMI) verwaltet. Viele Menschen haben auch eine zusätzliche private Krankenversicherung, da von den Krankenkassen nur bis zu 75 % der Behandlungskosten erstattet werden. Im Jahr 2022 waren etwa 98,6 % der belgischen Bevölkerung gesetzlich oder privat krankenversichert.

Das Gesundheitsministerium ist für die allgemeine Organisation des Gesundheitssystems zuständig. Die föderalen Einheiten übernehmen die Hauptverantwortung für die Organisationen der Primärversorgung, die Versorgung älterer Menschen, die psychische Versorgung und Rehabilitation sowie die Gesundheitsförderung und Prävention.

Die Gesundheitsdienstleister in Belgien werden nicht direkt von den Krankenkassen unter Vertrag genommen. Sie sind unabhängig und üben ihre Tätigkeit privatärztlich aus. Sie können sich jedoch verpflichten, die nationalen Tarife einzuhalten (sogenannte Vertragsärzte und -ärztinnen, etwa 86,5 % im Jahr 2021). Die Tarife und Erstattungssätze für Dienstleistungen werden zwischen Vertretern der Gesundheitsdienstleister und den Krankenkassen vereinbart. Insbesondere bei den zahnärztlichen Leistungen sind die Zuzahlungen hoch (65,8 % im Jahr 2019) und viel höher als in Deutschland (25,4 %). Im Gegensatz zu Deutschland übernehmen die Hausärzte keine Gatekeeping-Funktion, d. h. Patient*innen können eine fachärztliche Praxis oder Klinik direkt ohne Überweisung aufsuchen.

Trends

Angesichts der immer älter werdenden belgischen Bevölkerung spielen Prävention und langfristige Gesunderhaltung eine zunehmend wichtigere Rolle. Die Menschen wollen nicht nur älter werden, sondern bis ins hohe Alter fit und gesund bleiben. Fitness-Apps boomen ebenso wie Ratgeber für gesunde Ernährung. Ob Sportnahrung, Diätprodukte und Vitaminpräparate: Nahrungsergänzungsmittel zur Steigerung der Vitalität und Leistungsfähigkeit stehen hoch im Kurs. Gerade der Onlinehandel mit Gesundheitsprodukten hat in den letzten Jahren an Fahrt aufgenommen und eröffnet deutschen Anbietern neue Marktzugänge. So haben 2020 etwa 58 % der belgischen Verbraucherinnen und Verbraucher Gesundheits- oder Beauty-Produkte im Internet bestellt.

Auch die steigende Anzahl chronisch kranker Menschen sorgt dafür, dass bestimmte Produkte und Dienstleistungen immer stärker nachgefragt werden. Große Nachfrage besteht beispielsweise nach Arzneimitteln zur Behandlung von Diabetes oder Bluthochdruck sowie nach Chemotherapeutika und Psychopharmaka. Der stark exportorientierte Pharmasektor zählt in Belgien in allen Regionen zu den führenden Industriebranchen. Und im Bereich der Biotechnologie hat sich das Land dank seiner starken universitären Forschung schon lange als einer der führenden europäischen Standorte etabliert.

Wie viele Länder hat auch Belgien mit einem wachsenden Fachkräftemangel zu kämpfen. Immer weniger medizinisches Fachpersonal muss immer mehr Patienten versorgen. Um diesen Spagat zu meistern, setzt Belgien in seinen Kliniken und auch in den ambulanten Einrichtungen vermehrt auf eine Rationalisierung der Abläufe und digitale Lösungen. Die elektronische Gesundheitsakte gibt es bereits seit 2016 und in den letzten Jahren wurden zahlreiche digitale Plattformen für Telemedizin und Remote-Überwachung geschaffen, u. a. die eHealth-Plattform für den sicheren und einfachen Austausch von Gesundheitsdaten.

Generell sollen digitale Therapeutika (DTx), also evidenzbasierte, softwaregesteuerte therapeutische Interventionen zur Vorbeugung oder zum Management einer Erkrankung, konsequent ausgebaut werden. Insbesondere der Sektor für Informations- und Kommunikationstechnologie ist bereits hoch entwickelt und hat 2020 etwa 4,5 % der belgischen Wertschöpfung generiert. Gut aufgestellt ist Belgien auch bei der Nutzung von Big Data mithilfe künstlicher Intelligenz (KI), was das Land attraktiv für Partnerschaften macht.

Generell dient Belgien als für viele Unternehmen wichtiger Umschlagplatz und regionales Vertriebszentrum. Mehr als zwei Drittel der Exporte an Medizinprodukten gehen in andere Länder innerhalb der EU. Die Branche ist geprägt von kleineren und mittelständischen Unternehmen, die in ihren Sparten jeweils innovations- und exportstark sind. Etwa 43 % der Firmen in diesem Bereich haben einen teilweisen oder ausschließlichen Fokus auf Software oder digitale Entwicklungen. Health-Apps, die Patient*innen beispielsweise nach einer Knie-OP bei den Reha-Übungen zu Hause unterstützen, können in Belgien sogar von der Gesundheitskasse erstattet werden, was den Marktzugang für Hersteller erheblich erleichtert.

Branchenbeobachter gehen davon aus, dass der Markt für Medizinprodukte zwischen 2021 und 2026 voraussichtlich um 5,1 % wachsen wird. Neben EU-Geldern aus der Aufbau- und Resilienzfazilität sorgen auch Modernisierungsprojekte für Krankenhäuser und die digitale Strategie der Regierung für eine erhöhte Nachfrage.

Gesetzliche Rahmenbedingungen und Regularien

Zuständig für die Zulassung von Medikamenten ist in Belgien die Föderalagentur für Arzneimittel und Gesundheitsprodukte FAGG (franz. AFMPS, niederl. FAGG). Sie prüft, ob der Hersteller unter anderem durch klinische Studien nachweisen konnte, dass das Arzneimittel sicher und wirksam ist. Anhand dieser Daten wird dann über eine Zulassung entschieden. Das LIKIV verwaltet im Rahmen der belgischen Sozialgesetzgebung die Versicherung für Gesundheitspflege und für Invaliditätsleistungen und kontrolliert die Krankenkassen und die Fachkreisangehörigen (Ärzt*innen, Pflegepersonal usw.). Das LIKIV entscheidet auch über die Erstattung. Etwa 75 % der Arzneimittel werden von der gesetzlichen Krankenkasse übernommen. Die Preise werden vom Wirtschaftsministerium mit den Herstellern verhandelt.

Um Medizinprodukte (wie Rollstühle, Chirurgieinstrumente, aber auch Blutzuckersensoren oder Gesundheits-Apps) in Belgien vertreiben zu können, müssen sie einer Konformitätsbewertung unterzogen werden. Dadurch wird sichergestellt, dass sie den Anforderungen der einschlägigen EU-Richtlinien entsprechen. Diese Produkte müssen dann eine CE-Kennzeichnung tragen und der Hersteller muss beim FAGG und in EUDAMED registriert sein.

Gesundheitsmarkt in der EU und international

In der EU sind die Mitgliedsstaaten selbst für die Ausarbeitung und Implementierung ihrer nationalen Gesundheitspolitik zuständig. Die EU bietet hierzu einen übergeordneten Rahmen mit Richtlinien und Verordnungen, die in die nationalen Gesetze übertragen werden müssen. Ein viel zitiertes Beispiel ist die sogenannte MDR, die Verordnung (EU) 2017/745 Medizinprodukte. Sie gibt vor, welche Anforderungen Medizinprodukte im europäischen Binnenmarkt erfüllen müssen.

Medikamente können zunächst auf nationaler Ebene zugelassen werden. In Belgien ist dies über die FAAG möglich. Als Alternative zum nationalen Verfahren gibt es in der EU noch das „zentralisierte Zulassungsverfahren“ der Europäischen Arzneimittel-Agentur (EMA). Es bietet den Vorteil, die Zulassung für alle Mitgliedstaaten des Europäischen Wirtschaftsraums (EU, Island und Norwegen) mit einem einzigen Antrag zu erhalten.

Internationalisierung

Im Gesundheitsbereich spielt die Internationalisierung eine entscheidende Rolle. Sie sorgt unter anderem dafür, dass sich Fachleute optimal austauschen und Best-Practices teilen können. Wichtige Forschungsergebnisse lassen sich schneller verbreiten, damit sie der Allgemeinheit möglichst rasch zugutekommen können. Auch Kliniken und Arztpraxen profitieren: Sie können ihre Leistungen zielgruppengerecht präsentieren und sich als attraktiver Gesundheitsdienstleister für Patient*innen aus dem Ausland positionieren.

Ob Medizinprodukt, Medikament, Nahrungsergänzungsmittel oder Wellness- und Lifestyle-Artikel: Übersetzungen übernehmen im gesamten Produktlebenszyklus eine zentrale Funktion. Für jede Zielgruppe (z. B. Experten, Laien), jede Textsorte (z. B. Zulassungsantrag vs. App-Menü) und jeden Kommunikationskanal (z. B. Social Media vs. Hochglanzbroschüre) gelten für die Sprache andere Konventionen und Zielsetzungen. Und genau hier können qualifizierte Fachübersetzer*innen einen deutlichen Mehrwert leisten. Mit entsprechender Spezialisierung im jeweiligen Fachgebiet und umfangreicher Erfahrung übertragen die Inhalte und Botschaften präzise und effektiv und berücksichtigen dabei kulturelle Besonderheiten.

Gerade bei der direkten Ansprache von Endverbraucherinnen und Patienten, beispielsweise auf Informationswebseiten oder Patientenportalen, müssen komplexe wissenschaftliche Inhalte leicht zugänglich übertragen werden. Sie sollen informieren und Vertrauen schaffen. Bei der Lokalisierung von Apps ist beispielsweise wichtig, dass Menütexte nicht zu lang werden, da sie sonst abgeschnitten und nicht mehr verstanden werden. Darüber hinaus müssen die Elemente an die Präferenzen im Zielmarkt angepasst werden, damit die App für Zielbenutzer relevant und verständlich ist.

Für den belgischen Markt sind in erster Linie die Amtssprachen des Landes relevant. Diese sind Niederländisch bzw. Flämisch (etwa 60 %), Französisch (etwa 40 %) und Deutsch (etwa 0,67 %). Den Status als Regionalsprache haben seit 1990 außerdem das Luxemburgische, das romanische Lothringisch, das Champenois sowie Ripuarisch, Picardisch und Wallonisch.

Fazit

Belgien ist ein spannender Markt für Hersteller von Arzneimitteln und Medizinprodukten. Speziell im Bereich Digital Health, Big Data und KI eröffnen sich attraktive Marktpotenziale. Gute Chancen haben Gesundheits- und Fitnessangebote, insbesondere für die älter werdende und in weiten Teilen kaufkräftige Bevölkerung. Und gerade bei Health-Apps bietet die Möglichkeit zur Kostenübernahme durch die Krankenkassen einen immensen Vorteil für Entwickler.

Das Land ist jedoch auch geprägt von nicht unerheblichen regionalen Besonderheiten. Die drei Regionen Brüssel, Flandern und Wallonien unterscheiden sich nicht nur in Bezug auf die Sprache, sondern auch hinsichtlich der Präferenzen der Verbraucher*innen. Eine regionale Anpassung der Marketing- und Vertriebsstrategie ist daher zu empfehlen.

Hier kann Ihnen ein erfahrener Sprachdienstleister wichtige Unterstützung leisten und wertvolle Tipps geben. Mit qualifizierten Fachübersetzer*innen passen Sie Ihre Inhalte an die individuellen kulturellen Eigenheiten und Anforderungen des regionalen Marktes an und garantieren so eine effektive Ansprache der verschiedenen Zielgruppen.



Quellen

 


autor_eurotext_100Autor: Eurotext Redaktion

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