„Zurück nach Italien“ mag nicht nur das Motto des einen oder anderen Touristen nach der Pandemie-Zwangspause sein, es bietet sich auch expandierenden Unternehmen als Wegweiser an. Nach dem sprunghaften Anstieg des E-Commerce in Italien während der Corona-Lockdowns hat der Sektor gezeigt, dass es sich um einen nachhaltigen Tendenzwechsel handelt. Bei Wachstumszahlen im zweistelligen Bereich lässt die Zukunft einiges erwarten. So mag es für das eine oder andere Unternehmen sinnvoll sein, nach Süden zu schauen. Zumal die italienischen Kundinnen und Kunden sehr offen für ausländische Anbieter sind.

Daten und Fakten

Als Gründungsmitglied und drittgrößte Wirtschaft der Europäischen Union ist Italien sicherlich niemandem unbekannt. Mit knapp 59 Millionen Einwohnern leben in dem Land am Mittelmeer rund ein Viertel weniger Menschen als in Deutschland. Bei einer Fläche von 301.338 km2, ebenfalls etwas weniger als die Fläche Deutschlands, ergibt das eine Bevölkerungsdichte 195 Einwohnern pro km2 (zum Vergleich, die Dichte Niedersachsens liegt bei 170 Einwohnern pro km2). Allerdings sind Bevölkerung und wirtschaftliche Kraft ungleich verteilt: Sie konzentrieren sich vor allem in der Po-Ebene in Norditalien, mit dem wichtigsten Wirtschaftszentrum des Landes, Mailand, und in den Ballungszentren an den Küsten im Zentrum und Süden des Landes.

Als moderne Industrienation hat der größte Teil der italienischen Bevölkerung, knapp 80%, Zugang zum Internet. Allerdings verwenden nur 59 % der Nutzerinnen und Nutzer das Internet auch zum Einkaufen – ein für Europa eher niedriger Wert. Insofern immerhin 68,5% der Bevölkerung über mobile Endgeräte auf das Internet zugreifen, werden Apps und Smartphone-taugliche Websites immer wichtiger. Schon knapp ein Drittel der Einkäufe wird inzwischen mobil getätigt.

Der aktuelle Trend: Der E-Commerce nimmt zu

12% der italienischen Unternehmen sind im E-Commerce aktiv, und knapp 11% des Umsatzes im Einzelhandel wird online erwirtschaftet. In Zahlen heißt das, dass das Marktvolumen im E-Commerce bei inzwischen 76 Milliarden Euro liegt. Mit einem erwarteten Wachstum von 13,6 % im Jahr 2023 und nur geringfügig niedrigeren Raten in den nächsten Jahren bleibt der Markt dynamisch.

63.000 Geschäfte im Einzelhandel konnten in den letzten 10 Jahren der immer größer werdenden digitalen Konkurrenz nicht standhalten und mussten schließen. Dem Onlinehandel geht es dagegen so gut wie noch nie zuvor: 2019 wurden 6.968 neue Unternehmen angemeldet, die hauptsächlich im Internet verkaufen, 20% mehr als im Jahr 2018. Online geben italienische Konsumentinnen und Konsumenten im Durchschnitt 1608 Euro im Jahr aus, auch hier ist die Tendenz steigend.

2021 sind 67 % der Kundinnen und Kunden auch auf ausländischen Seiten fündig geworden. Dabei sind es vor allem chinesische, britische, US-amerikanische und deutsche Unternehmen, die mit dem E-Commerce in Italien Umsätze machen.

Zahlungsarten

Die Kreditkarte bleibt weiterhin die häufigste Zahlungsmethode beim Onlineshoppen. 33 % der Kaufvorgänge, die von Italienerinnen und Italienern getätigt werden, werden mit der Eingabe von Kreditkartendaten abgeschlossen. Neben MasterCard und VISA ist dabei Nexi Payments, die ehemalige CartaSi, zu erwähnen, dessen Mutterunternehmen Nexi einer der größten Zahlungsdienstleister des Landes ist. Ähnlich beliebt wie die Zahlung per Kreditkarte ist inzwischen die Nutzung von E-Wallets, die bei 32 % der Transaktionen zum Einsatz kommt. Speziell in Italien ist auch Jiffy beliebt, ein lokales Unternehmen, dass Überweisungen vereinfacht.

Branchen und Marktführer

Tourismus und Mode stehen ganz oben in der Liste der Wirtschaftsbereiche, die im E-Commerce erfolgreich sind. Vom Corona-Lockdown haben in Italien am meisten Lieferdienste profitiert, gefolgt von Einkaufszentren, Vertreibern von Haushaltsprodukten und Einrichtungsgegenständen, Freizeitindustrie und Gesundheitsbereich. Insgesamt kaufen italienische Konsumentinnen und Konsumenten neben Kleidung insbesondere Lebensmittel und Elektronik online.

Mit fast 10 % Marktanteil ist der italienische Ableger des Giganten Amazon das mit Abstand größte italienische E-Commerce-Unternehmen. Weit dahinter liegen, ungefähr gleichauf, weitere international bekannte Namen: shein.com, zalando.it, apple.com oder MediaWorld, der italienische Ableger von MediaMarkt. Unter den größeren lokalen Unternehmen kann insbesondere auf esselungaacasa.it, der Onlinestore der Supermarktkette Esselunga, und unieuro.it, ein Elektronik-Einzelhändler, hingewiesen werden.

Digital Tax: So wurde sie in Italien umgesetzt

Im Frühjahr 2020 hat Italien die Digital Tax umgesetzt. Bereits im März 2018 hatte die Europäische Kommission die Einführung der sogenannten Web Tax vorgeschlagen, mit dem Ziel, die Großen des E-Commerce dazu zu zwingen, ihre Umsätze aus dem Onlinehandel in den Ländern zu versteuern, in denen sie ihre Produkte und Leistungen verkaufen. Da hierfür aber keine Einigung auf europäischer Ebene erreicht werden konnte, hat man entschieden, dass jedes Mitgliedsland die Steuer selbst umsetzen soll.

Die Digital Tax wird dem italienischen Staat schätzungsweise Einnahmen in Höhe von rund 700 Millionen Euro pro Jahr ermöglichen, entsprechend einem Steuersatz von 3% auf den Umsatz von Unternehmen, die weltweit mehr als 750 Millionen Euro Umsatz haben, und davon 5,5 Millionen in Italien. Die Digital Tax soll so lange gelten, bis ein internationales Abkommen zur Einführung einer standardisierten Steuer erreicht wird.

Rechtliche Aspekte

Juristisch birgt der Handel in Italien keine nennenswerten Fallstricke. Die meisten Regelungen entsprechen der üblichen EU-Gesetzgebung und weichen nur in Details von deutschen Gesetzen ab.

Zum Beispiel gelten in Deutschland Produktdarstellungen in Onlineshops als Angebot an den Kunden, eine Bestellung und damit ein vertraglich verbindliches Angebot abzugeben. In Italien gilt hingegen bereits die Produktdarstellung selbst als rechtlich verbindliches Vertragsangebot seitens des Händlers. Zumindest dann, wenn auf der Produktseite die AGB aufgeführt oder verlinkt sind und Pflichtinformationen zu den wesentlichen Merkmalen der Ware oder Dienstleistung hinterlegt sind. Für den Händler bedeutet das, dass der Kaufvertrag unmittelbar durch die Bestellung des Kunden zustande kommt, nicht erst durch die Bestätigung des Händlers. Bestellungen sind also bindend und können nicht abgelehnt oder durch Fristen hinausgezögert werden. Ein kleiner aber mitunter wichtiger Unterschied.

Ab 2019 müssen alle Steuerpflichtigen, die als Marktplätze und andere Plattformen den Fernverkauf von Waren innerhalb der EU ermöglichen, dem italienischen Finanzamt einige Informationen über Anbieter und Onlineverkäufe mitteilen. Insbesondere müssen die Stammdaten der Lieferanten und die Gesamtzahl der in Italien verkauften Einheiten für jeden Lieferanten zusammen mit dem Verkaufspreis angegeben werden. Dadurch beabsichtigt die Steuerbehörde eine bessere Überwachung der Onlineverkäufe auf sämtlichen E-Commerce-Plattformen.

Fazit

Wenn man von einigen wenigen benachteiligten Wirtschaftsbereichen absieht, war 2020 das Jahr der Wende im italienischen Onlinehandel. Aus eigener Initiative oder weil der Lockdown nur noch den Einkauf über das Internet erlaubt hat, haben Millionen Italienerinnen und Italiener die Vorteile des E-Commerce kennen gelernt und genutzt. Dies hat in der Folge jenen Unternehmen, die als Vorreiter des Onlinehandels ihre Produkte und Leistungen schon lange im Internet anbieten, ermöglicht, ein noch größeres Publikum anzusprechen. Und es hat denjenigen, die sich noch nicht getraut haben, online zu verkaufen oder das Potential des E-Commerce unterschätzten, den richtigen Weg gezeigt. Schließlich beweisen die Zahlen, dass der Onlinehandel in Italien im Aufschwung ist, und der Trend ist, auch drei Jahre nach der Pandemie, weiter stabil.



Quellen

 


autor_eurotext_100Autor: Eurotext Redaktion

Wir erklären, wie Internationalisierung funktioniert, geben Tipps zu Übersetzungsprojekten und erläutern Technologien und Prozesse. Außerdem berichten wir über aktuelle E-Commerce-Entwicklungen und befassen uns mit Themen rund um Sprache.

 

Bitte beachten Sie: Auch wenn wir in unseren Beiträgen gelegentlich Rechtsthemen ansprechen, stellen diese keine Rechtsberatung dar und können eine solche auch nicht ersetzen. Wenn Sie konkrete Fragen haben, lassen Sie sich bitte von einem Anwalt beraten.