In dieser Ausgabe unserer Reihe „E-Commerce in …“ widmen wir uns dem E-Commerce-Markt in Finnland. Das dünn besiedelte Land im Norden Europas hat schnelles Internet zum Grundrecht erklärt – und überrascht auch sonst mit interessanten Chancen für Onlinehändler.

Zahlen und Fakten

Obwohl Finnland mit einer Fläche von 338.440 Quadratkilometern ähnlich groß ist wie Deutschland, leben dort nur fünfeinhalb Millionen Menschen. Am dichtesten besiedelt ist der Süden des Landes. Dort, auf einer in den Finnischen Meerbusen ragenden Landzunge, liegt auch die nördlichste Hauptstadt der Europäischen Union, Helsinki. Etwa 1,4 Millionen Einwohner sind dort und in der zugehörigen Metropolregion zu Hause.

Als eines der fünf sogenannten nordischen Länder grenzt Finnland im Nordwesten an Schweden, im Norden an Norwegen und im Nordosten an Russland. Neben den zahlreichen Flugverbindungen nach Helsinki lässt sich die Hauptstadt z.B. auch von St. Petersburg, Schweden oder Estland aus mit einer Ostseefähre erreichen. Wer aus Deutschland anreist, sollte dabei die einstündige Zeitverschiebung nicht vergessen.

86 Prozent der Fläche Finnlands sind mit Wald bedeckt. Bis heute sind in diesem waldreichsten Gebiet Europas Elche, Rentiere, Braunbären und Wölfe zu Hause. Davon abgesehen ist die Landschaft vor allem geprägt durch die etwa 188.000 Seen, ein Relikt aus der Eiszeit. Ein Drittel des Landes liegt nördlich des Polarkreises. Das bedeutet: Ganz im Norden, in der Region Lappland, geht die Sonne etwa zweieinhalb Monate pro Jahr überhaupt nicht unter. Im Dezember und Januar herrscht dafür ständige Dunkelheit. Trotz der nördlichen Lage Finnlands zwischen dem 60. und dem 70. Breitengrad ist das Klima durch die maritimen Einflüsse im Landesinneren aber erstaunlich mild: Temperaturen über 30 Grad sind dort im Sommer keine Seltenheit.  Nahe den Küsten sowie in der Polarregion ist es jedoch auch im Sommer deutlich kälter. Die Winter sind im ganzen Land kalt und lang, selbst die Durchschnittstemperaturen liegen dann vielerorts unter dem Gefrierpunkt.

Auch kulturell hat Suomi, wie die Einheimischen das Land nennen, einiges zu bieten. Die Hauptstadt Helsinki ist jung und modern und lockt mit alternativen Restaurants, Cafés und Läden. Der Dom und die Uspenski-Kathedrale sind einzigartige Beispiele der historischen finnischen Architektur. Wem der städtische Trubel zu viel wird, der erreicht per Fähre bequem eine der vielen Inseln vor der Küste. Auch die Seefestung Suomenlinna, eine UNESCO-Welterbestätte, lässt sich vom Marktplatz in Helsinki aus in etwa 15 bis 20 Minuten erreichen. Daneben sind natürlich auch andere finnische Städte, wie die ehemalige Hauptstadt Turku im Südwesten, einen Besuch wert.

Finnland ist seit 1995 Mitglied der Europäischen Union und von Beginn an Teil der Eurozone. Allerdings werden die Preise bei Barzahlung grundsätzlich zum nächsten Fünf-Cent-Betrag auf- beziehungsweise abgerundet, weswegen die beiden Münzen mit dem kleinsten Wert in der Praxis kaum noch in Gebrauch sind.

Trends und Einblicke

Kaum ein Land auf der Welt ist so gut digital vernetzt wie Finnland: 2010 sorgte dort die Entscheidung für Aufsehen, eine schnelle Internetverbindung im Gesetz als Grundrecht zu definieren. Weltweit erstmalig wurden Unternehmen dadurch dazu verpflichtet, auch die abgelegensten Landesteile mit einem Breitbandanschluss zu versorgen. Das hat sich gelohnt: Heute haben 96 Prozent aller finnischen Haushalte Zugang zum Internet. Auch die EU hat Finnland in ihrem Digital-Index DESI zum „Digital Leader“ unter den europäischen Nationen erklärt. Als Grund dafür nennt der DESI-Bericht unter anderem die Tatsache, dass mit 76 Prozent der Bevölkerung überdurchschnittlich viele Finnen über digitale Fähigkeiten und Kenntnisse verfügen.

Wie diese Rahmenbedingungen bereits vermuten lassen, wird auch der E-Commerce in Finnland großgeschrieben: Fast die Hälfte aller einheimischen Einzelhandelsfirmen vertrieb im Jahr 2020 auch Produkte und Dienstleistungen im Netz. Umgekehrt gaben in einer Umfrage des finnischen Statistikbüros 54 Prozent aller Finnen an, 2020 etwas im Internet erworben zu haben. Laut einer Untersuchung des Logistikunternehmens Postnord legen finnische Kunden dabei besonders großen Wert auf nachhaltige Produkte und wiederverwendbare Verpackung.

Wohl auch deswegen hat der Anteil finnischer Anbieter am gesamten E-Commerce-Volumen in den vergangenen Jahren immer weiter zugenommen. 2020 gaben die Finnen 30% mehr Geld bei einheimischen Onlinehändlern aus als im Jahr zuvor, bei Einkäufen aus dem Ausland betrug der Zuwachs im Vergleich nur zehn Prozent. Ausländische Anbieter sollten sich von dieser Entwicklung jedoch nicht abschrecken lassen: Noch immer dominieren ausländische Importe den finnischen E-Commerce-Markt. Laut Postnord hatten 26% der Finnen 2019 im vergangenen Monat Produkte aus China bestellt, weitere 26% aus Deutschland und 21% aus dem Nachbarland Schweden. Besonders hoch im Kurs stehen bei den finnischen Onlinekunden dabei Produkte aus dem Bereich Kleidung und Schuhe, gefolgt von Büchern und Elektronikartikeln.

Marktführer ist laut dem Portal eCommerceDB der finnische Versandhändler Verkkokauppa mit einem Jahresumsatz von 541 Millionen US-Dollar im Jahr 2020. Auf Platz 2 folgt demnach der ebenfalls einheimische Konkurrent gigantti.fi, auf Platz 3 der finnische Ableger von Zalando. Die beliebteste Suchmaschine in Finnland ist Google mit einem Marktanteil von 94 Prozent.

Auch beim Thema Online-Banking zeigt sich die Digitalaffinität der Finnen: Laut Statistics Finland nutzen 87 Prozent der 16- bis 89-Jährigen diese Dienstleistung regelmäßig. Auch das Bezahlen per Karte (49%) und per PayPal (21%) ist weit verbreitet. Mobile Bezahlmethoden haben insbesondere während des Corona-Jahres 2020 an Beliebtheit gewonnen: Griffen im Jahr 2019 nur etwa acht Prozent der Finnen darauf zurück, hatte sich dieser Anteil 2020 bereits verdoppelt. Beachten sollten E-Commerce-Anbieter bei den Bezahlmethoden jedoch auf jeden Fall, dass viele Finnen äußersten Wert auf Sicherheit und Datenschutz legen – in dieser Hinsicht sind sie den deutschen Kunden nicht unähnlich.

Sprache

Neben Finnisch ist Schwedisch die zweite offizielle Amtssprache in Finnland. Etwa 90 Prozent der Finnen sind finnische, etwa fünfeinhalb Prozent sind schwedische Muttersprachler. Laut dem Sprachgesetz aus dem Jahr 1922 müssen in jeder Gemeinde, in der der Anteil der schwedischsprachigen Bevölkerung über acht Prozent oder bei mindestens 3000 Einwohnern liegt, Orts- und Straßenschilder in beiden Sprachen beschriftet werden. In etwa 280 Grundschulen in Finnland werden die Kinder auf Schwedisch unterrichtet, es gibt schwedische Tageszeitungen, Behörden und öffentliche Stellen sollen ihre Dienste in beiden Sprachen bereitstellen. Neben Finnisch und Schwedisch ist Russisch mit einem Anteil von gut einem Prozent an der Gesamtbevölkerung die dritthäufigste Muttersprache in Finnland. Besonders seit den 1990ern wird jedoch zunehmend auch auf andere Minderheitensprachen Rücksicht genommen. Eine besondere Rolle kommt dabei der indigenen Volksgruppe der Samen zu. In Teilen Lapplands dürfen die samischen Sprachen etwa bei Behördengängen verwendet werden. Insgesamt gibt es in Finnland heute noch etwa 8000 Sprecher der zehn samischen Sprachen, die untereinander nicht allesamt verständlich sind. Für den E-Commerce dürften die indigenen Sprachen ohnehin eine untergeordnete Rolle spielen, beherrscht doch ein Großteil der Samen auch die finnische oder schwedische Sprache. 70 Prozent der Finnen sprechen laut einer Umfrage aus dem Jahr 2012 außerdem gut Englisch – ein Glücksfall für Ausländer, denn Finnisch hat kaum Gemeinsamkeiten zu anderen europäischen Sprachen und ist dadurch vergleichsweise schwer zu erlernen.

Fazit

Finnland ist ein echter Vorreiter, wenn es um das Thema Digitalisierung geht – gepaart mit einer wohlhabenden Gesamtbevölkerung macht das den finnischen Markt auch für den E-Commerce attraktiv. Im Gegensatz zu vielen anderen europäischen Ländern sind die großen internationalen Versandriesen, wie Amazon und Co. in Finnland bis jetzt noch unterrepräsentiert. Viele bieten keine finnische Version ihrer Webseite an und versenden ihre Waren allenfalls gegen gesalzene Versandgebühren in den hohen Norden. Auch im Online-Lebensmittelbereich klaffen bisher noch große Lücken, die zu schließen sich lohnen könnte. Dem gegenüber steht der nordische Trend zu Lokalität und Nachhaltigkeit: Wer für finnische Kunden auch in Zukunft attraktiv sein möchte, der sollte auf lokale Lager und CO2-arme Transportmethoden setzen.



Quellen:

 


autor_eurotext_100Autor: Eurotext Redaktion

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