Taiwan ist aus der Sicht deutscher Unternehmen, die digital verkaufen, auch ein mögliches Expansionsziel. Als hochmodernes Industrieland und demokratischer Staat ist Taiwan durchaus vergleichbar mit Japan oder Südkorea, auf weltpolitischer Ebene ist der Status Taiwans allerdings umstritten. Warum es so ist, welche Merkmale den E-Commerce in Taiwan kennzeichnen und was Unternehmen im Hinblick auf den digitalen Handel beachten müssen, zeigen wir hier.

Zahlen und Fakten über das Land, völkerrechtliche Stellung

Taiwan – amtlich: Republik China – ist ein Inselstaat in Ostasien, der aus der Hauptinsel Taiwan und anderen, kleineren Inseln besteht. Taiwan beheimatet insgesamt über 23 Mio. Menschen; rund 4 Mio. leben im großen Ballungsraum der Hauptstadt Taipeh, die im Norden der Hauptinsel liegt. Die Hauptinsel Taiwan liegt im Westpazifik, ca. 130 km östlich des chinesischen Festlands, und erstreckt sich auf 35.800 km².

Taiwan ist ein demokratischer Staat und eine semipräsidentielle Republik. Das Land erlebte ab der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts und insbesondere in den 1980ern Jahren ein rasches wirtschaftliches Wachstum und eine schrittweise Demokratisierung. Heute ist Taiwan neben Japan und Südkorea einer der demokratischsten Staaten Ostasiens, die völkerrechtliche Stellung Taiwans ist allerdings umstritten: Die Volksrepublik China betrachtet Taiwan als eine “abtrünnige Provinz”, die nationalistische Regierung Taiwans wiederum bestreitet die Souveränität der Volksrepublik. Der seit dem Ende des Zweiten Weltkriegs anhaltende Streit zwischen Taiwan und der Volksrepublik China über den Status Taiwans ist als Taiwan-Konflikt bekannt.

Heute unterhalten nur wenige Staaten diplomatische Beziehungen mit Taiwan. Die sogenannte Ein-China-Politik durch die Volksrepublik China, nach der Staaten, die diplomatische Beziehungen mit der Volksrepublik unterhalten, die Souveränität Taiwans aberkennen müssen, führte dazu, dass ab den 1970ern Jahren immer mehr Staaten für die Volksrepublik und gegen Taiwan „optierten“. In der Folge musste Taiwan 1971 seine UN-Mitgliedschaft an die Volksrepublik China abgeben (dazu: UN-Resolution 2758).

Gemessen am HDI, dem Wohlstandindikator der Vereinigten Nationen, ist Taiwan mit einem Wert von 0,907 das 21. Land der Welt nach menschlicher Entwicklung (vgl. Deutschland: 0,942; Österreich: 0,916). Das taiwanesische Bruttoinlandsprodukt (BIP) liegt bei rund 590 Mrd. US-Dollar, kaufkraftbereinigt liegt das BIP pro Kopf bei über 53.000 US-Dollar (vgl. deutsches BIP pro Kopf: 45.700 US-Dollar).

Der (Neue) Taiwan-Dollar (TWD), die Währung Taiwans, unterteilt sich in 100 Jiao. Aktuell (09.01.2023) beläuft sich der Wechselkurs auf 32,40 Taiwan-Dollar pro Euro. In Taiwan gilt ganzjährig China Standard Time (CST), die Sommerzeit wurde abgeschafft. Reisende aus Deutschland müssen somit nur noch den Zeitunterschied beachten. Die Zeit in Taiwan ist 7 Stunden vor der Zeit in Deutschland – wenn in Berlin 12:00 Uhr ist, schlägt die Uhr in Taipeh 19:00 Uhr.

Sprache und Lokalisierung

Taiwans Amtssprache ist Hochchinesisch. Im Inselstaat werden neben der chinesischen Standardsprache auch andere Sprachen gesprochen, die anerkannte Nationalsprachen sind. Dazu gehört beispielsweise die taiwainische Sprache (auch: Taiwanisch bzw. Taiwanesisch; amtlich: Taiwanisches Min Nan), eine Variante der chinesischen Sprache Min Nan, die vor allem im westlichen Teil der Insel Taiwan viele Sprecherinnen und Sprecher zählt. Auch Hakka – ebenfalls eine chinesische Sprache – wird in Taiwan gesprochen. Ungefähr 70 Prozent der taiwanischen Bevölkerung hat eine chinesische Sprache als Muttersprache. In Taiwan werden auch nichtchinesische Sprachen gesprochen, darunter 16 Formosa-Sprachen – die Sprachen der indigenen Völkern Taiwans.

Zu beachten im Hinblick auf die Übersetzung für Taiwan ist, dass die chinesische Standardsprache hier mit den traditionellen Schriftzeichen geschrieben wird. In der Volksrepublik China wurde das chinesische Alphabet vereinfacht. Mehr dazu sowie allgemein zu der chinesischen Sprache und ihren Varianten finden Sie in diesem Beitrag.

Als Fremdsprache wird in Taiwan vor allem Englisch gelernt. Rund ein Viertel der Bürgerinnen und Bürger Taiwans können sich in englischer Sprache verständigen – viele von ihnen leben in der Hauptstadt Taipeh und in anderen größeren Städten im Norden des Landes. Für den E-Commerce heißt das, dass die Übersetzung in die Landessprache für den erfolgreichen Einstieg am lokalen Markt weiterhin wichtig ist. Am effektivsten wirkt auch hier, wie in den meisten nichteuropäischen Ländern, eine landesspezifische Übersetzung (Lokalisierung), die auch die Besonderheiten der Zielkultur sowie weitere Unterschiede berücksichtigt, wie beispielsweise die andere Währung.

Eckdaten über Wirtschaft, Import und Export

Die taiwanische Wirtschaft stützt sich auf den Dienstleistungssektor (62 %) und das verarbeitende Gewerbe (36 %), die Agrarwirtschaft spielt eine deutlich geringere Rolle (2 %). Taiwan ist ein hochmodernes Industrieland und exportiert vor allem Elektronikgeräte, aber auch Metallprodukte, Kunststoffe und Gummi, Chemikalien und Maschinen in die ganze Welt. Bekannt ist es vor allem für seine Chipproduktion.

Im Jahr 2021 wurden Waren im Wert von über 446 Mrd. US-Dollar von Taiwan ins weltweite Ausland exportiert; im gleichen Jahr wurden Waren im Wert von über 91 Mrd. nach Taiwan importiert. Dazu gehören vor allem elektrische Maschinen und Geräte, mineralische Brennstoffe und Mineralprodukte sowie Chemikalien.

Die meisten Importwaren kommen aus der Volksrepublik China. Deutschland (2 %) gehört neben Japan (7 %), den USA (14 %) und Südkorea (5 %) zu den wichtigsten Bezugsmärkten und Wirtschaftspartnern Taiwans.

Trends im Hinblick auf die Internetnutzung

In Taiwan gibt es Daten von Statista zufolge 21,7 Mio. Internetnutzerinnen und -nutzer, das entspricht rund 91 Prozent der Bevölkerung – für Interessenten aus dem E-Commerce ein interessantes Zielpublikum. Damit liegt die Penetrationsrate des Internets in Taiwan bei einem sehr hohen Wert, der dem anderer ostasiatischen Industrieländer wie Japan oder Südkorea ähnlich ist.

Hinsichtlich der Internutzung lässt sich kein Gendergap feststellen – das Internet wird in Taiwan von Männern und Frauen in gleichem Ausmaß benutzt. Was die Benutzung der sozialen Medien Facebook und Instagram anbetrifft, sind Frauen sogar aktiver als Männer. Auf Facebook finden sich auch in Taiwan – dem globalen Trend folgend – mehrheitlich Erwachsene, während Instagram vor allem unter den jüngeren Nutzerinnen und Nutzern beliebt ist (hier sind Erwachsene mit 14 Prozent in der Minderheit). Am aktivsten – und somit für den E-Commerce interessantesten – ist die Altersgruppe der jungen Erwachsenen ab 18 Jahren. Unter den älteren Bürgerinnen und Bürgern ab 70 Jahren benutzen nur 32 Prozent regelmäßig das Internet.

Am Internet und an den sozialen Medien schätzen taiwanische Bürgerinnen und Bürger vor allem die Möglichkeit, sich mit Freunden und Bekannten auszutauschen sowie schnell, effizient und unverbindlich über beliebte Produkte zu informieren und diese zu erwerben. Über 70 Prozent der Internetnutzerinnen und -nutzer zwischen 16 und 64 Jahren setzen soziale Medien ein, um nach Informationen über Produkte zu suchen. Unternehmen können diesen Trend nutzen, um Vertrauen beim Zielpublikum aufzubauen und die Markenbindung von Konsumentinnen und Konsumenten zu stärken. Daten von Statista zeigen, dass die meisten Followers auf Facebook vor allem Medienunternehmen sowie weltweit tätige Konzerne aus der Lebensmittel- und der Elektronikbranche zählen. Um einige zu nennen: Netflix, McDonald’s, National Geographic, Huawei Mobile, Disney Movies, Intel, Nescafé.

Für 43 Prozent der taiwanischen Konsumentinnen und Konsumenten, die das Internet aktiv und kauforientiert nutzen, bietet das Smartphone den bevorzugten Weg zum gewünschten Produkt. Unternehmen, die digital verkaufen, dürfen dies im Hinblick auf eine erfolgreiche Content-Strategie nicht missachten, da die Anzeige von Werbeinhalten auf den verschiedenen Kanälen eine eigene, plattformoptimierte Anpassung erfordert.

Trends im Hinblick auf das Kaufverhalten

Einer Auswertung von Statista zufolge beläuft sich der Umsatz des taiwanischen E-Commerce auf über 4,59 Bio. Taiwan-Dollar. Digital wird in Taiwan sowohl an den Endverbraucher (B2C) als auch an gewerblich tätige Kunden (B2B) verkauft. Medienunternehmen sowie weltweit tätige Konzerne aus der Lebensmittel- und der Elektronikbranche schreiben die größten Umsätze, gefolgt von den Herstellern von Hygiene- und Körperpflegeprodukten. Bei dieser letzten Produktkategorie hat vor allem die Pandemie durch Covid-19 für einen deutlich verstärkten Konsum gesorgt. Bei einer Umfrage aus dem Jahr 2022 gaben rund 50 Prozent der befragten Konsumentinnen und Konsumenten an, mindestens einmal im Quartal Hygieneprodukte über E-Commerce-Kanäle zu kaufen.

Was das Alter von Konsumentinnen und Konsumenten anbetrifft, sind in Taiwan die Erwachsenen zwischen 45 und 54 Jahren am aktivsten (39 %), gefolgt von den jüngeren Erwachsenen bis 44 Jahren (30 %) und den älteren Erwachsenen ab 55 Jahren (31 %). Insgesamt kaufen 51 Prozent der taiwanischen Konsumentinnen und Konsumenten regelmäßig online – der Trend liegt knapp unter dem globalen Durchschnitt von rund 58 Prozent.

Was die beliebtesten Zahlungsmittel anbetrifft, wird in auch Taiwan wie in den meisten anderen Ländern vorzugsweise mit Kredit- bzw. Debitkarte gezahlt. Über 81 Prozent der befragten Konsumentinnen und Konsumenten gaben an, beim Onlineeinkauf die Kredit- bzw. Debitkarte anderen Zahlungsmöglichkeiten vorzuziehen, darunter dem Bargeld, mit dem in Taiwan nach wie vor 64 Prozent der Transaktionen abgeschlossen werden. Das kontaktlose Zahlen per E-Wallet ist im Vergleich mit anderen ostasiatischen Ländern, wie beispielsweise Südkorea und Japan, nur noch wenig verbreitet. Beliebte Bezahl-Apps sind vor allem LINEPay (58 %) und Apple Pay (42 %).

Zu den beliebtesten heimischen Marktplätzen zählen nach Umsatz und Anzahl von Nutzerinnen und Nutzern eWorldTrade, Shopee Taiwan und Momo Shopping. Auf Momo Shopping lassen sich vor allem Kosmetik- und Haushaltsprodukte gut verkaufen. Zu beachten ist aber, dass die Website nur in der lokalen Sprache verfügbar ist.

Wissenswertes zu den Import- und Zollbestimmungen

Taiwan verwendet das Harmonisierte System, die Zollbestimmungen sind somit systematisch und tarifmäßig vergleichbar mit den europäischen. Die Warenpositionen unterteilen sich in 4 Gruppen: Prohibited Import Articles, Controlled Articles, Permitted Articles (davon mehr als 8.000 von den insgesamt 8.848 Warenpositionen sind ohne Lizenz importierbare Freiwaren), Temporarily Suspended Articles. Importrestriktionen für Waren aus der EU gibt es bei Landwirtschaftsprodukten und bestimmten „sensiblen Waren“, darunter Pkw.

Hinsichtlich der Verpackung und Markierung ist nur bei bestimmten Waren etwas zu beachten. Verpackungs- und Markierungsvorschriften bestehen etwa bei Getränken, Textilien und Pharmazeutika, dennoch erleichtert eine detaillierte Kennzeichnung, Beschriftung und Inhaltsangabe auch bei sonstigen Waren das Zollabfertigungsverfahren wesentlich. Für den Import bestimmter Waren nach Taiwan, wie u. a. Pkw, Fahrgestelle sowie einige Landwirtschaftsprodukte, ist ein Ursprungszeugnis erforderlich. (Quelle: Wirtschaftskammer Österreich)

Fazit

Aus der Sicht deutscher Unternehmen, die digital verkaufen, ist Taiwan auch ein mögliches Expansionsziel. Taiwan ist ein hochmodernes Industrieland und ein demokratischer Staat mit einer effizienten Logistik und einem digitalaffinen, einkaufsorientierten Zielpublikum. Das macht Taiwan durchaus vergleichbar mit Japan oder Südkorea – und in gewisser Hinsicht auch mit den westlichen Ländern. Auf weltpolitischer Ebene ist der Status Taiwans allerdings umstritten. Die Volksrepublik China betrachtet Taiwan als eine eigene Provinz und sieht sich als „das einzige China“, Taiwan verteidigt die eigene Souveränität und ist de facto unabhängig. Dennoch ist Taiwan bei den Vereinten Nationen nicht vertreten und unterhält auch keine diplomatischen Beziehungen mit den westlichen Ländern – zumindest formal. Für den E-Commerce ist das aber noch kein Ausschlusskriterium. Vielmehr muss die andere Sprache und Kultur berücksichtigt werden sowie die Importrestriktionen bei bestimmten EU-Waren.



Quellen

 


autor_eurotext_100Autor: Eurotext Redaktion

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