Erstmals 1934 offiziell begangen und jährlich am 6. Februar gedacht, wurde der Waitani-Day erst im Jahr 1974 zum gesetzlicher Feiertag in Neuseeland erklärt. Offiziell gilt er zwar nicht als klassischer Nationalfeiertag, doch inoffiziell wird er genau als solcher in Neuseeland gefeiert. Der Tag erinnert an die Unterzeichnung des Waitani Vertrags, welcher als Gründungsdokument des Landes gesehen wird. Das Dokument beinhaltet jedoch ein kleines aber feines Detail, welches ein großes Missverständnis verursachte und dessen Folgen bis heute noch nachhallen. Wie die Bewohner von Neuseeland sehen wir in dem heutigen Tag eine Gelegenheit, uns mit der Geschichte des Landes auseinanderzusetzen und die kulturelle Vielfalt zu würdigen. Zudem wollen wir heute einen genauen Blick darauf werfen, was es mit der Besonderheit dieses Vertrags auf sich hat.
Der Vertrag von Waitangi wurde am 6. Februar des Jahres 1840 unterzeichnet und ist ein zentrales Dokument in der Geschichte Neuseelands. Er wurde in zwei Sprachversionen verfasst: Englisch und Māori. Zwischen diesen Versionen bestehen jedoch schwerwiegende Übersetzungsfehler, die zu langanhaltenden Konflikten innerhalb des Landes führten.
Gleich der erste Artikel im Vertrages beinhaltet einen ganz wesentlichen Übersetzungsfehler bei der Übersetzung des englischen Begriffs „sovereignty„(Souveränität):
Aus der englischen Version der Vertrags (Artikel 1) geht Folgendes hervor:
Die Māori-Häuptlinge treten „alle Rechte und Befugnisse der Souveränität“ („all the rights and powers of sovereignty„) an die britische Krone ab.
In der Māori-Version des Vertrags (Artikel 1) wird für „sovereignty“ der Begriff „kāwanatanga“ verwendet. Dieser Begriff umschreibt jedoch eher die „Regierungsführung“ oder „Verwaltung“ ohne die vollständige Souveränität zu impliziert.
Im zweiten Artikel kommt es zu einem weiteren Übersetzungsfehler. Hier wurde den Māori „full exclusive and undisturbed possession“ über ihr Land zugesichert. In der Māori-Version wurde ihnen jedoch „te tino rangatiratanga“ über ihr Land, Dörfer und „taonga“ (Schätze) garantiert – ein viel stärkerer Ausdruck als der englische Begriff „possession“, der eigentlich Souveränität bedeutet hätte.
Diese Übersetzungsfehler und weitere Ungenauigkeiten, die Raum zur Interpretation ließen, führten dazu, dass die Māori glaubten, sie würden lediglich Verwaltungsrechte abtreten, während sie ihre rangatiratanga (Häuptlingswürde oder Autorität) über ihre Ländereien und Ressourcen behalten würden. Die britische Krone hingegen interpretierte den Vertrag dahingehend, dass sie die volle Souveränität über Neuseeland erlangte.
Somit wurde von der britischen Regierung und den Siedlern umfangreiche Māori-Ländereien beansprucht, ohne diese auf angemessene Weise zu entschädigen. Diese Ungerechtigkeit zog Spannungen und bewaffneten Auseinandersetzungen zwischen Māori und britischen Siedlern nach sich. Man kann sich vorstellen, dass die Kämpfe zwischen den Māori und den Briten zudem durch erhebliche Ungleichgewichte in Bezug auf Truppenstärke, Bewaffnung und Ressourcen gekennzeichnet waren. Obwohl die Māori bemerkenswerte militärische Fähigkeiten und Anpassungsfähigkeit zeigten, waren die Konflikte insgesamt asymmetrisch und zugunsten der Briten unausgewogen. Dadurch erlitten die Māori erhebliche Verluste an Land und kultureller Autonomie.
Im Verlauf der Zeit wurde der Vertrag selbst zwar nicht geändert, aber seine Interpretation und Anwendung haben sich mit den Jahren weiterentwickelt. Um die durch die unterschiedlichen Vertragsinterpretationen entstandenen Ungerechtigkeiten zu adressieren, wurde 1975 das Waitangi-Tribunal eingerichtet. Es untersucht Verletzungen des Vertrags und gibt Empfehlungen zur Wiedergutmachung ab. Zu den Empfehlungen gehören: Anerkennung der Selbstbestimmungsrechte, Schutz und Förderung der Māori-Sprache (Te Reo Māori), Rückgabe von Land und Ressourcen, Einbindung der Māori in Entscheidungsprozesse und die Überprüfung und Anpassung der Gesetzte.
Heute wird der Vertrag von Waitangi als lebendiges Dokument betrachtet, das die Beziehungen zwischen der neuseeländischen Regierung und den Māori prägt. Die Anerkennung der unterschiedlichen Interpretationen hat zu Bemühungen geführt, historische Ungerechtigkeiten zu korrigieren und die Partnerschaft zwischen Māori und Pākehā (Neuseeländern europäischer Abstammung) zu stärken.
Die Übersetzungsfehler im Vertrag von Waitangi haben somit tiefgreifende und langanhaltende Auswirkungen auf die Geschichte und Gesellschaft Neuseelands. Sie unterstreichen die Bedeutung präziser Übersetzungen von Fachübersetzern und des kulturellen Verständnisses bei der Ausarbeitung internationaler Abkommen. Von KI-Übersetzungen ist bei Rechtstexten grundsätzlich abzuraten.
Fazit
Die Bewohner Neuseelands teilen eine gemeinsame Geschichte, die aufgrund von Übersetzungsfehlern eine tiefe Spaltung zwischen Māori und Pākehā verursachte und bis in die Neuzeit reicht. Viel Blut ist geflossen, um diese Ungerechtigkeit wieder auszugleichen. Daher wünschen wir unseren Freunden in Neuseeland heute neben politischen Diskussionen, Morgendämmerungszeremonien, sowie weiteren kulturellen Events einen schönen Sommertag. Auch beim gemeinsamen Grillen, Schwimmen und weiteren Freizeitaktivitäten, welche die Gemeinschaft (nach dem Ansatz des Waitangi-Tribunals) weiter stärkt, sollen die vergangenen Ungerechtigkeiten diskutiert werden, die in der heutigen Zeit leicht vermieden werden können, vor allem wenn man mit den richtigen Partnern zusammenarbeitet.
Quelle
- https://de.wikipedia.org/wiki/Waitangi_Day
- https://taz.de/Umstrittene-Reform-in-Neuseeland/%216050580/
- https://www.parliament.nz/mi/get-involved/features/a-brief-history-of-waitangi-day
- https://www.waitangitribunal.govt.nz/en/about/about-the-waitangi-tribunal/about-the-waitangi-tribunal
- https://de.wikipedia.org/wiki/Neuseelandkriege?
Autor: Eurotext Redaktion
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