Bits, Bytes… und Brexit: Was könnte dieses Trio wohl gemeinsam haben?
Von digitaler Gesundheit über Telemedizin bis hin zu personalisierter Therapie – erfahren Sie in diesem Blog, was Gesundheitsmarkt im Vereinigten Königreich ausmacht und alles über aktuelle Trends.
Bevölkerung
Insgesamt hat das Vereinigte Königreich im Laufe der Jahre deutliche Fortschritte bei der Verbesserung der Gesundheitsergebnisse und der Lebenserwartung gemacht. Einige versorgungsmedizinische Herausforderungen bestehen jedoch nach wie vor. Obwohl die Mehrheit der britischen Bevölkerung angibt, bei guter bis sehr guter Gesundheit zu sein (75,3 % der Männer und 75,7 % der Frauen), leidet etwa die Hälfte an einer chronischen Erkrankung. Diese Zahlen sind mit denen in Deutschland vergleichbar, wo etwa 45 % der Befragten angeben, eine oder mehrere lang andauernde Erkrankungen zu haben.
Offiziellen Statistiken zufolge sind die vier häufigsten chronischen Krankheiten im Vereinigten Königreich Allergien, Bluthochdruck, Rückenbeschwerden und Depressionen. Die höchsten Prävalenzraten laut hausärztlichen Datenbanken weisen Bluthochdruck (13,9 %), Depressionen (12,3 %) und Diabetes mellitus (7,1 %) aus.
Besonders problematisch sind hier die Herz-Kreislauf-Erkrankungen, wie Schlaganfälle und Herzinfarkte, die zu einer signifikanten Krankheitslast und Mortalität beitragen. In diesem Zusammenhang wurden bereits einige Anstrengungen zur Förderung eines gesünderen Lebensstils unternommen, um die Problematik einzudämmen, wie Kampagnen zur Raucherentwöhnung, Initiativen für mehr Bewegung und verbesserte Ernährungsempfehlungen.
Gesundheitsmarkt
Das Herzstück des Gesundheitssystems im Vereinigten Königreich ist der kostenlose, öffentlich finanzierte nationale Gesundheitsdienst NHS. Anders als beim Bismarck-Modell der Sozialversicherung wird der NHS nicht durch Versicherungsbeiträge, sondern durch Steuern finanziert und basiert nicht auf der Staatsangehörigkeit, sondern dem Aufenthaltsstatus. Das bedeutet, dass der bzw. die Einzelne für die meisten medizinischen Behandlungen nicht direkt bezahlen muss. Ausgenommen davon sind Medikamente sowie augen- und zahnärztliche Behandlungen, die zuzahlungspflichtig sind.
Im Vereinigten Königreich ist das Gesundheitswesen im Rahmen der Devolution dezentral organisiert. Somit betreibt jedes Land seinen eigenen öffentlichen Gesundheitsdienst, der an die Bedürfnisse der Bevölkerung vor Ort angepasst ist, bestehend aus dem NHS England, dem NHS Schottland, dem NHS Wales und dem Health and Social Care in Northern Ireland (HSCNI).
Die erste Anlaufstelle für Patienten in jedem NHS-System sind die Hausärzte (General Practitioners oder abgekürzt GPs), die die medizinische Grundversorgung sicherstellen. Bei Bedarf überweisen sie die Patient*innen auch an einen Facharzt bzw. eine Fachärztin oder ein Krankenhaus.
Für akute Fälle stehen neben Klinik-Notaufnahmen auch Notdienstpraxen mit erweiterten Öffnungszeiten zur Verfügung, die von Hausärzten angeboten werden.
Die stationäre Versorgung im Vereinigten Königreich erfolgt durch NHS-Krankenhäuser, die sich überwiegend in öffentlichem Besitz befinden. Auch wenn versucht wird, dringende Fälle stets vorrangig zu behandeln, gibt es für bestimmte Verfahren und Behandlungen mitunter sehr unterschiedliche lange Wartezeiten, die teilweise stark kritisiert werden.
Trends
Auch im Vereinigten Königreich waren die Auswirkungen der Coronapandemie auf die psychische Gesundheit erheblich: So haben sich Angstzustände und Depressionen mehr als verdoppelt. Eine verstärkte Sensibilisierung und geringere Stigmatisierung haben jedoch den Zugang zu psychosozialen Angeboten verbessert und dazu geführt, dass das psychische Wohlbefinden in der Gesundheitspolitik stärker berücksichtigt wird.
Dies spiegelt sich auch in der wachsenden Nachfrage nach integrativer und ganzheitlicher Medizin wider, wobei komplementäre und alternative Therapien, Achtsamkeit (z. B. Yoga und Meditation), Ernährung (inkl. Nahrungsergänzungsmittel) und Anpassungen bei den Lebensgewohnheiten (z. B. mehr Bewegung) in Verbindung mit traditionellen Behandlungen zunehmend nachgefragt werden.
Die Pandemie hat auch Nachfrage nach digitalen Gesundheitstechnologien und Telemedizin befeuert und deren Akzeptanz deutlich erhöht. Virtuelle Arzttermine, telemedizinische Versorgung und Überwachung sowie digitale Tracking-Tools setzen sich immer stärker durch, erhöhen den Zugang zu medizinischer Versorgung und stellen für Patient*innen wie Ärzt*innen eine komfortable Ergänzung dar.
Nicht zuletzt wurde diese Entwicklung die wachsende Beliebtheit von Gesundheitstechnologien und Wearables wie Fitness-Trackern und Smartwatches begünstigt. Mit diesen Tools lässt sich die eigene Gesundheit überwachen und managen. Sie liefern wertvolle Daten, wie Blutdruckwerte und Aktivitätslevel, anhand derer ärztliches und pflegerisches Personal wertvolle Bewertungen und Analysen durchführen kann, und sie tragen zu einem weiteren Megatrend bei: der personalisierten Gesundheitsversorgung.
Insbesondere im Bereich digitaler Technologien erhöht die britische Regierung in den nächsten Jahren auch deutlich die geplanten Ausgaben für Forschung und Entwicklung. So wurden die Life Sciences und die digitalen Technologien als „wachstumsstarke Sektoren“ ins Visier genommen, die vorrangig gefördert werden sollen. Das dedizierte Wachstumspaket umfasst 650 Mio. britische Pfund (etwa 760 Mio. Euro) sowie Maßnahmen zur Vereinfachung von Arzneimittel- und Technologiezulassungen, Änderungen bei der Regulierung und Unterstützung digitaler Technologien und künstlicher Intelligenz („KI“) sowie Investitionen in Forschung und Entwicklung in Infrastruktur und kritischen Bereichen der KI. Diese Maßnahmen schaffen ein attraktives Marktumfeld für Hersteller und Anbieter digitaler Tools und Dienstleistungen im Gesundheitsbereich.
Im Laufe der Jahre wurde der NHS mehrmals strukturell angepasst. Zunehmend beteiligen sich Privatunternehmen und Stiftungen an der Erbringung von Gesundheitsleistungen, um die Kapazitäten des NHS zu verstärken. Alle Dienstleistungen werden aus öffentlichen Mitteln finanziert und der Staat bleibt letztlich rechenschaftspflichtig. Dies kam bei der Bevölkerung nicht immer gut an, und es zeigt sich, dass ein großer Teil der Öffentlichkeit eine solche Beteiligung tendenziell ablehnt.
Durch die Coronapandemie rückten auch die bestehenden Probleme im Gesundheitssystem stärker in den Fokus. Dazu gehören anhaltende Ungleichheiten bei den Gesundheitsergebnissen, eine unzureichende Finanzierung der Gesundheits- und Sozialfürsorge und ein Mangel an Fachkräften im Vergleich zu vielen anderen Industrienationen. Diese Faktoren machen das Vereinigte Königreich anfällig für plötzliche Krisen wie die Coronapandemie.
Gesetzliche Rahmenbedingungen und Regularien
Seit dem Austritt aus der Europäischen Union hat das Vereinigte Königreich sein eigenes Regulierungssystem für Arzneimittel und Medizinprodukte eingeführt (bei Medizinprodukten handelt es sich um Produkte mit einem medizinischen Verwendungszweck, wie Röntgengeräte, Insulinpumpen und auch entsprechende digitale Apps). Alle Unternehmen, die ein Medizinprodukt oder ein In-vitro-Diagnostikum im Vereinigten Königreich vertreiben wollen, müssen ihr Produkt bei der Medicines and Healthcare Products Regulatory Agency (MHRA) registrieren lassen, wobei in Großbritannien und Nordirland unterschiedliche Regeln gelten.
Für Medizinprodukte, die in Großbritannien (England, Schottland und Wales) verkauft werden sollen, gibt es eine Übergangszeit, in der eine gültige EU-Zertifizierung für die CE-Kennzeichnung als Nachweis für die Konformitätsbewertung anerkannt wird; letztendlich müssen jedoch alle Hersteller die UK-spezifischen Anforderungen für die Zertifizierung der UKCA-Kennzeichnung (UK Conformity Assessed) erfüllen. In Nordirland behält die CE-Kennzeichnung ihre Gültigkeit.
Für Arzneimittel gilt Folgendes: Hat ein Medikament von der MHRA eine Zulassung erhalten, die bestätigt, dass es sicher und wirksam ist, kann es im Vereinigten Königreich zu einem Preis, der vom herstellenden pharmazeutischen Unternehmen festgelegt wird, privat gekauft werden. Nach der Preisfestlegung für das Medikament nimmt das National Institute for Health and Care Excellence (NICE) eine Bewertung der Wirksamkeit und Kosten auf der Grundlage der verfügbaren Belege vor. Das NICE gibt dann Empfehlungen darüber ab, ob der NHS das Medikament finanzieren sollte, und nennt dabei die entsprechenden Indikationen und Anwendungsgebiete. Nach der Finanzierungsentscheidung des NICE sollte das Medikament innerhalb von höchstens drei Monaten für Patient*innen über den NHS zugänglich sein.
Die Planung der Regierung sieht außerdem eine rasche, oft nahezu automatische Genehmigung von Arzneimitteln und Technologien vor, die von anderen vertrauenswürdigen Aufsichtsbehörden wie denen in den Vereinigten Staaten, Europa und Japan zugelassen wurden.
Ab 2024 wird die MHRA zudem ein „schnelles Zulassungsverfahren“ für die wichtigsten neuen Arzneimittel und Technologien einführen, wie etwa „Krebsimpfstoffe und KI-gestützte Therapeutika für psychische Erkrankungen“.
Gesundheitsmarkt in der EU und international
Derzeit besteht eine Übergangsfrist für die Zulassung von CE-gekennzeichneten Medizinprodukten auf dem britischen Markt, die am 30. Juni 2024 ausläuft. Um die sichere Versorgung des Vereinigten Königreichs mit Medizinprodukten und Arzneimitteln zu gewährleisten, wird für die Umsetzung des künftig gültigen, unabhängigen Rechtsrahmens ein schrittweiser Ansatz verfolgt.
Die EU hat in diesem Zusammenhang Maßnahmen ergriffen, um den Herstellern zusätzliche Zeit für die Zertifizierung bestimmter Medizinprodukte im Rahmen der EU-Medizinprodukteverordnung (EU-MDR) einzuräumen. Zu diesen Maßnahmen gehört beispielsweise die Verlängerung der Gültigkeit bestimmter CE-Zertifikate.
Internationalisierung
Für die Optimierung der Vermarktung von Produkten und Dienstleistungen auf verschiedenen Märkten ist die Internationalisierung eine entscheidende Komponente. Sie ermöglicht britischen Krankenhäusern und Arztpraxen, sich als attraktive Dienstleister für Patient*innen aus dem Ausland zu etablieren, was ihnen einen deutlichen Wettbewerbsvorteil verschafft.
Durch den einfacheren Informationsaustausch mit anderen Ländern, z. B. durch die Übersetzung von wissenschaftlichen Publikationen und Schulungsmaterialien, können britische Gesundheitsdienstleister auch die Umsetzung bewährter Verfahren aus verschiedenen Regionen der Welt nutzen. Dadurch verbessert sich wiederum die medizinische Versorgungsqualität insgesamt.
Übersetzungen sind während des gesamten Lebenszyklus von Medizinprodukten, Arzneimitteln, Nahrungsergänzungsmitteln sowie Fitness- und Lifestyle-Artikeln unerlässlich. Fachübersetzer*innen spielen hierbei eine entscheidende Rolle, denn sie verfügen über umfangreiche Erfahrung, spezifisches Fachwissen und die erforderlichen Sprachkenntnisse. Ihre Aufgabe ist es, Inhalte und Botschaften an das jeweilige Zielpublikum anzupassen – unabhängig davon, ob es sich um Expert*innen, Laien, Behörden oder andere Personen handelt. Außerdem müssen sie sicherstellen, dass die Übersetzung den spezifischen Anforderungen der jeweiligen Textsorte und des Kommunikationskanals entspricht.
Fachübersetzer*innen sind auch von zentraler Bedeutung, die korrekte Übersetzung von Texten für Behörden zu gewährleisten und sie erfüllen dabei die regulatorisch vorgeschriebenen Konventionen. Angesichts der beträchtlichen Investitionen, die bereits in ein Medizinprodukt oder Arzneimittel geflossen sind, wären Verzögerungen bei der Markteinführung sehr kostspielig. Mit erfahrenen Sprachexpert*innen an Ihrer Seite können Sie dies vermeiden und etwaige Stolpersteine auf dem Weg zur erfolgreichen Markteinführung umgehen.
In der direkten Kommunikation mit Verbraucher*innen und Patient*innen müssen die Übersetzungen komplexe wissenschaftliche Zusammenhänge leicht verständlich darstellen. Diese Anforderung gilt insbesondere für Plattformen wie Patientenportale, Aufklärungswebsites und Infobroschüren. Hier zielt der Inhalt darauf ab, Verbraucher*innen zu informieren und zu überzeugen, ohne übermäßig werblich zu wirken.
Um den Bedürfnissen des Zielmarktes gerecht zu werden, kann es außerdem sinnvoll sein, Fachübersetzer*innen mit Marketingexpertise zu beauftragen. Diese können dann auf der Grundlage eines umfassenden Briefings eine kreativere, auf den jeweiligen Markt zugeschnittene Übersetzung liefern. Diese Dienstleistung wird als „Transkreation“ bezeichnet.
Zu den Sprachen, die für den britischen Markt wichtigen sind, gehören neben der Amtssprache Englisch und ihren verschiedenen Dialekten auch regionale einheimische Sprachen wie Scots und Ulster Scots sowie die keltischen Sprachen Irisch, Schottisch-Gälisch, Walisisch, das in Wales gesetzlich festgelegte Amtssprache ist, und, als wiederbelebte Sprache mit wenigen Sprechern, Cornish. Im Jahr 2021 war Polnisch mit 611.845 Muttersprachlern die häufigste Migrantensprache, gefolgt von Rumänisch (471.954) und Pandschabi (290.745). Letztere ist angesichts der imperialen Geschichte des Vereinigten Königreichs und der Einwanderung aus ehemaligen Commonwealth-Ländern von besonderer Bedeutung.
Fazit
Der Personalmangel belastet das Gesundheitssystem nach wie vor, wobei der Brexit das Problem noch verschärft hat, da viele medizinische Fachkräfte das Vereinigte Königreich verlassen haben. Dies stellt ein erhebliches Problem dar, und es werden Anstrengungen unternommen, um die Anwerbung von qualifiziertem Personal aus dem Ausland zu vereinfachen.
Trotz zahlreicher Strategien, Programme und Berichte, die sich mit der Frage befassen, wie das britische Gesundheitswesen die digitale Transformation verbessern und standardisieren kann, vollzieht sich der Wandel nur langsam und bruchstückhaft. In einer Umfrage wurde der aktuelle Stand der Digitalisierung als „langsam, teuer und herausfordernd“ eingestuft.
Angesichts der geplanten finanziellen und strukturellen Fördermaßnahmen im Bereich Life Sciences und Digitalisierung ist aber davon auszugehen ist, dass dieser Markt den kommenden Jahren deutlich wachsen wird und attraktive Möglichkeiten für Unternehmen bietet, die Produkte und Dienstleistungen im digitalen Gesundheitsbereich anbieten.
Quellen
- https://www.ons.gov.uk/peoplepopulationandcommunity/healthandsocialcare/healthcaresystem
- https://www.ons.gov.uk/peoplepopulationandcommunity/healthandsocialcare/healthandlifeexpectancies/bulletins/ukhealthindicators/2019to2020
- https://digital.nhs.uk/data-and-information/publications/statistical/quality-and-outcomes-framework-achievement-prevalence-and-exceptions-data/2020-21
- https://www.expatica.com/uk/healthcare/healthcare-basics/the-national-health-service-and-health-insurance-in-the-uk-1092057/
- https://uk.diplo.de/uk-de/02/a-z-themen/gesundheitswesen-in-grossbritannien/2487788
- https://www2.deloitte.com/uk/en/pages/life-sciences-and-healthcare/articles/shaping-the-future-of-uk-healthcare.html
- https://www.statista.com/statistics/1274307/problems-with-national-health-care-system-in-great-britain/
- https://www.europeanpharmaceuticalreview.com/news/182936/life-sciences-sector-to-receive-650-million-funding/
- https://www.gtai.de/de/trade/vereinigtes-koenigreich/zoll/neue-regeln-fuer-medizinprodukte-im-vereinigten-koenigreich-590274
Autor: Eurotext Redaktion
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