Medizinische Versorgung, Pflege und Pharmazie zählen zu den wichtigsten Wirtschaftssektoren Deutschlands – in dem natürlich auch Fachübersetzungen eine Rolle spielen. Wir zeigen Ihnen, was das Gesundheitssystem in Deutschland so besonders macht, wie es aufgebaut ist und welche Rolle Übersetzungen dabei spielen können.
Bevölkerung
Fragt man die Deutschen nach ihrer Gesundheit, erhält man eine recht optimistische Antwort: 65,2 % sind der Meinung, dass ihr Gesundheitszustand gut oder sehr gut sei. Bei 8,3 % hingegen fällt diese Bewertung negativ aus. Sie sehen ihre Gesundheit schlecht oder sehr schlecht. Besonders pessimistisch sind hier Männer ab 50 Jahren. Dabei ist die Lebenserwartung in Deutschland seit Ende des 19. Jahrhunderts beträchtlich gestiegen. Bei Männern liegt sie mittlerweile bei 78,5 Jahren und bei Frauen bei 83,4 Jahren. Im internationalen Vergleich steht Deutschland damit jedoch keineswegs an der Spitze. In mehr als 20 anderen Ländern werden die Menschen noch älter, u. a. in Österreich, der Schweiz oder in Frankreich.
Als typisches Industrieland leiden viele Menschen in Deutschland an den üblichen Zivilisationskrankheiten. Ganz oben auf der Liste stehen hier Beschwerden des Bewegungsapparats, wie Rückenschmerzen, dicht gefolgt von psychischen Störungen, wie Burnout, Depressionen und Angststörungen. Häufig zu finden sind auch Stoffwechselstörungen (z. B. Diabetes) und Herz-Kreislauf-Erkrankungen (Bluthochdruck, Herzinfarkte etc.). Laut statistischen Bundesamt waren 2017 rund 53 % der erwachsenen Bevölkerung übergewichtig und 16 % stark übergewichtig (adipös). Dies ist insbesondere von Bedeutung, weil man davon ausgeht, dass das Risiko von Stoffwechsel- und Herzkreislauferkrankungen mit zunehmendem Übergewicht steigt.
Positiv steht es dagegen um die Entwicklung bei den Rauchgewohnheiten: Der Anteil der Raucher*innen ist in den letzten Jahren immer weiter zurückgegangen und betrug 2021 noch 18,9 %.
Gesundheitsmarkt
Die Gesundheitswirtschaft macht in allen Industriestaaten den größten Wirtschaftszweig aus. Relevante Treiber sind Innovationen im Bereich der Medizintechnik, der demografische Wandel mit steigender Lebenserwartung („Silver Society“) und der damit einhergehenden Zunahme von Erkrankungen und gesteigerten Nachfrage nach Präventionsmaßnahmen.
Mit einer hohen Nachfrage nach Gesundheitsdienstleistungen und -produkten, einer fortschrittlichen medizinischen Infrastruktur und einer strengen Regulierung nimmt Deutschland mittlerweile eine führende Rolle im europäischen Vergleich ein. Neben einer umfangreichen Grundversorgung zeichnet sich der deutsche Gesundheitsmarkt insbesondere durch die Entwicklung innovativer Hightech-Produkte sowie neuer Behandlungs- und Untersuchungsmethoden aus.
Deutsche Pharmaunternehmen haben eine lange Tradition in der Entwicklung innovativer Medikamente und sind weltweit führend in der Forschung und Entwicklung neuer Therapien. Als größter europäischer Markt bietet die Bundesrepublik mit sehr gut ausgebildeten Fachkräften und einer guten Infrastruktur zudem hervorragende Standortbedingungen für die Leistungserbringer und Unternehmen der Gesundheitswirtschaft.
Diese sorgt auch für eine konjunkturunabhängige und damit ökonomisch stabilisierende Nachfrage und ist Beschäftigungsmotor für die deutsche Wirtschaft insgesamt. So betrug 2021 die Bruttowertschöpfung im Kernbereich der Gesundheitswirtschaft 391,8 Milliarden Euro, was 12,1 % des Bruttoinlandsprodukts entspricht. Und der Sektor wächst – um jährlich 3,8 % in den letzten zehn Jahren.
Neben dem ersten Gesundheitsmarkt, der die klassische ambulante und stationäre Versorgung umfasst und größtenteils durch die Krankenversicherungen (gesetzlich und privat) übernommen wird, gibt es noch einen sogenannten zweiten Gesundheitsmarkt.
Darunter fallen alle Arzneimittel, die frei verkäuflich sind, Nahrungsergänzungsmittel, individuelle Gesundheitsleistungen, Functional Food, der Fitness- und Wellnessbereich und alles rund um das Thema gesundheitsfördernder Sport- und Freizeitaktivitäten. Parallel zum steigenden Gesundheitsbewusstsein in Deutschland nimmt auch die Zahlungsbereitschaft für diese „Selbstzahler“-Produkte generell zu.
Trends
Der demografische Wandel führt in Deutschland zu einer wachsenden Nachfrage nach Produkten und Dienstleistungen in Bezug auf Prävention. Die Menschen werden älter und wollen sich möglichst lange fit und vital fühlen: Stichwort „Best Ager“. Diese anspruchsvolle und konsumfreudige Kundengruppe der über 40- bzw. 50-Jährigen sorgt in vielen Bereichen für vielfältige Umsatz- und Wachstumschancen. Die Nachfrage ist konjunkturunabhängig stabil.
Nicht zuletzt seit der Coronapandemie ist auch die psychische Gesundheit stark in den Vordergrund gerückt. Alle Bereiche – von der Prävention durch Wellness und Selbstfürsorge bis hin zur Unterstützung und Behandlung durch Nahrungsergänzungsmittel, Naturheilkunde, Arzneimittel und Therapie – verzeichnen einen starken Zulauf. Galt man zu Beginn der Industrialisierung noch als gesund, wenn man arbeitsfähig war, liegt der Fokus heute auf einem ganzheitlichem Wohlbefinden. Arbeit und Karriere sind zwar weiterhin wichtig, aber die Menschen legen vermehrt Wert auf eine ausgewogene Work-Life-Balance und damit einen verstärkten Schwerpunkt auf ihre Freizeit.
Neben optimierten Arbeitsbedingungen und ergonomischeren Arbeitsplätzen (z. B. im Rahmen des betrieblichen Gesundheitsmanagements und „New Work“) stehen aber auch ganzheitliche Lifestylethemen wie Nachhaltigkeit und vegane Ernährung hoch im Kurs.
Immer beliebter werden auch Gesundheits-Apps und Tracking-Anwendungen – nicht zuletzt, um den steigenden Wunsch nach Selbstoptimierung zu erfüllen. Getrackt werden u. a. Schlafrhythmus, Kalorien, tägliche Schrittanzahl und vieles mehr. In Deutschland können sich Versicherte bestimmte Gesundheits-Apps auch auf Rezept verschreiben lassen. Damit nimmt es in Europa eine Vorreiterrolle ein und ermöglicht App-Entwicklern anderer Länder natürlich eine attraktive Gelegenheit, ihr Produkt in Deutschland zu vermarkten, um von diesem Recht zu profitieren.
Gesetzliche Rahmenbedingungen und Regularien
Der Gesundheitsmarkt ist in weiten Teilen staatlich reguliert. Forschung und Entwicklung sowie Zulassung und Vermarktung unterliegen mitunter sehr strengen Regeln, mit denen eine hohe Qualität und Sicherheit der Produkte und Dienstleistungen sichergestellt wird. In Deutschland ist hier das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) zuständig. Schwerpunkt der selbstständigen Bundesoberbehörde ist die Zulassung von Arzneimitteln auf der Grundlage des Arzneimittelgesetzes (AMG) und die Überwachung der Arzneimittelsicherheit, auch Pharmakovigilanz genannt. Auch die Erfassung und Bewertung der Risiken von Medizinprodukten fällt in ihren Zuständigkeitsbereich. Medizinprodukte sind Instrumente und Apparate, aber auch andere Gegenstände oder Apps mit medizinischer Zweckbestimmung, wie Röntgengeräte, Herzschrittmacher, Sehhilfen oder auch Kondome.
Die zuständige Behörde für die Bewertung und Zulassung von Impfstoffen, Sera, monoklonalen Antikörpern und weiteren besonderen Substanzklassen ist hingegen das Paul-Ehrlich-Institut (PEI).
Zu den relevanten gesetzlichen Bestimmungen die Vermarktung von Produkten in Deutschland zählt das Heilmittelwerbegesetz (HWG). Es gibt den rechtlichen Rahmen vor, in dem für Medizinprodukte, Arzneimittel und medizinische Dienstleistungen geworben werden darf. Man will dadurch verhindern, dass Menschen durch eine falsche Selbstmedikation oder Fehlentscheidungen in der Anwendung von Medizinprodukten zu Schaden kommen (Verbot irreführender Werbung). Insbesondere die Werbung gegenüber Laien unterliegt sehr spezifischen Beschränkungen. Hier spiegelt sich wieder, dass in Deutschland großer Wert auf das Thema Sicherheit gelegt wird.
Gesundheitsmarkt in der EU und international
In der EU liegt die Gesundheitspolitik zwar in der Zuständigkeit der einzelnen Mitgliedstaaten, auf EU-Ebene wird aber durch Richtlinien und Verordnungen ein Rahmen vorgegeben, der dann in Landesgesetze umgesetzt werden muss. Ein Beispiel ist die vielzitierte Medizinprodukteverordnung (Verordnung (EU) 2017/745), auch MDR genannt, die die Anforderungen für alle Medizinprodukte definiert, die im europäischen Binnenmarkt vertrieben werden. Grundlage dafür ist eine Konformitätserklärung.
Bei Arzneimitteln kann eine Zulassung auf Einzelstaatebene (in Deutschland durch das BfArM) nach den dort geltenden Gesetzen oder nach dem sogenannten „zentralen Zulassungsverfahren“ der EMA erfolgen. Das ermöglicht es einem Hersteller, mit einem einzigen Antrag die Zulassung in allen Mitgliedstaaten des europäischen Wirtschaftsraums (EU, Island und Norwegen) zu erhalten.
Internationalisierung
Durch die Internationalisierung können deutsche Krankenhäuser und Kliniken ihre Wettbewerbsfähigkeit erhöhen und sich als attraktive Dienstleister für Patient*innen aus dem Ausland positionieren. Der Austausch mit anderen Ländern, einschließlich der Übersetzung von wissenschaftlichen Publikationen und Schulungsunterlagen, ermöglicht es deutschen Ärzt*innen und medizinischen Einrichtungen, von den Erfahrungswerten und Best-Practices anderer Länder zu lernen und so die Behandlungsqualität insgesamt zu verbessern.
Meist werden in allen Phasen des Lebenszyklus von Medizinprodukten, Arzneimitteln, Nahrungsergänzungsmitteln sowie allgemeinen Health- und Lifestyle-Produkten auch Übersetzungen benötigt. Diese müssen sich stets nach dem Zielpublikum (Behörde, Fachpublikum, Laien) richten und spezifische Anforderungen der Textsorte erfüllen. Hierfür ist viel Sprachgefühl, Erfahrung und umfangreiche Fachkenntnis erforderlich.
Bei klinischen Studien schreibt beispielsweise die Verordnung (EU) Nr. 536/2014 (Clinical Trial Regulation, CTR) vor, dass laienverständliche Zusammenfassungen (Lay Language Summaries) in allen Sprachen der Mitgliedsstaaten auf dem gemeinsamen Server EUDAMED veröffentlicht werden müssen.
Von besonders sensibler Bedeutung sind auch zulassungsrelevante Unterlagen, die bei den Behörden eingereicht werden müssen. Dafür ist es unerlässlich, spezialisierte Fachübersetzer*innen einzusetzen, die mit der Thematik vertraut sind. Geschieht dies nicht, können Fehler die Zulassung und Markteinführung verzögern und im schlimmsten Fall die Sicherheit von Patient*innen gefährden.
Werden Verbraucher*innen und Patient*innen direkt angesprochen, z. B. in Informationsportalen, Broschüren, Social Media und Blogs, muss die Übersetzung aufklären, unnötigen Fachjargon vermeiden und häufig auch werblichen Ansprüchen genügen. Neben der Fachübersetzung kann es hier auch sinnvoll sein, eine freiere Transkreation zu beauftragen, die spezialisierte Übersetzer*innen basierend auf einem ausführlichen Briefing erstellen.
Was die wichtigsten Sprachen betrifft, so spricht die große Mehrheit der Bevölkerung Deutsch als Muttersprache (85 %). Weitere relevante Sprachen sind in Deutschland neben der Weltsprache Englisch noch insbesondere Russisch (mit bis zu drei Millionen Muttersprachlern), Türkisch (mit mehr als zwei Millionen Muttersprachlern) sowie Polnisch, Kurdisch, Italienisch, Griechisch, Arabisch, Niederländisch, Serbisch, Kroatisch, Spanisch und Rumänisch. Je nach Zielgruppe kann dies selbstverständlich noch weitere Sprachen umfassen (z. B. EU-Sprachen, Minderheitensprachen).
Fazit
Der Gesundheitsmarkt in Deutschland ist ein absoluter Wachstumsmarkt. Die Deutschen haben ein hohes Gesundheitsbewusstsein und eine starke Sehnsucht nach Sicherheit. Historisch bedingt gibt es auch eine hohe Angst vor staatlicher Überwachung, weshalb es digitale Anwendungen und Telemedizin noch schwer haben. Im langfristigen Trend kann man jedoch davon ausgehen, dass diese Bedenken immer mehr in den Hintergrund rücken werden. Insbesondere im Bereich Prävention und Best Aging besteht es hier großes Umsatzpotenzial.
In all diesen Bereichen des Gesundheitsmarktes ist es wichtig, dass Übersetzungen von qualifizierten Fachübersetzer*innen erstellt werden, die über umfassende Kenntnisse im medizinischen Bereich verfügen. Nur so kann sichergestellt werden, dass die Sicherheit nicht durch Übersetzungsfehler gefährdet wird und keine Haftungsrisiken entstehen. Eine zielsichere, fehlerfreie Kommunikation unterstreicht außerdem das Qualitätsbewusstsein des Unternehmens und steigert das Vertrauen von medizinischen Fachkräften, Patient*innen und Verbraucher*innen in die Marke: ein entscheidender Erfolgsfaktor im sensiblen Medizinbereich.
Quellen
- https://de.statista.com/statistik/daten/studie/187969/umfrage/anteil-der-haeufigsten-krankheitsarten-in-deutschland/
- https://www.destatis.de/DE/Presse/Pressemitteilungen/2018/10/PD18_416_12212.html
- https://www.destatis.de/DE/Themen/Gesellschaft-Umwelt/Gesundheit/Gesundheitszustand-Relevantes-Verhalten/Tabellen/liste-rauchverhalten.html#95630
- https://www.destatis.de/DE/Themen/Gesellschaft-Umwelt/Gesundheit/Gesundheitszustand-Relevantes-Verhalten/Tabellen/gesundheitszustand-selbsteinschaetzung.html
- https://www.bundesgesundheitsministerium.de/themen/gesundheitswesen/gesundheitswirtschaft/bedeutung-der-gesundheitswirtschaft.html
- https://www.bundesgesundheitsministerium.de/themen/gesundheitswesen/gesundheitswirtschaft/gesundheitswirtschaft-im-ueberblick.html
- https://www.bundesgesundheitsministerium.de/service-benutzerhinweise/behoerden-im-geschaeftsbereich/bundesinstitut-fuer-arzneimittel-und-medizinprodukt.html
- https://www.progenerika.de/glossar/bundesinstitut-fuer-arzneimittel-und-medizinprodukte/
- https://www.bundesgesundheitsministerium.de/themen/internationale-gesundheitspolitik/global/who.html
- https://www.aerzteblatt.de/nachrichten/118657/WHO-gibt-neue-Aktivitaetsempfehlungen-heraus-fuer-die-Gesundheit-zaehlt-jede-Bewegung
- https://www.bfarm.de/DE/Arzneimittel/Zulassung/Zulassungsverfahren/Zentralisiertes-Verfahren/_node.html
- https://health.ec.europa.eu/system/files/2020-02/2017_01_26_summaries_of_ct_results_for_laypersons_0.pdf
- https://www.zukunftsinstitut.de/dossier/megatrend-gesundheit/
- https://www.destatis.de/DE/Themen/Gesellschaft-Umwelt/Bevoelkerung/Sterbefaelle-Lebenserwartung/_inhalt.html
- https://mediendienst-integration.de/integration/mehrsprachigkeit.html
- https://www.rebmann-research.de/zweiter-gesundheitsmarkt-auf-der-ueberholspur
Autor: Eurotext Redaktion
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