Seit vielen Jahren leidet das polnische Gesundheitssystem unter einer geringen öffentlichen Finanzierung. Dies spiegelt sich in Personalknappheit und Zugangsproblemen wie langen Wartezeiten und hohen Zuzahlungen wider. Aber das soll sich jetzt ändern: Dank gezielten nationalen Initiativen und EU-weiten Förderprogrammen können sich nicht nur Patient*innen freuen, auch Hersteller von Medizintechnik und Pharmaprodukten erwarten spannende neue Absatzmöglichkeiten.

Bevölkerung

Mit rund 38 Millionen Einwohnern zählt Polen zu den bevölkerungsreichsten Ländern in Europa. Im Vergleich zu Deutschland ist die Bevölkerung relativ jung: 2022 waren nur etwa 18,6 % über 65 Jahre alt (22,1 % in Deutschland). Die Lebenserwartung ist dagegen etwas geringer. Im Jahr 2023 lag sie unter den polnischen Bürger*innen bei 79,3 Jahren, während die Deutschen 81,9 Jahre erreichten.

Verschiedene Faktoren spielen dabei eine Rolle: Knapp die Hälfte aller Todesfälle in Polen lässt sich beispielsweise auf verhaltensbedingte Faktoren wie Rauchen, übermäßiger Alkoholkonsum und Bewegungsmangel zurückführen. Außerdem ist fast jede*r fünfte Erwachsene in Polen heute fettleibig – ein höherer Anteil als im Rest der EU.

Auch wurden in den letzten 20 Jahren Maßnahmen zur Eindämmung des Alkoholkonsums eher abgeschwächt: 2001 wurde das Bierwerbeverbot aufgehoben und die Konsumsteuer für Spirituosen wurde um 30 % gesenkt. Das Programm zur Reduzierung des Tabakkonsums wurde ebenfalls eingestellt und die jährlichen Steuererhöhungen für Tabakprodukte wurden ausgesetzt. Seit Januar 2021 wird hingegen auf zuckerhaltige Getränke eine „Zuckersteuer“ erhoben. Die dadurch generierten Steuereinnahmen fließen dann in die Bekämpfung und Behandlung von Adipositas.

Rund 39 % der polnischen Erwachsenen gaben 2019 an, mindestens eine chronische Erkrankung zu haben, was einem etwas niedrigeren Anteil als in Deutschland (45 %) entspricht. Dieser Prozentsatz steigt bei der polnischen Bürger*innen über 65 Jahren auf 70 %. Die häufigsten Todesursachen waren (vor der Coronapandemie) ischämische Herzkrankheit, Schlaganfall und Lungenkrebs.

Trotz insgesamt niedrigerer Krebsinzidenzraten im Vergleich zum Durchschnitt in der EU sind die Sterblichkeitsraten bei Männern um 30 % und bei Frauen um 25 % höher, was auf Probleme bei der rechtzeitigen Diagnose und Behandlung hindeutet. 2021 waren die häufigsten Krebsarten bei Männer Lungen- und Prostatakrebs sowie Darmkrebs. Bei Frauen ist Brustkrebs am häufigsten (25 %), gefolgt von Lungenkrebs (12 %), Darmkrebs (11 %) und Gebärmutterhalskrebs (10 %). In diesem Zusammenhang hat Polen in jüngster Vergangenheit mehrere Initiativen zur Stärkung der Krebsvorsorge und -behandlung eingeleitet.

Gesundheitsmarkt

Das polnische Gesundheitssystem basiert auf einer allgemeinen, verpflichtenden Krankenversicherung, dem nationalen Gesundheitsfonds (Narodowy Fundusz Zdrowia, NFZ), der dem Gesundheitsministerium unterstellt ist. Das Gesundheitsministerium spielt in der Steuerung des Gesundheitssektors eine zentrale Rolle, wobei es diese Verantwortung mit drei Ebenen der Gebietskörperschaften teilt: Die kommunale Ebene ist für die Primärversorgung verantwortlich. Die Bezirke tragen die Verantwortung für die (oft) kleineren Bezirkskrankenhäuser und die Woiwodschaften (Regionen) sind für die meist größeren regionalen Krankenhäuser verantwortlich.

In Bezug auf die Gesundheitsausgaben gibt Polen pro Kopf weniger als die Hälfte des EU-Durchschnitts für Gesundheit aus. Der Schwerpunkt liegt hier auf der stationären Versorgung, für die 2019 Polen mehr als ein Drittel (37 %) der Gesundheitsausgaben aufwendete. Die ambulante Versorgung, Diagnostik, die Langzeitpflege sowie die Prävention sind dabei tendenziell unterfinanziert.

Wie viele Länder in der EU leidet auch Polen unter einem akuten Mangel an Pflegefachkräften und Ärzt*innen, insbesondere Hausärzt*innen. Nach den Daten von Eurostat hat Polen die niedrigste Zahl praktizierender Ärzt*innen pro 1.000 Einwohner*innen (2,4) in der EU. Die Wartezeiten für fachärztliche Leistungen sind in den letzten Jahren noch weiter gestiegen – auf durchschnittlich 3,8 Monate.

Die verpflichtende Krankenversicherung deckt zwar 91 % der Bevölkerung ab, aber es bestehen teilweise Versorgungslücken bei Medikamenten, Medizinprodukten, Zahnmedizin und Langzeitpflege. So machen Zuzahlungen 20 % der Gesundheitsgaben aus, weshalb die Bürger*innen nicht selten auch auf alternative Heilmethoden ausweichen. Rund ein Fünftel der Rezepte wird nicht eingelöst. Menschen ohne Versicherung erhalten aber dennoch Zugang zu ambulanter Notfall- und Primärversorgung.

Trends

Insgesamt verlagert das nationale Gesundheitsprogramm seinen strategischen Schwerpunkt von der Behandlung von Volkskrankheiten auf die Förderung eines gesünderen Lebensstils und der Reduzierung wesentlicher Risikofaktoren. Die Ziele umfassen das Verhindern von Adipositas, gesundes Altern, psychische Gesundheit, Suchtprävention und die Verringerung von Gesundheitsrisiken durch Umweltfaktoren und Infektionskrankheiten. So sieht ein gesetzlich verankerter Plan vor, dass Polen ab 2023 mindestens 6 % seines BIP in die öffentliche Gesundheitsversorgung investieren wird.

Dem drohenden Fachkräftemangel begegnet Polen mit der Schaffung von Schulungszentren, der Förderung von OP-Simulatoren, neuer Diagnostik und einer attraktiveren Vergütung für Fachärzt*innen. Auch die Forschung wird mit einem Budget von rund 8 Milliarden Euro gezielt gefördert. Darüber hinaus fließen von Seiten des Staates rund 815,5 Millionen Euro in den Medizinsektor, u. a. für digitale Dienstleistungen, den Ausbau von Arztpraxen und den Bau psychiatrischer Zentren.

Telemedizin gehört in Polen bereits zum Alltag: Neben elektronischen Patientenakten und E-Rezept werden beispielsweise auch appgestützte Digital-Stethoskope und EKG-Pflaster für die Versorgung und das Monitoring von Patient*innen zuhause oder im Pflegeheim genutzt. Hier wird konsequent investiert: Ein Förderprogramm der Regierung konzentriert sich mit einem Budget von 2 Milliarden Euro auf die Weiterentwicklung des Digital-Health-Sektors, zu dessen Schwerpunkten auch Lösungen in den Bereichen künstliche Intelligenz und Big Data gehören.

Aus dem europäischen Wiederaufbaufonds soll Polen außerdem knapp 4,5 Milliarden Euro für das Gesundheitswesen erhalten, unter anderem für die Ausstattung von Krankenhäusern und Praxen mit neuen Geräten sowie die Förderung der heimischen Produktion von pharmazeutischen Wirkstoffen. Ziel der Regierung ist es, die einheimische Produktion von strategisch wichtigen Arzneiwirkstoffen (insbesondere in der Biomedizin) zu steigern und deren Absatz und Bevorratung im Land zu unterstützen. Laut Branchenbeobachtern ist im polnischen Pharmamarkt bis 2026 von einem jährlichen Wachstum von 7–8 % auszugehen.

Zusätzlich zum europäischen Engagement existiert seit 2020 der staatliche Medizinfonds (Fundusz Medyczny) mit einem Budget von rund 650 Millionen Euro, das in den Ausbau von Kinderkrankenhäusern und Modernisierungsprojekte investiert wird. Bislang produzieren polnische Firmen hauptsächlich nicht-invasive Produkte wie orthopädische Geräte, Krankenhausmöbel, Verbrauchsartikel und Rehabilitationstechnik. Bildgebende Geräte und hochkomplexe Medizintechnik werden meist aus dem Ausland importiert. Großer Bedarf besteht nach wie vor bei der Ausstattung mit Gammakameras sowie Strahlentherapie- und Mammografie-Geräten. Ab 2023 plant der NFZ außerdem höhere Zuschüsse für Hörgeräte, Rollstühle und Kompressionsstrümpfe. Weitere Produkte sollen folgen.

Die staatlichen Investitionsprogramme und das Wachstum privater Gesundheitsdienstleister haben insgesamt einen positiven Einfluss auf die Absatzaussichten im Bereich der Medizintechnik. Branchenbeobachter gehen von einem durchschnittlichen jährlichen Wachstum von 6,8 % bis 2026 aus. Insbesondere die Zahnmedizin kann dabei aufgrund der zunehmenden Beliebtheit privater Zusatzversicherungen punkten.

Gesetzliche Rahmenbedingungen und Regularien

In Polen liegt die Zuständigkeit für die Zulassung von Arzneimitteln beim Amt für die Registrierung von Arzneimitteln, Medizinprodukten und Biozidprodukten (Urzędzie Rejestracji Produktów Leczniczych, Wyrobów Medycznych i Produktów Biobójczych, UPRLWMiPB). Diese Behörde überwacht alle Angelegenheiten im Zusammenhang mit Herstellung, Einfuhr, Vertrieb und Werbung von Human- und Tierarzneimitteln. Die Erstattungspreise für Medikamente werden zusammen mit den Herstellern vom Gesundheitsministerium verhandelt. Hier gibt vier Erstattungsstufen: kostenlos, pauschal oder mit einer Zuzahlung von 50 % oder 30 % der Finanzierungsgrenze des Medizinfonds.

Damit Medizinprodukte, die auch medizinische Apps und Software umfassen, auf dem polnischen Markt vertrieben werden dürfen, benötigen sie eine CE-Kennzeichnung. Eine weitere Voraussetzung ist die Benennung eines in Polen ansässigen Bevollmächtigen sowie die Eintragung des jeweiligen Produkts ins Medizinprodukteregister des UPRLWMiPB. Die Erstattung kann wie bei den Arzneimitteln individuell beantragt werden. Alternativ ist auch eine pauschale Erstattung nach Produkttyp möglich, wenn das Produkt bestimmte Kriterien einer Produktklasse erfüllt und vom Arzt verordnet wurde.

Gesundheitsmarkt in der EU und international

Grundsätzlich kann jeder Mitgliedstaat der Europäischen Union (EU) selbst über seine Gesundheitspolitik bestimmen. Auf EU-Ebene wird jedoch durch Richtlinien und Verordnungen ein Rahmen vorgegeben, der dann auf Landesebene umgesetzt werden muss. Ein bekanntes Beispiel dafür ist die sogenannte MDR (Medizinprodukteverordnung (EU) 2017/745). Diese Verordnung legt die Anforderungen für sämtliche Medizinprodukte fest, die auf dem europäischen Binnenmarkt vertrieben werden. Die Zulassung erfolgt auf Grundlage einer Konformitätserklärung, die durch eine benannte Stelle im Rahmen der Konformitätsbewertung überprüft wird.

Bei der Zulassung von Arzneimitteln können Hersteller prinzipiell zwei Möglichkeiten nutzen: auf nationaler Ebene (in Polen durch die UPRLWMiPB) oder über das zentrale Zulassungsverfahren der Europäischen Arzneimittel-Agentur (EMA). Beim zweiten Zulassungspfad haben Hersteller den Vorteil, dass sie das Produkt für den gesamten Europäischen Wirtschaftsraum (EU, Island und Norwegen) mit nur einem Antrag zulassen können, was den Aufwand deutlich reduziert.

Internationalisierung

Mithilfe der Internationalisierung können polnischen Krankenhäuser und Praxen ihr Leistungsangebot auch gegenüber internationalen Patient*innen präsentieren. Die Übersetzung wissenschaftlicher Publikationen und medizinischer Schulungsmaterialien eröffnet zudem im Bereich der Aus- und Weiterbildung von Fachkräften die Chance, die Erfahrungswerte und bewährten Verfahren anderer Länder zu nutzen und so die Versorgungsqualität insgesamt anzuheben.

Übersetzungen spielen im gesamten Lebenszyklus von Medizinprodukten, Medikamenten, Nahrungsergänzungsmitteln sowie Gesundheits- und Lifestyle-Produkten eine entscheidende Rolle. Die Anforderungen variieren dabei je nach Zielgruppe (Behörden, Fachpersonal oder Laien), Zweck (regulatorischer Bereich, Marketing, Patientenaufklärung, usw.), Textsorte und Kommunikationskanal. Dazu benötigen Fachübersetzer*innen nicht nur eine fundierte Ausbildung, sondern auch eines hohen Maßes an sprachlichem und kulturellem Fingerspitzengefühl sowie Expertise im jeweiligen Fachbereich.

Bei der direkten Ansprache von Patient*innen oder Verbraucher*innen (z. B. in Aufklärungsbroschüren, Social-Media-Beiträgen oder Informationsportalen) sollte die Übersetzung beispielsweise leicht verständlich sein. Unnötige Fachausdrücke oder lange Schachtelsätze wären hier sicherlich kontraproduktiv. Gleichzeitig sollten die Informationen für die Leser*innen meist ansprechend formuliert sein und Vertrauen in das Produkt oder die Therapie vermitteln.

Zu den Sprachen, die für den polnischen Markt besonders relevant sind, gehören neben dem Polnischen selbst auch das Schlesische mit über einer halben Million Sprechern sowie das Kaschubische, das Englische und das Deutsche. Zu den wichtigsten Regional- bzw. Minderheitensprachen zählen Armenisch, Belarussisch, Jiddisch, Lemkisch und auch Ukrainisch. Außerdem ist Polnisch weltweit nach dem Russischen die am meisten gesprochene slawische Sprache und wird im Ausland (z. B. in Großbritannien) von einigen Minderheiten gesprochen.

Fazit

Nicht zuletzt durch die zahlreichen Förderinitiativen bietet Polen gerade für deutsche Hersteller einen interessanten Absatzmarkt. Beobachter kritisieren allerdings die schleppende Umsetzung der Förderinstrumente der polnischen Regierung, durch die Mittel ungenutzt bleiben.

Auch das fragmentierte Gesundheitswesen mit seinen verschiedenen Zuständigkeitsebenen erschwert den Marktzugang. Da Polen in vielen Fällen auf eigene Lösungen setzt, müssen sich deutsche Anbieter insbesondere im Bereich Digital Health auf eine starke inländische Konkurrenz einstellen. Hier empfiehlt es sich, auch zur Aufnahme in die Erstattungsliste, mit lokalen Experten zusammenzuarbeiten.

In dieser Hinsicht können Übersetzungen wichtige Brücken bauen, die Kooperation fördern und den kommerziellen Erfolg eines Produkts bzw. einer Dienstleistung entscheidend unterstützen. Fehler oder irreführende Anweisungen in Übersetzungen können dagegen verheerende Folgen haben. Sie würden nicht nur die Sicherheit von Patient*innen und Anwender*innen gefährden, sondern das Unternehmen auch erheblichen Haftungsrisiken aussetzen.

Mit einem kompetenten Sprachdienstleister an Ihrer Seite meistern Sie diese Herausforderungen. Er unterstützt Sie mit sprachlichem und kulturellen Know-how und medizinischen Fachwissen und sorgt so für eine fehlerfreie und wirkungsvolle Kommunikation auf allen Ebenen.

Quellen

 


autor_eurotext_100Autor: Eurotext Redaktion

Wir erklären, wie Internationalisierung funktioniert, geben Tipps zu Übersetzungsprojekten und erläutern Technologien und Prozesse. Außerdem berichten wir über aktuelle E-Commerce-Entwicklungen und befassen uns mit Themen rund um Sprache.

 

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