In unserer Reihe „E-Commerce in …“ wollen wir uns dieses Mal der Republik Irland widmen. Irland ist unter anderem als europäischer Sitz verschiedener Internet-Giganten (Google, Facebook, Etsy etc.) bekannt. Das liegt daran, dass Irland sich zum Leidwesen anderer EU-Staaten als Steuer-Oase präsentiert, um große Firmen und damit Arbeitsplätze ins Land zu holen. Für den eigentlichen E-Commerce-Markt ist das aber unbedeutend. Da spielt der Brexit eine größere Rolle. Die irische Wirtschaft hat sich bisher gegenüber den zu erwartenden negativen Folgen aber resistent gezeigt und wächst weiter, insbesondere im Bereich E-Commerce.

Zahlen & Fakten

Die Republik Irland teilt sich eine westlich von Großbritannien gelegene Atlantikinsel mit dem deutlich kleineren Nordirland und grenzt damit an das Vereinigte Königreich. Inklusive der kleineren Inseln vor der Westküste umfasst das Land eine Fläche von 70.280 km², ist also etwa so groß wie Bayern. Der südliche Teil von Irland, wegen der üppigen Vegetation auch als „grüne Insel“ bezeichnet, beheimatet knapp über fünf Millionen Menschen. Das Land ist unterteilt in die drei Provinzen Leinster, Munster, Connacht sowie in einen Teil der Provinz Ulster, die sich bis nach Nordirland erstreckt. Etwa ein Drittel der Einwohner lebt jedoch in der Metropolregion rund um die Hauptstadt Dublin an der Ostküste. Dort befindet sich auch der größte internationale Flughafen des Landes, der sich von Deutschland aus in zwei bis zweieinhalb Stunden Flugzeit erreichen lässt. Die Zeitverschiebung zu Deutschland beträgt dabei eine Stunde.

Irland ist bekannt für seine grünen Hügel und spektakulären Küstenabschnitte. Hohe Berge sucht man hier jedoch vergeblich. Durch den Einfluss des Golfstroms ist das Klima ganzjährig mild – im Winter bleibt die Temperatur meist über dem Gefrierpunkt, dafür wird es im Sommer selten richtig heiß und der Atlantik sorgt für häufige Niederschläge.

Der irische Unabhängigkeitskrieg gegen die britische Herrschaft endete 1921 mit der Gründung des „Freistaates Irland“ im südlichen Teil der irischen Insel. 1949 trat das Land dann endgültig aus dem Commonwealth aus. Zwischen dem katholischen Süden und dem protestantischen Norden kam es in der Folge immer wieder zu – teils gewaltsamen – Konflikten. Während der Norden die Europäische Union mittlerweile gemeinsam mit dem restlichen Vereinigten Königreich verlassen hat, ist die Republik Irland seit 1973 Mitglied der Europäischen Union und seit 1999 auch der Eurozone.

Trends & Einblicke

Die Kosten für einen Festnetz-Breitbandanschluss sind in den vergangenen Jahren stark gesunken. Zählte Irland vor wenigen Jahren in Sachen Internet noch zu den teuersten Ländern Europas, so liegt der Inselstaat mit einem durchschnittlichen Preis von 40 Euro pro Monat für einen Festnetz-Breitbandanschluss nun im europäischen Mittelfeld.

Mit einem erwarteten Wachstum von mehr als 19 % im Jahr 2023 zeigt der irische E-Commerce ein robustes Wachstum, das sich auch in den nächsten Jahren fortsetzen soll: Für die nächsten 5 Jahre wird jährlich mit einem Plus von 11,2% gerechnet. Schon jetzt liegt der Umsatz des E-Commerce bei knapp 6,6 Milliarden US-Dollar – damit liegt Irland auf Rang 44 weltweit.

Unter den E-Commerce-Branchen ist Mode mit mehr als 34 % der irischen E-Commerce-Einnahmen die größte. An zweiter Stelle finden wir Lebensmittel & Körperpflege, gefolgt von Spielzeug, Hobby & DIY. Das reflektiert sich darin, dass bei einer ohnehin hohen Bereitschaft, online einzukaufen – über 80% der irischen Internetnutzer kauften im Jahr 2022 über das Internet auch ein – ganze 71% derselben Gruppe etwas im Bereich Mode kauften. Auch die Covid-19-Pandemie hat starke Spuren hinterlassen: So hat die Bestellung von fertigen Gerichten über das Internet stark zugenommen, inzwischen kaufen 58% der irischen Internetnutzer Essen online ein. Genauso bedingte die Pandemie den vermehrten Kauf von Sportartikeln über das Internet: Umfragen zufolge hängt das vor allem mit dem Wunsch zusammen, Zeit draußen zu verbringen. Am liebsten bezahlen die Iren ihre Online-Einkäufe per Kreditkarte (Visa oder Mastercard), doch auch der Online-Bezahldienst PayPal wird immer beliebter.

Dabei ist die Nutzung des Internets zum Einkaufen geographisch verschieden: Die Menschen in den dichter besiedelten Gebieten im Osten und Süden des Landes nutzen die Angebote des E-Commerce eher als die im dünner besiedelten Zentrum und Westen Irlands. Dubliner kauften dabei am häufigsten online ein (87 %), gefolgt von Personen aus der Region South-East (84 %), während Internetnutzer, die in der Region Midland leben, am wenigsten online einkauften (70 %).

Bei den Präferenzen hinsichtlich der verschiedenen E-Commerce-Unternehmen finden wir an erster Stelle den britischen Ableger von Amazon (amazon.co.uk). An zweiter und dritter Stelle finden wir die lokale Verkaufsplattform donedeal.ie und die irische Variante von eBay (ebay.ie). Trotz der erwarteten negativen Folgen des Brexit liegt die Präferenz der Verbraucher also weiterhin bei der britischen Amazon-Seite.

Die Gunst der Verbraucher könnte sich im Zuge des Brexit aber verändern. Denn der Austritt des Vereinigten Königreichs und damit auch Nordirlands aus der Europäischen Union bringt viele neue Hürden mit sich. Wegen der geographischen Nähe und der gemeinsamen Sprache lag es für viele Iren bisher nahe, Waren aus Großbritannien zu bestellen. Je nach Wert, ursprünglicher Herkunft und Art der Ware können nun aber Einfuhrsteuern auf diese Produkte fällig werden, was viele irische Konsumenten verunsichert. Auch die Versandzeiten aus dem Vereinigten Königreich sind nun teils deutlich länger und Retouren komplizierter als bisher. Kürzlich gaben 44% der Verbraucher an, seit dem Brexit seltener im Vereinigten Königreich einzukaufen. Von denen, die trotzdem noch im Nachbarland einkauften, gaben 46% an, beim Einkauf seien Schwierigkeiten aufgetreten.

Um die neuen bürokratischen Hürden zu umgehen, hat der E-Commerce-Riese Amazon kürzlich sein erstes Fulfillment Center in Irland eröffnet. Auch gesonderte Vertriebswebseiten mit der irischen „.ie“-Domain zusätzlich zu den britischen Ursprungsseiten sind im Gespräch. Das stetige Wachstum des E-Commerce-Marktes in Irland beweist aber, dass sich die Branche insgesamt von diesen Turbulenzen kaum beeindrucken lässt. So könnte sich der Brexit sogar als Chance entpuppen, und zwar nicht nur für die irischen Websites, sondern auch für andere EU-Firmen.

Sprachen

Die wichtigste Amtssprache in Irland ist die Weltsprache Englisch, was den Markt für internationale Anbieter attraktiv macht. Auf Orts- und Straßenschildern sowie in offiziellen Dokumenten findet sich weiterhin auch die zweite Amtssprache Irisch. Die mit dem schottischen Gälisch verwandte  Sprache ist Pflichtfach an den staatlichen Schulen, es gibt jedoch nur noch wenige Muttersprachler und die Sprache spielt im Alltag eine untergeordnete Rolle.

Fazit

Als englischsprachiges EU-Mitglied mit guter digitaler Infrastruktur ist Irland für deutsche Onlinehändler ein interessanter Markt. Durch die immer bessere Internetabdeckung und insbesondere im Zuge der Corona-Pandemie haben neue Konsumenten-Gruppen den Online-Handel für sich entdeckt. Die britischen Versandhändler, die den irischen Markt lange Zeit dominiert haben, stehen durch den Brexit vor bürokratischen Schwierigkeiten und viele irische Kunden orientieren sich aus Furcht vor unsicheren Kosten und schwierigen Retourprozessen neu. Für Anbieter aus der Europäischen Union könnte dies eine gute Gelegenheit sein, um sich durch gezielte Marketing-Kampagnen als Alternative auf dem irischen E-Commerce-Markt zu präsentieren.



Quellen

 


autor_eurotext_100Autor: Eurotext Redaktion

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