Die Debatte um das Gendern, also der Versuch, die Sprache geschlechtergerechter zu gestalten, hat weltweit an Bedeutung gewonnen. Die Umsetzung in verschiedenen Sprachen kann Unternehmen jedoch vor Herausforderungen stellen. Gerade im E-Commerce, wo es darum geht, die Wünsche der Kundschaft bestmöglich zu erfüllen, ist die Frage nach einem inklusiven Sprachgebrauch, der die Individualität jedes Menschen in den Mittelpunkt stellt, besonders relevant. Auch in Polen wurde in den letzten Jahren darüber diskutiert, wie Geschlechtergerechtigkeit in der Sprache aussehen kann, ob sie im komplexen Sprachsystem des Polnischen überhaupt möglich und notwendig ist. Dieser Blogbeitrag stellt die verschiedenen Ansätze vor, die sich im Polnischen in Bezug auf Gender und Sprache entwickelt haben, und beleuchtet ihre jeweiligen Vor- und Nachteile.
Gesellschaftliche Debatte in Polen
In Polen ist die Frage, ob und wie gegendert werden kann, von der politischen und gesellschaftlichen Situation geprägt. Das Land befindet sich in einem Spannungsfeld zwischen traditionellen Werten und modernen, progressiven Ansätzen, was sich auch in der Sprachpolitik widerspiegelt. Während feministische und LGBTQ+-Gruppen sowie einige Zeitungen und Stadtverwaltungen die Umsetzung eines Sprachgebrauchs unterstützen, der Frauen und/oder nicht-binäre Menschen sichtbar macht, gibt es auch starken Widerstand von konservativen Kräften wie der katholischen Kirche, die die sprachliche Tradition des generischen Maskulinums als ausreichenden Standard für alle betrachten.
Beide Positionen machen deutlich, dass es sich bei der Diskussion um das Gendern auch um eine politische, stark ideologisch aufgeladene Debatte handeln kann, die durch das komplexe Genus-System des Polnischen zusätzlich erschwert wird. Im Folgenden soll daher versucht werden, die relevanten sprachlichen Aspekte im Polnischen, die von einer Änderung betroffen wären, sowie die Vor- und Nachteile ihrer praktischen Umsetzung im E-Commerce und in der Übersetzung aufzuzeigen.
Weibliche Personenbezeichnungen
Während es im deutschen Sprachgebrauch völlig normal ist, eine Frau mit einer weiblichen Personenbezeichnung anzusprechen, also z.B. “Lehrerin” oder “Direktorin”, und diese auch einfach durch Anhängen der Silbe “-in” gebildet werden können, ist dies im Polnischen anders. Dort gibt es viele weibliche Formen von Personen- und Berufsbezeichnungen nicht, was sowohl historische als auch sprachliche Gründe hat. Während es bis zum Ersten Weltkrieg die Norm war, weibliche Berufsbezeichnungen und den Familiennamen in weiblicher Form zu bilden, und die Verwendung männlicher Formen für Frauen damals auf Empörung stieß, änderte sich dies mit dem Wandel der gesellschaftlichen Werte und des Frauenbildes. Mit dem Eintritt der Frauen in das Berufsleben übernahmen viele die männliche Berufsform als Zeichen der Emanzipation und Gleichberechtigung. Nach und nach wurde die Verwendung der weiblichen Form aufgegeben, und auch heute noch wählen viele Frauen die männliche Form ihrer Berufsbezeichnung, weil sie ihnen mehr Prestige und Seriosität verleihe. Seit 1990 wird diese sprachliche Praxis im Polnischen wieder genauer unter die Lupe genommen, da sie von einigen als Diskriminierung empfunden wird.
Denn Polnisch ist keine geschlechtsneutrale Sprache wie das Englische, sondern historische Ungleichheiten im Berufsleben haben dazu geführt, dass es in prestigeträchtigen Berufen oft einfach keine weiblichen Formen gibt. Während traditionell von Frauen dominierte Berufe weibliche Bezeichnungen haben – z.B. „kucharka“ (Köchin), wird in prestigeträchtigeren Berufen wie „dyrektor“ (“Direktor”), „profesor“ (“Professor”) oft nur die männliche Form für Frauen verwendet, dann oft in Kombination mit „pani“ (“Frau”), z.B. „pani dyrektor“ (“Direktorin”), um das weibliche Geschlecht zu bezeichnen. Im tatsächlichen Sprachgebrauch werden häufig keine weiblichen Formen gebildet, auch wenn dies möglich wäre, oder die vorhandenen Formen bleiben meist ungenutzt. Gegenwärtig verwenden in Polen einige Personen die männliche Form und andere die weibliche Form, um Frauen zu bezeichnen.
Die Bildung weiblicher Berufsbezeichnungen ist im Polnischen aufgrund der komplexen Grammatik außerdem schwieriger als in anderen Sprachen. Es gibt mehrere Suffixe, wie “-ka”, “-ini/-yni”, “-ica/-yca” und “-owa”, die für weibliche Personenbezeichnungen verwendet werden. Viele dieser Suffixe sind außerdem multifunktional: Das Anhängen des Suffix “-ka” kann zum einen eine Verweiblichung andeuten, sowie auch eine Verniedlichung. Somit klingen weibliche Personenbezeichnung mit -ka oftmals nicht seriös, zum Beispiel wirkt “Profesorka” eher wie “Professorchen” statt “Professorin”. Bei vielen Wörtern führt die Anfügung der weiblichen Endung außerdem zu gleichlautenden Wörtern mit unterschiedlicher Bedeutung. Denn viele Begriffe, die durch Anhängen verschiedener Silben feminisiert werden könnten, sind bereits anderweitig belegt. Zum Beispiel ergibt das Anhängen von “-ka” an die männliche Form „pilot“ das Wort „pilotka“, das zwar “Pilotin” meinen kann, vor allem aber mit „Fliegerhaube“ assoziiert wird. Diese Wörter existierten bereits, bevor das Bedürfnis nach weiblichen Bezeichnungen für Berufe, die bisher nur von Männern ausgeübt wurden, aufkam. Solche Fälle, in denen die potentiell weibliche Bezeichnung eine andere Bedeutung hat, können zu Verwechslungen führen und erschweren die Akzeptanz und konsequente Verwendung der weiblichen Form. Diejenigen, die die Verwendung der weiblichen Form befürworten, argumentieren jedoch, dass der Kontext oft Missverständnisse vermeidet und dass sich die Verwendung der weiblichen Form mit der Zeit etablieren könnte.
Die Bildung der weiblichen Form von Personenbezeichnungen ist daher nicht allgemein üblich und wird in herkömmlichen Wörterbüchern oft nicht erwähnt. Spezialwörterbücher wie das “Słownik nazw żeńskich polszczyzny” von 2015 versuchen, diese Lücke zu schließen, indem sie eine umfassende Liste weiblicher Bezeichnungen bereitstellen. Neben etablierten weiblichen Personenbezeichnungen enthält das Wörterbuch zahlreiche Neologismen, die in den Medien, feministischen Zeitschriften, öffentlichen Debatten oder Internetquellen diskutiert werden. 2019 hat der polnische Sprachrat eine Erklärung veröffentlicht, in der die Notwendigkeit betont wird, eine größere Symmetrie zwischen männlichen und weiblichen Personenbezeichnungen im Wortschatz zu erreichen. Bislang werden weibliche Bezeichnungen häufiger in journalistischen Texten verwendet, während sie in offiziellen, juristischen oder wissenschaftlichen Dokumenten selten sind. Die weitere Entwicklung dieser Bezeichnungen wird zeigen, wie die polnische Sprachgemeinschaft in Zukunft darüber denkt und was sie als normativ akzeptiert.
Formen eines geschlechtergerechteren Sprachgebrauchs
Neben der Verwendung männlicher Berufsbezeichnungen für Frauen ist im Polnischen auch die damit eng verbundene Praxis des generischen Maskulinums die Norm, bei der für Personen, deren biologisches Geschlecht nicht bekannt oder irrelevant ist, sowie für gemischtgeschlechtliche Gruppen (mindestens ein Mann) die männliche Form universalisierend für alle verwendet wird. Während die einen diese Tradition als geschlechtsneutral interpretieren und mit dem Maskulinum tatsächlich sowohl Frauen als auch Männer assoziieren, sehen kritische Stimmen in dieser Form eine sprachliche Diskriminierung, die Frauen unsichtbar macht, psychologische Folgen mit sich bringt und traditionelle Rollenstereotype verfestigt. Zur Vermeidung des generischen Maskulinums gibt es verschiedene Ansätze, die jeweils ihre Vor- und Nachteile haben. Im E-Commerce, wo Präzision und Effizienz besonders wichtig sind, muss die Wahl der richtigen Strategie sorgfältig abgewogen werden. Neben der Verwendung des generischen Maskulinums kann je nach Art, Stil und Länge des Dokuments zwischen geschlechtsspezifischen und geschlechtsneutralen Alternativen gewählt werden.
Geschlechtsspezifische Formen: Vor- und Nachteile
Möchte man aus Gründen der Sichtbarkeit das Geschlecht aller Angesprochenen in einer Gruppe explizit hervorheben, so kann die weibliche Form gemeinsam mit der männlichen Form genannt werden, wie z.B. bei „studenci i studentki“ (“die Studenten, die Studentinnen”). Dies ist besonders hilfreich bei Wörtern, bei denen die weibliche Form bekannt ist oder auch bei Neuschöpfungen, wo der Kontext die Bedeutung klar macht. Alternativ können männliche und weibliche Formen durch einen Schrägstrich getrennt werden, z.B. „kandydat/kandydatka“, oder durch Klammern eingegrenzt, z.B. „kandydat(ka)“, „kandydaci(-datki)“. Diese Praxis, auch als „Splitting“ bekannt, eignet sich vor allem für Formulare, während sie in Fließtexten aufgrund des Platzes und des Leseflusses weniger ideal ist.
Erschwert werden kann diese Alternative in längeren und komplexeren Sätzen. Denn Polnisch, wie andere slawische Sprachen, ist flektierend, was bedeutet, dass sich die grammatischen Formen je nach Satzstruktur ändern. Dies betrifft nicht nur das Geschlecht von Subjekten, sondern auch die Endungen von Adjektiven und Verben. Angesichts der sieben Fälle im Polnischen wäre eine konsequente Nutzung beider Geschlechter sprachlich herausfordernd und könnte Texte erheblich verlängern sowie umständlicher machen als die Verwendung des generischen Maskulinums.
Nicht-binäre Formulierungen
Diese Alternative wird auch von der LGBTQ+-Gemeinschaft kritisiert, da keine wirkliche Sichtbarkeit aller Geschlechter gegeben ist, da nur die männliche und weibliche Form genannt wird und somit nicht-binäre Personen ausgeschlossen werden bzw. unsichtbar bleiben. In der schriftlichen Kommunikation können daher Sonderzeichen wie der Unterstrich (_), das Sternchen (*) oder auch der Buchstabe x verwendet werden, um das generische Maskulinum zu vermeiden und explizit auf nicht-binäre Geschlechtsidentitäten zu verweisen, z.B. „Zapomniałxm hasła“ oder „Zapomniał_m hasła“ statt „Zapomniałem“ (“Ich vergaß” (mask.)) oder „Zapomniałam“ (“Ich vergaß” (fem.)).
In der nicht-binären Community wird außerdem diskutiert, das neutrale Geschlecht im Polnischen für Personen zu nutzen, obwohl es traditionell für Dinge und abstrakte Konzepte verwendet wird. Diese Praxis ist noch wenig verbreitet und kann auf Widerstand stoßen, obwohl einige nicht-binäre Personen sie zur Selbstbezeichnung unterstützen. Die Diskussion um nicht-binäre Ausdrücke in der Sprache wirft verschiedene Probleme auf, die oft auf Gewohnheit und Ablehnung zurückgeführt werden. Eine allgemein akzeptierte Lösung steht noch aus, während die Sichtbarmachung nicht-binärer Identitäten im Polnischen weiterhin diskutiert wird.
Geschlechtsneutrale Formulierungen: Vor- und Nachteile
Einige nicht-binäre Menschen ziehen es vor, geschlechtsneutrale Formen zu verwenden, bei denen die Angabe des Geschlechts vermieden wird, anstatt explizit binäre oder nicht-binäre Formen zu verwenden. Diese Formulierungen können auch allgemein als Alternative zum generischen Maskulinum verwendet werden.
Eine Möglichkeit ist die Verwendung des Wortes Person („osoba“), wie in „Tylko osoba wypowiadająca się może zdecydować, czy wypowiedź ma charakter oficjalny“ statt „tylko wypowiadający się“. Eine weitere Methode ist die Verwendung von Sammelbegriffen bzw. Kollektivnomen, z.B. „personel“ oder „kadry“ (“Personal”) statt „pracownicy“ (“Mitarbeiter”), „kadry zarządzającej“ (wörtlich: “leitendes Personal”, d.h. “Führungskräfte”) statt „menedżerów“ (“Manager”).
Geschlechtsneutralität kann auch durch Umformulierung hergestellt werden, je nach Kontext bietet sich der Befehlsmodus an (“Proszę wypełnić ankietę” statt “kandydat powinien wypełnić ankietę”), die erste Person Plural oder zweite Person Singular oder Plural, besonders geeignet in Social Media, da es sich um eine direkte Kundenansprache handelt: “Czy chcesz do nas dołączyć? Auch Passivkonstruktionen, die unpersönliche Formulierungen erfordern, sind geeignet, wie in „Należy wypełnić ankietę“ (“Ein Fragebogen soll ausgefüllt werden”) statt „kandydat powinien wypełnić ankietę“ (“Der Kandidat soll den Fragebogen ausfüllen”). Daneben gibt es noch viele andere Formen, wie z.B. die Verwendung des Infinitiv Futur, der Partizipien oder auch des Altpolnischen, die zeigen, wie ein kreativer Umgang mit den bestehenden Sprachregeln Geschlechtsneutralität erzeugen kann.
Vorteile dieser Formulierungen sind, dass sich alle Menschen gleichermaßen vertreten und angesprochen fühlen können, was insbesondere im E-Commerce für die Gewinnung und Bindung der Kundschaft wichtig ist. Außerdem bedienen sich diese Alternativen bereits bestehender sprachlicher Konventionen, sind daher für alle verständlich und stoßen möglicherweise auf weniger Widerstand als explizit gegenderte Formen wie die doppelte Nennung weiblicher und männlicher Formen oder Gender-Zeichen. Die geschlechtsneutralen Formulierungen zeigen, dass es durchaus Alternativen zum generischen Maskulinum gibt, wenn dieses vermieden und eine Sprache geschaffen werden soll, die inklusiver und geschlechtergerechter ist. Aber auch diese Alternative birgt ihre Schwierigkeiten, allen voran die Anpassungsfähigkeit der formulierenden Person: Oft geht die Verwendung des generischen Maskulinums einfach leichter von der Zunge, was viel mit Gewöhnung zu tun hat. Außerdem kann es anfangs notwendig sein, kreativer mit der Sprache umzugehen, um sie so neutral wie möglich zu gestalten, was vor allem durch die Sprachstruktur des Polnischen erschwert wird.
Fazit
Die Entscheidung für oder gegen die Einführung der vorgestellten Alternativen im E-Commerce und in der Übersetzung mit dem Ziel der Herstellung von Geschlechtergerechtigkeit und Inklusion hängt von vielen Faktoren ab, unter anderem von der Ausgangs- und Zielsprache, der sozialen und politischen Situation im jeweiligen Land sowie von praktischen Erwägungen hinsichtlich Textlänge und Lesbarkeit. In Polen spielt das generische Maskulinum eine dominierende Rolle, aber die zunehmende gesellschaftliche Debatte führt zu einer wachsenden Akzeptanz alternativer Formen. Unternehmen, die im E-Commerce tätig sind, sollten sorgfältig abwägen, welche Methode am besten zu ihren Zielen und ihrer Zielgruppe passt.
Zusammenfassend lässt sich sagen, dass die Einführung einer geschlechtergerechten Sprache im polnischen E-Commerce möglich ist, aber sowohl Herausforderungen als auch Chancen bietet. Mit den richtigen Strategien und einem klaren Verständnis der Zielgruppe können Unternehmen inklusiver und zeitgemäßer kommunizieren, ohne die Effizienz und Lesbarkeit ihrer Texte zu beeinträchtigen. Es empfiehlt sich, bei der Übersetzung immer eine Fachkraft hinzuzuziehen, der mit den gängigen sprachlichen Konventionen und modernen Alternativen vertraut ist und die Fähigkeit besitzt, kreativ mit Sprache umzugehen.
Quellen
- Dargiewicz, Anna (2021). Ist das Polnische eine geschlechtergerechte Sprache? Zur Movierung im Polnischen in PRACE JĘZYKOZNAWCZE XXIII/1 S. 179–198.
- https://diuna.biz/jezyk-inkluzywny-czyli-wrazliwy-na-plec-jak-go-stosowac/
- https://dominikhaak.pl/niebinarnosc-oraz-jezyk-neutralny-plciowo/?fbclid=IwAR2mXhdV9N94WONEOG8f9j6mG4_ZnSHugvzKDkJvfwUQP_QbaDBJC078G
- https://etykajezyka.pl/etyka-jezykowa-i-komunikacja-niedyskryminacyjna/
- https://etykajezyka.pl/jak-mowic-i-pisac-o-kobietach/
- https://zaimki.pl/manifest
- https://zaimki.pl/unikanie
- INKLUZYWNA KOMUNIKACJA W SEKRETARIACIE GENERALNYM RADY (2018) Rada Unii Europejskiej Sekretariat Generalny Rady.
- Rytel-Schwarz, Danuta (2022). Gender(un)gerechtigkeit. Drei Sprachen, drei Perspektiven (Deutsch, Tschechisch, Polnisch). 205-222. Gender Studies im Dialog. Transcript Verlag.
Autor: Eurotext Redaktion
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