In einer Zeit, in der die Gleichstellung der Geschlechter immer mehr in den Vordergrund rückt, wird auch über den Einfluss der Sprache auf die Wahrnehmung von Geschlechterrollen diskutiert. Wie im deutschsprachigen Raum wird auch in anderen Sprachen kontrovers über einen geschlechtergerechten Sprachgebrauch diskutiert. Dieser Beitrag wirft einen detaillierten Blick auf die aktuellen Diskussionen und Entwicklungen zum geschlechtergerechten Sprachgebrauch im Spanischen. Dabei werden nicht nur die Vor- und Nachteile der verschiedenen Varianten beleuchtet, sondern auch ihre Anwendbarkeit im E-Commerce und bei professionellen Übersetzungen thematisiert.

Gesellschaftliche Diskussion im spanischsprachigen Raum

Die kontroverse Debatte über die Einführung und Umsetzung eines geschlechtergerechten Sprachgebrauchs in der spanischen Sprache spiegelt unterschiedliche Meinungen wider. Zwischen den Befürwortenden eines inklusiven Sprachgebrauchs als Mittel zur Gleichberechtigung und der kritischen Opposition, die diesen Ansatz als unnötigen Eingriff in die Sprache betrachtet, findet seit Jahren eine komplexe Diskussion statt. Eine entscheidende Rolle in dieser Debatte spielt die Real Academia Española (Königliche Spanische Akademie), kurz RAE, eine staatliche Institution zur Normierung und Regulierung der spanischen Sprache, vergleichbar mit dem Duden in Deutschland. Die RAE reagierte kritisch auf die wachsende Zahl von Leitfäden zum inklusiven Sprachgebrauch und sprach sich für die Bewahrung des generischen Maskulinums aus. Gegenstimmen, vor allem aus feministischen Kreisen, verurteilten die konservative Haltung der RAE und betonten, dass Sprache ein lebendiges, kulturelles, von Menschen gemachtes Konstrukt sei, das sich den Bedürfnissen der Menschen, die es benutzen, anpassen und die soziale Realität widerspiegeln müsse.

Die politische Situation in Spanien darf in dieser Debatte nicht außer Acht gelassen werden. In den letzten Jahren wurde das Land von einer linksgerichteten Regierung geführt, die durch das Ministerium für Gleichberechtigung zahlreiche Maßnahmen zur Förderung der Gleichberechtigung und des Respekts vor der Vielfalt ergriffen hat. Die Rechtslage bezüglich des inklusiven Sprachgebrauchs in Spanien wird durch verschiedene Rechtsinstrumente geregelt. Insbesondere das Organgesetz 3/200, Artikel 14.11. und der III. Plan für die Gleichstellung von Frauen und Männern in der allgemeinen Staatsverwaltung fördern die Verwendung inklusiver und nicht diskriminierender Ausdrücke in der Staatsverwaltung, der Gesetzgebung und der öffentlichen Politik. Die öffentlichen Verwaltungen in Spanien werden ermutigt, praktische Leitfäden für eine geschlechtergerechte Sprache zu entwickeln und diese als gute Praxis in allen veröffentlichten Dokumenten zu fördern und zu gewährleisten. Im Folgenden werden einige Methoden des geschlechtergerechten Sprachgebrauchs im Spanischen vorgestellt und ihre Vor- und Nachteile analysiert, insbesondere im Hinblick auf die Umsetzung im E-Commerce und bei Fachübersetzungen.

Formen des geschlechtergerechten Sprachgebrauchs

Während der geschlechtergerechte Sprachgebrauch im Deutschen allgemein unter dem Begriff „Gendern“ bekannt ist, wird im Spanischen vor allem der Begriff „Nicht-sexistischer Sprachgebrauch“ (lenguaje no sexista) oder „inklusiver Sprachgebrauch“ (lenguaje inclusivo) verwendet. Ähnlich wie im Deutschen ist der am häufigsten kritisierte Sprachgebrauch die Verwendung des generischen Maskulinums, eine Form des sprachlichen Ausdrucks, bei der die grammatikalisch männliche Form (z.B. “Leser”) verwendet wird, um sich auf eine Leserschaft jeglichen Geschlechts zu beziehen. Mehr zu diesem Phänomen und was genau daran kritisiert wird, haben wir bereits in diesem Blogbeitrag behandelt. Um das generische Maskulinum zu vermeiden, kann man auf Bezeichnungen zurückgreifen, die das Geschlecht explizit berücksichtigen, und auf solche, die geschlechtsneutral sind.

Geschlecht berücksichtigende Bezeichnungen: Vor- und Nachteile

Eine Form, das Geschlecht von Personen anzugeben, ist die doppelte Nennung der weiblichen und männlichen Form (desdoblamientos), bei der bewusst und explizit die weibliche und die männliche Form genannt wird, z.B. “funcionarias y funcionarios” (“Beamtinnen und Beamte”). Diese Form ermöglicht eine transparente Darstellung der geschlechtlichen Vielfalt im Beschäftigungskontext, wobei darauf zu achten ist, dass die Reihenfolge gewechselt wird, so dass nicht immer zuerst die männliche und dann die weibliche Form genannt wird. Ein Hauptkritikpunkt ist die Komplexität, Länge und mögliche Beeinträchtigung des Sprachflusses. Die Verwendung von Doppelformen kann als umständlich empfunden werden und erweist sich insbesondere in Texten mit Längenbegrenzung als schwierig.

Eine andere, ökonomischere Form ist die Verwendung von Schrägstrichen, was besonders bei Formularen mit begrenztem Platz sinnvoll ist. Beispiele hierfür sind “D./Dña.” (“Herr/Frau”) oder “La/el firmante” (“Der/die Unterzeichnende”). Alternativ kann das Zeichen @ als Platzhalter verwendet werden, möglich aufgrund der grammatikalischen Struktur der spanischen Sprache, in der männliche und weibliche Formen durch “o” und “a” unterschieden werden und das @ beiden Buchstaben ähnlich ist. So werden “alumnos” (“die Schüler”, m.) und “alumnas” (“die Schülerinnen”, w.) im inklusiven Sprachgebrauch zu “alumn@s”. Die erste Form wird auch in offiziellen Dokumenten verwendet, während die zweite Form eher im informellen Sprachgebrauch, z.B. in sozialen Netzwerken und Foren, verwendet wird. Kritikpunkte sind vor allem der Lesefluss und die Ästhetik des Textes, der durch die Einfügung von Zeichen unterbrochen wird. Des Weiteren können diese Formen von manchen Menschen als unvollständig empfunden werden, da sie sich häufig auf die binäre Unterscheidung zwischen männlich und weiblich beschränken, was der Vielfalt geschlechtlicher Identitäten möglicherweise nicht ausreichend Rechnung trägt.

Formen, die explizit versuchen, die Beschränkungen traditioneller Sprachformen, die oft auf der binären Unterscheidung zwischen männlichem und weiblichem Geschlecht beruhen, zu überwinden, sind die Verwendung der Buchstaben „x“ oder „e“ anstelle des grammatikalisch männlichen „o“. So werden aus “alumnos” entweder “alumnxs” oder “alumnes”. Ziel ist es, allen Geschlechtsidentitäten Raum zu geben, ohne das Geschlecht der genannten Personen zu spezifizieren, und die Vielfalt der Geschlechtsidentitäten jenseits binärer Kategorien anzuerkennen und zu respektieren. Diese Verwendung steht im Einklang mit den Bemühungen um Gender-Zeichen in der deutschen Sprache. Insbesondere die Verwendung des Buchstabens „e“ wird befürwortet, da durch den Austausch eines Vokals die Lesbarkeit und Aussprechbarkeit erhalten bleibt und gleichzeitig mit der historischen Sprachtradition gebrochen wird. Einige halten diese Praxis für problematisch, da sie die Lesbarkeit und das Verständnis des Textes beeinträchtigen könnte, da sie nicht den traditionellen grammatikalischen Regeln folgt.

Geschlechtsneutrale Bezeichnungen: Vor- und Nachteile

Es ist auch möglich, geschlechtsneutral zu formulieren, indem geschlechtsneutrale Begriffe verwendet werden, die jeglichen Geschlechts sein können und sich sowohl auf eine Person im Singular als auch auf mehrere Personen im Plural beziehen können (spanischer Fachbegriff: sustantivos epicenos). Beispiele sind “persona” (“Person”), “ser humano” (“Mensch”), “criatura” (“Kind”). Eine weitere Möglichkeit ist die Verwendung von Sachbezeichnungen für Kollektive (sustantivos colectivos), einschließlich Berufe wie z.B. “profesorado” (“Lehrerschaft”), statt „profesores“ (“Lehrer”) oder “alumnado” (“Schülerschaft”) statt „alumnos“ (“Schüler”). In diesem Stil ist es auch möglich abstrakte Substantive (sustantivos abstractos) zu verwenden, um sich auf Ämter oder Titel zu beziehen, anstatt die Personen zu nennen, die sie innehaben: „dirección” (“Leitung”), “administración” (“Verwaltung”) oder “secretaría” (“Sekretariat”).

Eine andere Form ist die Umschreibung, bei der nominale Gruppen es ermöglichen, sich auf Personengruppen zu beziehen, ohne das Geschlecht anzugeben: “comunidad educativa” (“Bildungsgemeinschaft”) und “personal docente e investigador” (“Lehr- und Forschungspersonal”). Es ist auch möglich, generische Aussagen durch das unpersönliche Passiv (estructuras de impersonalización) oder durch die Verwendung des Infinitivs und des Gerundiums zu umschreiben, wie z.B. “Se debe firmar la solicitud” (“Der Antrag muss unterschrieben werden”). Ebenso können die unveränderlichen Indefinitpronomen (pronombres indefinidos) „nadie“, „cada“, „alguien“ sowie das Relativpronomen „quien“ verwendet werden, da bei ihrer Verwendung keine Geschlechtsangabe erforderlich ist („Hay quienes opinan“ statt „Hay algunos que opinan“).

Es wird kritisiert, dass geschlechtsneutrale Formen, die auf die Angabe des Geschlechts verzichten, zu Informationsverlust und Verwirrung führen können, insbesondere in Kontexten, in denen das Geschlecht relevant ist. Weitere Bedenken beziehen sich auf die mögliche Einschränkung der Vielfalt bei der Darstellung von Geschlechtsidentitäten und -erfahrungen, was in der Gleichstellungsdebatte kontraproduktiv sein könnte. Auch könnte sich die konsequente Verwendung geschlechtsneutraler Formen in der Praxis als schwierig erweisen, was dazu führen könnte, dass auf bekannte Formen zurückgegriffen wird, um Missverständnisse zu vermeiden. Positive Stimmen betonen, dass geschlechtsneutrale Formen zu einer inklusiveren Sprache beitragen und eine breitere Zielgruppe ansprechen, ohne bestimmte Geschlechter zu bevorzugen oder zu vernachlässigen. Im E-Commerce kann dies zu einer höheren Akzeptanz und Identifikation innerhalb einer vielfältigen Kundschaft führen. Die praktische Umsetzung erfordert ein gewisses Maß an Sensibilität, Kreativität und bewusster Wortwahl, kann aber von erfahrenen Fachübersetzenden gekonnt umgesetzt werden. Der Prozess der Geschlechtsneutralität ist nicht notwendigerweise kompliziert oder umständlich, sondern eher eine Anpassung an neue sprachliche Konventionen, bei der zwischen der Wahrung der Integrität des Textes und der Förderung geschlechtsneutraler Sprachgewohnheiten abgewogen werden muss.

Im E-Commerce und bei Übersetzungen sind geschlechtsneutrale Formulierungen empfehlenswert, da sie weniger auffällig, grammatikalisch korrekt und platzsparend sind und gleichzeitig inklusiver und respektvoller. Die konsequente Verwendung geschlechtergerechter Formulierungen sollte bereits bei der Texterstellung im Online-Shop berücksichtigt werden, um eine nahtlose Übersetzung zu ermöglichen. Trotz des Mehraufwands können positive Rückmeldungen und ein verbessertes Unternehmensimage den Aufwand für E-Commerce und Übersetzung rechtfertigen. Auf die spezifischen Aspekte, die im E-Commerce und in der Übersetzung zu beachten sind, wenn es um die Verwendung geschlechtergerechter Sprache im Allgemeinen geht, wurde hier bereits eingegangen.

Fazit

Das Thema geschlechtergerechte Sprache und ihre Umsetzung insbesondere in der öffentlichen Verwaltung ist im Spanischen von großer Relevanz. Zahlreiche Leitfäden zur inklusiven Sprache, die sowohl vom Staat als auch von den Comunidades Autónomas (vergleichbar mit den Bundesländern) aufgrund gesetzlicher Vorgaben herausgegeben werden, bieten eine schnelle Orientierung über verschiedene Formen des geschlechtergerechten Sprachgebrauchs. Darüber hinaus nutzen einige öffentliche Einrichtungen und private Unternehmen Softwarelösungen, die auf künstlicher Intelligenz basieren, wie z.B. THEMIS. Diese Programme erkennen nicht inklusive Sprachformen und schlagen alternative Formulierungen vor. Diese Implementierungen zeigen das Engagement im spanischen Sprachraum, auch wenn es gleichzeitig kritische Stimmen gibt, insbesondere von Seiten der einflussreichen RAE.

Dabei ist zu berücksichtigen, dass der spanische Sprachraum aufgrund verschiedener historischer und soziokultureller Einflüsse äußerst vielfältig ist. So wie sich das Spanisch in Spanien von dem in Argentinien unterscheidet und erhebliche Variationen aufweist, gibt es auch erhebliche Unterschiede in der politischen Situation und der Einstellung zum inklusiven Sprachgebrauch in den einzelnen Ländern. Ein Beispiel hierfür ist das Verbot der Verwendung des @-Zeichens sowie der Buchstaben „x“ und „e“ („alumn@s“, „alumnxs“, „alumnes“ statt „alumnos“) an Schulen in Buenos Aires, Argentinien. Die Akzeptanz dieser sprachlichen Veränderung ist auch in den verschiedenen lateinamerikanischen Ländern unterschiedlich und kann von der Bevölkerung sogar als störend empfunden werden. Für eine exakte Übersetzung ist es daher ratsam, immer Personen hinzuzuziehen, die mit dem jeweiligen Land und der Sprachvariante vertraut sind, die sowohl die politische Situation als auch die sprachlichen Konventionen kennen und über die Kompetenz verfügen, kreativ mit Sprache umzugehen.



Quellen

 


autor_eurotext_100Autor: Eurotext Redaktion

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