Jedes Jahr am 21. September findet der Welt-Alzheimertag statt – ein Tag, der weltweit genutzt wird, um das Bewusstsein für Alzheimer und andere Demenzerkrankungen zu schärfen. Ins Leben gerufen wurde der Tag 1994 von der Alzheimer’s Disease International (ADI). Er dient nicht nur der Information und Aufklärung, sondern auch der Unterstützung von Betroffenen und ihren Angehörigen. Alzheimer äußert sich in Gedächtnisverlust, Schwierigkeiten bei Planung und Problemlösung, Verwirrung in Bezug auf Zeit und Ort, Probleme mit visueller Wahrnehmung und räumlichen Beziehungen, verminderte Urteilsfähigkeit, Beeinträchtigung der Sprache, Rückzug aus sozialen Aktivitäten, Verhaltens- und Persönlichkeitsveränderungen sowie Schwierigkeiten bei alltäglichen Aufgaben. Während all diese Begleiterscheinungen dazu beitragen, nach und nach seine Unabhängigkeit zu verlieren, wollen wir uns als Sprachdienstleister auf die Beeinträchtigung der Sprache fokussieren.
Sprache ist nicht nur Mittel zur Kommunikation – sie ist der Schlüssel zu unserer Identität und ein Spiegel unserer Erinnerungen. Die Sprachfähigkeit gehört zu den kognitiven Systemen, die durch Alzheimer beeinträchtigt werden.
Wenn Alzheimer Sprache raubt
Aktuell schätzt man die Zahl der Alzheimerpatienten weltweit auf rund 57 Millionen, Prognosen gehen davon aus, dass diese Zahl bis 2050 auf etwa 150 Millionen steigen wird. Diese haben vermehrt Schwierigkeiten, Wörter zu finden, Sätze zu bilden oder gesprochene Sprache zu verstehen (Aphasie). Dies führt nicht selten zu frustrierenden Kommunikationsbarrieren, die sowohl für die Betroffenen als auch für ihre Angehörigen enorm belastend sind. Zudem ist die Sprache in den meisten Fällen stockend und zusammenhangslos. Diese sprachlichen Einschränkungen resultieren aus dem Abbau von Hirnregionen, die für die Sprachverarbeitung verantwortlich sind.
Neue Alzheimer-Medikamente im frühen Stadium
Seit April 2025 ist das Medikament Leqembi (Wirkstoff Lecanemab) in der EU offiziell zugelassen und steht in Deutschland seit dem 1. September 2025 für Patientinnen und Patienten im frühen Stadium von Alzheimer zur Verfügung. Es handelt sich damit um die erste Therapie, die nicht nur Symptome lindert, sondern ursächlich in den Krankheitsverlauf eingreift, indem sie Amyloid-Beta-Ablagerungen im Gehirn reduziert. Die Anwendung ist allerdings nur in einem frühen Stadium möglich und setzt den Nachweis von Amyloid-Beta voraus. Außerdem dürfen Patientinnen und Patienten höchstens eine Kopie des ApoE4-Gens tragen. Auch Donanemab (Handelsname Kisunla) befindet sich auf dem Weg zur Zulassung in der EU, eine Entscheidung der Kommission steht jedoch noch aus.
Mehrsprachigkeit als Schutzfaktor bei Alzheimer
Interessanterweise zeigt die Forschung, dass die Menschen, die mehrere Sprachen sprechen, einen gewissen Vorteil gegenüber Alzheimer haben. Studien belegen, dass die Symptome bei mehrsprachigen Menschen durchschnittlich vier bis fünf Jahre später auftreten als bei einsprachigen Personen. Zudem zeigen sich in der Hirnstruktur messbare Unterschiede, etwa ein größeres Hippocampus-Volumen, was auf eine höhere kognitive Resilienz hinweist. Die Mehrsprachigkeit trägt neben anderen Trainingseinheiten, wie Rätsel lösen, Schach spielen, körperliche Aktivität oder gesunde Ernährung dazu bei, das Gehirn fit zu halten. Je kontinuierlicher und länger der Denksport eingehalten wird, desto besser kann das Gehirn die Krankheit kompensieren. Bei mehrsprachigen Patienten treten daher die Symptome in der Regel später auf. Das Gehirn, das durch den ständigen Wechsel zwischen verschiedenen Sprachsystemen trainiert wurde, scheint widerstandsfähiger gegen Einbußen in der Sprachfähigkeit zu sein, selbst wenn sich die Krankheit bereits im Gehirn ausbreitet.
Alzheimer und Mehrsprachigkeit im Krankheitsverlauf
Ein faszinierendes Phänomen bei mehrsprachigen Alzheimerpatienten ist auch der Wechsel zwischen den erlernten Sprachen im Verlauf der Krankheit. Hier kommt es mitunter vor, dass während eines Satzes mehrfach die Sprache gewechselt wird. Oft werden Patienten dann wütend, weil sie nicht nachvollziehen können, wo das Problem liegt. Klar, dass Verwandte und Pflegende damit schnell überfordert sind. Sprechen Verwandte oder Pflegende diese Sprache(n) nicht, ist in dieser Phase der Krankheit viel Fantasie gefragt. Bislang hat man hier noch keine zufriedenstellende Lösung finden können.
KI, Technik und Alzheimer: Wo die Grenzen liegen
Technische Hilfsmittel wie Ear Pods oder Übersetzungsapps sind eher unzuverlässig. Man kann davon ausgehen, dass die Technik keine zufriedenstellenden Ergebnisse liefert, da sie auf eine deutliche Aussprache, klare Satzstrukturen und technisches Verständnis angewiesen ist. In individuellen Fällen könnte es vielleicht trotzdem ein Versuch wert sein. Neuere Forschungsprojekte testen KI-gestützte Sprach- und Gesprächsanalyse, um frühe Anzeichen von Alzheimer anhand mehrsprachiger Konversationsmuster zu erkennen. Diese Technik ist noch in der Erprobung, zeigt aber bereits vielversprechende Ansätze.
Pflegekräfte mit Sprachkenntnissen für Alzheimerpatienten
Entscheidet man sich dazu, Pflegefachpersonal aus einem anderen Land zu engagieren, lohnt es sich nach einer Hilfe zu suchen, die neben der Pflegequalifikation auch die erlernten Sprachen des Patienten spricht oder die der Angehörigen ergänzt. Nimmt man den Patientinnen und Patienten diese Kommunikationsbarriere und geht auf seine Bedürfnisse ein, trägt dies ungemein zum Erhalt des Selbstbewusstseins der Person bei. Es hilft dabei, dass sie sich trotz der Krankheit noch als vollständige Person wahrnimmt. Auch das Hören von Liedern in der Sprache oder das Vorlesen aus Büchern oder Zeitschriften zaubert den Betroffenen ein Lächeln ins Gesicht und wirkt sich positiv auf die Stimmung aus. Wie so oft muss man in Fällen, die von der Norm abweichen, kreativ werden und individuelle Problemlösungen anbieten können.
Das letzte Wort hat die Muttersprache
Doch während die Krankheit fortschreitet, fallen die Betroffenen meist zurück in die Sprache, die sie zuerst gelernt oder am häufigsten verwendet haben. Auf der einen Seite erfolgt dies, da diese Sprachen tief in den Gedächtnisstrukturen verankert sind und daher länger zugänglich bleiben. Zum anderen deshalb, weil die zusätzliche Beeinträchtigung der kognitiven Verarbeitung sich verstärkt bemerkbar macht und den Wechsel zwischen verschiedenen Sprachen nicht mehr ermöglicht. Folglich gewinnt die einfachste und vertrauteste Sprache, in den meisten Fällen die Muttersprache.
Gesunder Lebensstil
Obwohl es keine garantierte Methode zur Vermeidung von Alzheimer gibt, deuten Studien darauf hin, dass bestimmte Lebensstilfaktoren das Risiko verringern können. Dazu gehören geistige und körperliche Aktivität, eine gesunde Ernährung sowie soziale Interaktionen. Diese Maßnahmen können zwar die Krankheit nicht verhindern, aber sie tragen erwiesenermaßen dazu bei, den Krankheitsbeginn hinauszuzögern und die Lebensqualität zu verbessern.
Fazit
Der Welt-Alzheimertag bietet eine wertvolle Gelegenheit, das Bewusstsein für Alzheimer und seine Auswirkungen auf Sprache und andere kognitive Funktionen zu schärfen. Die Rolle der Mehrsprachigkeit verdeutlicht, wie geistige Aktivität die Widerstandskraft des Gehirns stärken kann. Gleichzeitig zeigen neue Therapien wie Leqembi, dass die Forschung Fortschritte macht und erstmals wirksame Ansätze gegen das Fortschreiten der Krankheit verfügbar sind. Prävention, innovative Behandlungsmöglichkeiten und eine einfühlsame Betreuung müssen Hand in Hand gehen, um Betroffenen und ihren Familien zu helfen. Lassen Sie uns gemeinsam daran arbeiten, dass Sprache und Erinnerungen möglichst lange erhalten bleiben.
Quellen
- https://www.alzint.org/
- https://www.alzint.org/resource/numbers-of-people-with-dementia-worldwide/
- https://www.theguardian.com/global-development/2025/jan/08/health-medicine-new-era-drugs-dementia-alzheimers-disease-pharmaceuticals-lecanemab-donanemab
- https://www.ncbi.nlm.nih.gov/pmc/articles/PMC4052164/
- https://www.alzheimer-europe.org/news/recent-research-indicates-being-bilingual-might-reduce-risk-mci-and-dementia
- https://www.thesun.co.uk/health/32592646/new-years-resolution-learn-language-protect-against-dementia/
- https://arxiv.org/abs/2502.19208
- https://www.zdfheute.de/ratgeber/gesundheit/alzheimer-medikament-leqembi-markteinfuehrung-lecanemab-100.html
- https://www.ema.europa.eu/en/medicines/human/EPAR/leqembi
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Autor: Eurotext Redaktion