Wein und Wahrheit: In Frankreich lebt man im Durchschnitt zwei Jahre länger als im Rest der EU, und das trotz Baguette (Weißmehl), Käse (gesättigten Fettsäuren) und hohem Alkohol- und Tabakkonsum. Was ist dran am französischen Paradoxon und was hat das mit Fachübersetzungen zu tun?

Bevölkerung

Die Lebenserwartung der Französinnen und Franzosen liegt heute bei 82,9 Jahren, fast zwei Jahre höher als in der gesamten EU. Sie sank im Jahr 2020 vorübergehend um acht Monate aufgrund der coronabedingten Übersterblichkeit – der größte Rückgang seit 1945.

Aber schon vor der Pandemie hatte sich der Anstieg der Lebenserwartung in Frankreich, wie auch in vielen anderen westeuropäischen Ländern, zwischen 2010 und 2019 deutlich verlangsamt. Im Jahr 2016 entfielen 30 % aller Todesfälle in Frankreich auf Krebs, gefolgt von Kreislauferkrankungen (24 %). Ischämische Herzkrankheiten (5,6 %) und Schlaganfälle (5,4 %) waren die häufigsten krankheitsspezifischen Todesursachen. Lungenkrebs war die häufigste krebsbedingte Todesursache.

Etwa 33 % aller Todesfälle im Jahr 2019 können auf verhaltensbedingte Risikofaktoren zurückgeführt werden (niedriger als der EU-Durchschnitt von 39 %). Beispiele für diese Risikofaktoren ist das Rauchen von Tabak, ungünstige Ernährungsgewohnheiten, Alkoholkonsum und geringe körperliche Aktivität.

Zwei von fünf französischen Erwachsenen (38 %) gaben im Jahr 2019 an, mindestens eine chronische Erkrankung zu haben. Das ist sogar ein etwas höherer Anteil als im EU-Durchschnitt.

Gesundheitsmarkt

Frankreich verfügt über ein umfassendes staatliches Gesundheitssystem, das von der französischen Krankenversicherung (Assurance Maladie) verwaltet wird. Alle Bürger*innen haben Anspruch auf eine von dieser Krankenversicherung abgedeckte Grundversorgung. Die Finanzierung basiert auf Beiträgen von Arbeitgeber*innen und Arbeitnehmer*innen. Darunter erhalten Versicherte in der allgemeinen Krankenversicherung (Régime général) 60 bis 70 % der Kosten für medizinische Leistungen erstattet, bei Krankenhausaufenthalten sind es 80 %.

Über die Grundversorgung hinausgehende Leistungen müssen von Patient*innen selbst übernommen werden. Aus diesem Grund sind fast 95 % der Französinnen und Franzosen durch private Zusatzversicherungen (Mutuelle) abgedeckt. Zu den häufigsten Selbstzahlerprodukten zählen Brillen und Kontaktlinsen, Hörgeräte sowie Zahnersatz.

Für die Erstattung von Medizinprodukten und Arzneimitteln gilt Frankreich unter Pharmaherstellern mitunter als schwieriger Markt. In diesem Zusammenhang hat die französische Regierung im Juli 2021 ein Forschungsförderungsprogramm auf den Weg gebracht. Der „Plan innovation santé 2030“ sieht vor, den Standort Frankreich für Forschungsvorhaben und Investitionen der Pharma- oder Medizintechnikbranche attraktiver zu machen. Sobald der Nutzen eines Gesundheitsprodukts von der obersten HAS (Haute autorité pour la santé) bescheinigt wurde, kann die Rückerstattung im Rahmen der Krankenversicherung noch vor den Preisverhandlungen mit den Versicherungsträgern beantragt werden.

Kliniken können seit Anfang 2022 außerdem leichter innovative Produkte mit hohem therapeutischen Nutzen einsetzen, auch wenn diese teuer sind. Diese Erleichterungen und Anreize erhöhen die Möglichkeiten für den Marktzugang von Produktneuheiten erheblich.

Trends

Wichtige Trends im französischen Gesundheitsmarkt sind neben der personalisierten Medizin die verstärkte Digitalisierung: Die Verwendung mobiler Geräte und digitaler Technologien wird auch hier immer beliebter. Viele Gesundheits-Apps und mobile Anwendungen ermöglichen es den Patient*innen, ihre Gesundheit selbst zu überwachen, Symptome zu verfolgen und ihre Gesundheitsdaten zu speichern und beispielsweise mit ihrem Arzt oder ihrer Ärztin zu teilen. Durch KI gestützt können die Daten ausgewertet und Verhaltensempfehlungen erteilt werden, beispielsweise durch digitale Schlafcoaches.

Diese praktischen Helfer spielen auch für den Megatrend der präventiven Gesundheit und Gesundheitsförderung eine zentrale Rolle: Schrittzähler, Trainings-Apps und Fitness-Tracker kommen in immer mehr Haushalten zum Einsatz und werden auch von den Behandler*innen begrüßt. Auch Unternehmen bieten zunehmend Programme zur Verbesserung der Ernährung, der körperlichen Aktivität und der mentalen Gesundheit an.

Grund hierfür ist nicht zuletzt das hohe Bewusstsein der Französinnen und Franzosen für das Thema Gesundheit. Das zeigt sich unter anderem in der 2012 eingeführten Zuckersteuer, die auf alle nicht-alkoholischen Getränke mit zugesetztem Zucker oder Süßstoffen erhoben wird. Auch das beliebte Pariser Bike-Sharing-System „Vélib“ wurde von den Einwohner*innen der Stadt sehr gut angenommen. Es wurde eingeführt, um einerseits Gesundheit und Prävention zu fördern und anderseits den Verkehr und die Umweltbelastung durch Autofahrten zu reduzieren.

Auch beim Thema Umweltschutz und Nachhaltigkeit können Unternehmen im Markt punkten. Umweltfreundliche Verfahren und die Reduzierung von Abfällen werden von den Verbraucher*innen sehr positiv wahrgenommen und können Konsumentscheidungen im viel umkämpften Selbstzahler- und Lifestyle-Markt beeinflussen.

Gesetzliche Rahmenbedingungen und Regularien

In Frankreich werden Arzneimittel vom französischen Arzneimittelbehörde Agence nationale de sécurité du médicament et des produits de santé (ANSM) mit Sitz in Saint-Denis zugelassen.

Der Zulassungsprozess ist in der Europäischen Union harmonisiert, was bedeutet, dass der Antragsteller ein Dossier mit umfangreichen Daten zur Qualität, Wirksamkeit und Sicherheit des Arzneimittels bei der Europäischen Arzneimittel-Agentur (EMA) einreicht. Die EMA bewertet dann die Daten und gibt eine Empfehlung für die Zulassung oder Ablehnung des Arzneimittels ab.

Im Anschluss daran kann das Arzneimittel auf nationaler Ebene zugelassen werden. In Frankreich ist die ANSM für die Bewertung des Antrags auf nationale Zulassung zuständig. Sie überprüft das Dossier erneut und bewertet, ob das Arzneimittel den nationalen Anforderungen entspricht. Wenn die ANSM zustimmt, wird das Arzneimittel in Frankreich zugelassen und in die Liste der erstattungsfähigen Arzneimittel aufgenommen.

Nach der Zulassung erfolgt eine kontinuierliche Überwachung der Sicherheit und Wirksamkeit des Arzneimittels durch die ANSM und andere Gesundheitsbehörden.

Medizinprodukte, wie Kontaktlinsen, Insulinpumpen oder Gehhilfen, benötigen eine CE-Kennzeichnung, damit sie in Frankreich vertrieben werden dürfen. Das Produkt muss dann bei der ANSM „registriert“ werden. Den entsprechenden Antrag kann der Hersteller selbst oder ein französischer Vertriebspartner vornehmen. Wichtig dabei ist, dass die Registrierung stets auf den Namen des Herstellers erfolgt, auch wenn der Antrag vom Vertriebspartner gestellt wird.

Gesundheitsmarkt in der EU und international

Für die Gesundheitspolitik sind in der EU prinzipiell die einzelnen Mitgliedsstaaten zuständig. Die EU gibt allerdings durch Richtlinien und Verordnungen einen Rahmen vor, der dann in der nationalen Gesetzgebung umgesetzt werden muss. Ein prominentes Beispiel ist die Medizinprodukteverordnung (Verordnung (EU) 2017/745), auch MDR genannt. Sie legt die Anforderungen für Medizinprodukte im europäischen Binnenmarkt fest. Alle Medizinprodukte, die in der EU vertrieben werden sollen, benötigen danach eine Konformitätserklärung (CE-Kennzeichnung).

Medikamente können auch auf Einzelstaatebene entsprechend den nationalen Vorschriften zugelassen werden (in Frankreich durch die ANSM). Alternativ steht den Pharmaunternehmen die Möglichkeit offen, das sogenannte „zentrale Zulassungsverfahren“ der EMA zu nutzen. Dadurch ist es möglich, die Zulassung in allen Mitgliedstaaten des europäischen Wirtschaftsraums (EU, Island und Norwegen) mit einem einzigen Antrag zu erhalten.

Internationalisierung

Französische Kliniken und Praxen können sich durch Internationalisierung als attraktive Dienstleister für Patient*innen im Ausland positionieren und gegenüber dem Wettbewerb optimal aufstellen. Außerdem ermöglicht der Austausch mit anderen Ländern, beispielsweise durch die Übersetzung wissenschaftlicher Publikationen und Schulungsunterlagen, französischen Ärzt*innen und medizinischen Einrichtungen, von den Best-Practice-Lösungen anderer Länder zu profitieren, was insgesamt zu einer höheren Versorgungsqualität beiträgt.

Ob Medizinprodukt, Medikament, Nahrungsergänzungsmittel oder Fitness- und Lifestyle-Artikel: Übersetzungen sind eine wesentliche Komponente in allen Phasen des Produktlebenszyklus. Damit sie auf die jeweilige Zielgruppe optimal zugeschnitten werden (Experten, Laien, Behörden usw.) und die spezifische Anforderungen der Textsorte erfüllen, brauchen Fachübersetzer jahrelange Erfahrung, umfangreiche Fachkenntnis und viel Sprachgefühl.

Spezialisierte Fachübersetzer gewährleisten, dass Zulassungsunterlagen für Behörden korrekt und fehlerfrei unter Einhaltung der Konventionen für diese Textsorten übersetzt werden. Nach dem hohen Investitions- und Zeitaufwand, der bereits ins Produkt geflossen ist, wären hier Verzögerungen bei der Markteinführung besonders ärgerlich. Mit den richtigen Sprachexpert*innen an der Seite lassen sich solche Stolpersteine auf dem Weg zum erfolgreichen Launch vermeiden.

Bei der direkten Ansprache von Verbraucher*innen und Patient*innen muss die Übersetzung hingegen auf unnötigen wissenschaftlichen Fachjargon verzichten und komplexe Sachverhalte leicht verständlich darstellen. Dies ist beispielsweise für Patientenportale, Aufklärungs-Webseiten und Informations-Flyer relevant. Häufig müssen die Texte auch potenzielle Käufer*innen überzeugen und werbliche Anforderungen berücksichtigen. Hier kann es sinnvoll sein, Fachübersetzer*innen mit Marketinghintergrund zu beauftragen, die basierend auf einem konkreten Briefing eine freiere Transkreation für den Zielmarkt erstellen.

Die wichtigsten Sprachen für den französischen Gesundheitsmarkt sind neben der Amtssprache Französisch noch das Deutsche, das von vielen Bewohner*innen gerade in den Grenzregionen des Elsass und Lothringen gesprochen wird. Die Weltsprache Englisch ist mit 39 % vertreten. Auch das Arabische mit etwa 4 Millionen Sprecher*innen sowie die in Nordafrika verbreiteten Berbersprachen spielen durch die Zuwanderung aus den ehemaligen Kolonialgebieten Frankreichs eine große Rolle. Gesprochen werden auch weitere Nachbarsprachen, wie Italienisch, Spanisch und Flämisch. Je nach Zielgruppe können auch weitere Sprachen von Bedeutung sein (z. B. EU-Sprachen, regionale Dialekte wie das Bretonische, Elsässisch oder Provenzalisch).

Fazit

Ob Traubenkernextrakt oder „Savoir vivre“: Die Existenz des französischen Paradoxons ist umstritten. Laut WHO könnte eine simple Untererfassung der Herzerkrankungen auf den Sterbeurkunden für die niedrigeren Zahlen verantwortlich sein. Bei einer entsprechenden Korrektur zeigt sich für Frankreich nämlich ein ähnliches Bild wie für alle anderen Industrieländer: ein gesteigerter Konsum von gesättigten Fetten und Cholesterin führt zu mehr Herzerkrankungen.

Das Gesundheitssystem in Frankreich gehört zu den besten der Welt. Aber es gibt auch Kritik daran, dass die französische Krankenversicherung nicht alle Leistungen abdeckt und dass Patient*innen gezwungen sind, zusätzliche private Versicherungen abzuschließen. Insbesondere die Erstattungsfähigkeit im Bereich der Telemedizin ist noch ausbaufähig. Für das Jahr 2023 sind jedoch entsprechende gesetzliche Anpassungen geplant.

Insgesamt bietet der französische Gesundheitsmarkt viele Chancen: Zusammen mit Deutschland steht er für über 50 Prozent des Medizinproduktemarktes der EU. Im sensiblen Medizinbereich ist es besonders wichtig, das Vertrauen der Verbraucher*innen in die Qualität der Marke zu gewinnen und zu halten. Hierfür sind Übersetzungen von qualifizierten Fachübersetzer*innen unerlässlich. Sie stellen nicht nur sicher, dass die Sicherheit von Patient*innen und Anwender*innen nicht durch Übersetzungsfehler gefährdet wird und keine Haftungsrisiken entstehen. Sie sorgen für eine hochwertige, fehlerfreie Kommunikation, die auf die Zielgruppen optimal zugeschnitten ist und für den jeweiligen Markt „funktioniert“.



Quellen

 


autor_eurotext_100Autor: Eurotext Redaktion

Wir erklären, wie Internationalisierung funktioniert, geben Tipps zu Übersetzungsprojekten und erläutern Technologien und Prozesse. Außerdem berichten wir über aktuelle E-Commerce-Entwicklungen und befassen uns mit Themen rund um Sprache.

 

Bitte beachten Sie: Auch wenn wir in unseren Beiträgen gelegentlich Rechtsthemen ansprechen, stellen diese keine Rechtsberatung dar und können eine solche auch nicht ersetzen. Wenn Sie konkrete Fragen haben, lassen Sie sich bitte von einem Anwalt beraten.