Viele deutsche Onlinehändler, darunter der Unternehmensgründer und Eigentümer der Schwarz-Gruppe Dieter Schwarz, haben den tschechischen Onlinehandel bereits für sich entdeckt. Eine Expansion in die Tschechische Republik liegt auch aufgrund der kurzen Transportwege und des dynamischen Wachstums buchstäblich nahe. Wir betrachten deshalb im Detail, welche Chancen das Land deutschen Händlern bietet.
Zahlen & Fakten
Tschechien ist mit knapp 10,7 Millionen Einwohnern im europäischen Mittelfeld und lässt sich in Bezug auf die Bevölkerungszahl mit Baden-Württemberg vergleichen. Der Fläche nach ist Tschechien mit 78.866 km2 in etwa so groß wie Niedersachsen und Nordrhein-Westfalen zusammen. Dem entspricht eine Bevölkerungsdichte von 138 Einwohnern pro km2, vergleichbar mit der Dichte Thüringens.
Die Internet-Penetrationsrate beträgt in Tschechien 85%, und liegt damit ungefähr im europäischen Mittelfeld. Die Zahl der Tschechen, die das Internet zum Einkaufen nutzen, ist in den letzten Jahren stark gestiegen: Inzwischen haben 70,7% der tschechischen Internetnutzer im letzten Jahr zumindest einmal ein Produkt online bestellt. Somit liegt das Volumen des E-Commerce-Marktes 2023 bei 5,6 Milliarden US-$, und ein weiteres stabiles Wachstum von über 7% wird auch für die nächsten Jahre erwartet.
Ein Faktor, der den Umsatz im tschechischen E-Commerce weiterhin drückt, ist die vergleichsweise geringe Kaufkraft: Durchschnittlich gaben Käufer in Tschechien mit 832 Euro pro Jahr nur die Hälfte dessen aus, was pro Online-Kunde in Europa üblich ist. Auch wenn die Zahl der Käufer in allen Altersgruppen in den letzten Jahren zugenommen hat, bleibt der E-Commerce in Tschechien eine Domäne der Jüngeren, insbesondere der 18-34-Jährigen.
Diese starken Altersunterschiede im E-Commerce erklären auch den sehr hohen Anteil von mobilen Einkäufen: Ca. 53% aller Transaktionen im E-Commerce werden in Tschechien über ein mobiles Endgerät abgewickelt – und das bei nur 70% Smartphone-Penetration. Wer also vor allem junge Menschen ansprechen will, sollte sich unbedingt auf Verkäufe über Smartphones und Apps einstellen.
Wichtig zu wissen ist ebenfalls, dass die Tschechen nur selten auf ausländischen Seiten einkaufen: Nur 15% der Bevölkerung haben zumindest einmal einem ausländischen E-Commerce-Unternehmen ihr Vertrauen geschenkt. Wenn die Tschechen im Ausland einkaufen, ist das aber meistens in Deutschland. Jedenfalls sind es dementsprechend einheimische Unternehmen, die den Markt beherrschen: Allein der Online-Händler Alza.cz repräsentiert mehr als 20% des Tschechischen E-Commerce, danach kommen Mall.cz, Rohlik.cz und CZC.cz, die wie Alza neben Elektronik ein weites Spektrum von Produkten vertreiben. Amazon dagegen bietet bis heute in Tschechien nur eine Übersetzung von amazon.de an.
Diese Vorliebe für einheimische Unternehmen muss aber nicht bedeuten, dass deutsche E-Commerce-Unternehmen schlechte Karten haben. Lehrreich ist hier vor allem das Beispiel der Expansion von Lidl: Denn neben Supermärkten bietet der deutsche Lebensmittelhändler seit 2017 einen Onlineshop mit dem Namen lidl-shop.cz an. Dort werden statt Lebensmitteln insbesondere Haushaltswaren und Kleidung angeboten. Mit 115 Millionen Euro Umsatz ist lidl-shop.cz inzwischen das fünftgrößte E-Commerce-Unternehmen in Tschechien, mit einem eigenen Logistikzentrum nur für den Online-Shop in der Nähe von Pilsen.
So kann die geringe Zahl von Käufen aus dem Ausland auch andersherum gelesen werden, nämlich als Anzeichen eines bisher sehr geringen Engagements von internationalen E-Commerce-Unternehmen in Tschechien. Dabei wird das hohe Ansehen, das insbesondere deutsche Produkte in Tschechien genießen, nicht nur von der Tatsache untermauert, dass viele Tschechen zum Einkaufen nach Deutschland fahren, sondern auch dadurch, dass Lidl in Tschechien sein Firmenimage gewandelt hat, und inzwischen vor allem die hohe Qualität seiner Produkte anpreist. Deutsche Unternehmen können sich, wenn sie sich richtig auf den tschechischen Markt einstellen, also durchaus Chancen ausrechnen.
Lokalisierung
Die Amtssprache in Tschechien ist das Tschechische. Zwar sprechen viele Tschechen auch Englisch, Deutsch oder Russisch, eine tschechische Online-Präsenz ist aber deutlich ansprechender und vertrauensbildender.
Während die Tschechische Republik seit 2004 Mitglied der Europäischen Union ist und damit die Zollbeschränkungen entfallen, hat Tschechien bis heute seine eigene Währung beibehalten, nämlich die Tschechische Krone (CZK). Eine Tschechische Krone unterteilt sich in 100 Heller, allerdings wird im Einzelhandel auf volle Kronen gerundet. Bisher ist die Einführung des Euros auf unbestimmte Zeit verschoben. Auch wenn tschechische Banken Euro-Konten anbieten, ist die Bezahlung in Euro im E-Commerce unüblich.
Um das eigene Unternehmen in Tschechien vertrauenswürdiger zu machen, kommt zum Beispiel das Siegel der APEK, vergeben durch die tschechische Vereinigung für E-Commerce, infrage. Dieses zertifiziert Händler, die bestimmte Standards erfüllen, etwa hinsichtlich Transparenz und Qualität.
Die Konfektionsgrößen entsprechen in Tschechien normalerweise den EU-Maßstäben.
Was besondere Verkaufstage angeht, ähnelt sich die Tschechische Republik dem hiesigen Markt: So hat sich neben Weihnachten auch der US-amerikanische Black Friday im Kalender des E-Commerce etabliert.
Zahlungsmethoden und Versand
In Tschechien ist es üblich, auch online in bar einzukaufen: Bei 37% der Transaktionen bezahlen die Kunden bar, entweder per Nachnahme oder über die im Land häufigen superCASH-Terminals. Diese Vorliebe für die Barzahlung könnte unter anderem daran liegen, dass die Tschechen noch immer über wenige Bankkarten verfügen, nämlich durchschnittlich über 1,3 pro Person; davon sind nur 0,16 Karten Kreditkarten. Entsprechend unwichtig ist die Kreditkartenzahlung im E-Commerce, bisher kommt sie bei nur 13% der Käufe zur Anwendung. Dagegen ist die Zahlung durch Überweisung, die derzeit für 31% der Transaktionen aufkommt, im Wachstum begriffen, und wird laut Prognosen in ein paar Jahren die Zahlung per Nachnahme überflügeln.
Tschechien ist ein kleines Land mit guter Infrastruktur. Insbesondere die grenzübergreifenden Strecken von Prag nach Dresden und Nürnberg sind in den letzten Jahren ausgebaut worden. So ist man inzwischen von Frankfurt/Main aus schneller in Prag als in Berlin. Selbst Ostrava, im östlichsten Zipfel Tschechiens gelegen, ist problemlos innerhalb eines Tages zu erreichen.
Allerdings muss bedacht werden, dass die tschechischen Kunden in der Regel eine Zustellung am nächsten Tag erwarten, und zwar ohne Aufpreis. Für Unternehmen ohne Präsenz im Land kann das eine Herausforderung darstellen. Das größte Versandunternehmen in Tschechien ist neuerdings Zásilkovna, das der traditionellen tschechischen Post, Česká Pošta, den Rang abgelaufen hat. Weitere Konkurrenten sind PPL, ein Partner der DHL, und DPD.
Branchen
Die wichtigsten Branchen im E-Commerce in Tschechien sind „Elektronik“ und „Mode und Sport“. Danach kommen „Möbel und Haushaltswaren“ und „Lebensmittel“.
Fazit
Eine Expansion nach Tschechien kann für viele E-Commerce-Unternehmen eine Möglichkeit sein, sich mit relativ wenig Aufwand neue Märkte zu eröffnen. Insbesondere die geografische Nähe und die überschaubare Größe des Landes sind hierfür von Vorteil. Die einzige Hürde ist die Sprache, denn aufgrund der genannten Besonderheiten empfiehlt es sich dringend, den Shop in der Landessprache anzubieten. Wenn die Lokalisierung dann erfolgreich ist, kann die Tschechische Republik ein Sprungbrett zu weiteren Ländern in Mittel- und Osteuropa werden.
Quellen
- https://de.statista.com/outlook/dmo/ecommerce/tschechien (deutsch)
- https://www.jpmorgan.com/europe/merchant-services/insights/reports/czech-republic (englisch)
- https://ecommercedb.com/markets/cz/all (englisch)
- https://www.statista.com/study/70350/ecommerce-in-the-czech-republic/ (englisch)
- https://cs.wikipedia.org/wiki/Lidl (tschechisch)
Autor: Eurotext Redaktion
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