In unserer Reihe „E-Commerce in …“ hatten wir den Brexit in unserem Artikel über Großbritannien bereits angeschnitten. Das war im November 2016, als die Entscheidung Großbritanniens, aus der EU auszutreten, ganz frisch war und die Folgen noch nicht abzusehen. Jetzt wollen wir ein Update zum Brexit liefern und die möglichen Folgen aufzeigen – für den Handel im Allgemeinen und den E-Commerce im Besonderen.

Brexit

Am 23. Juni 2016 hat die Mehrheit der wahlberechtigten britischen Bürger in einem Volksentscheid für einen Austritt aus der EU (Brexit) gestimmt, das Austrittsverfahren wurde im März 2017 gestartet. Die Premierministerin des Vereinigten Königreichs, Theresa May, handelte mit der EU einen Vertrag für einen geregelten Austritt aus, den das britische Unterhaus aber bereits drei mal abgelehnt hat. Der ursprüngliche Stichtag für den EU-Ausstieg war der 29.03.2019, dieser Termin wurde aber zunächst auf den 12.04. verschoben. Am 10.04. wurde erneut über eine Verschiebung abgestimmt und so soll der Austritt spätestens am 31.10.2019 erfolgen. Für den Ausstieg gibt es nun drei mögliche Szenarien:

  1. „Soft Brexit“: Geregelter Ausstieg mit Vertrag. Hierzu kommt es, wenn die Briten dem Vertrag zustimmen, den May mit der EU ausgehandelt hat.
  2. „Hard Brexit“: Wird der Vertrag weiter abgelehnt, kommt es zu einem ungeregelten Brexit ohne Vertrag. Dies geschieht auch automatisch am 31.10.2019 um 24 Uhr, wenn es bis dahin zu keiner Einigung gekommen ist.
  3. Absage des Brexits: Die britische Regierung hat bis zuletzt die Möglichkeit, ihren Austrittsantrag von 2017 zurückzuziehen. Dafür ist allerdings ein neuer Volksentscheid nötig, damit dies nicht gegen den Willen der Bürger geschieht – die zu organisieren würde aber einiges an Zeit und Aufwand in Anspruch nehmen.

Wenn es bis zum 22.05.2019 zu keiner Einigung gekommen ist, muss Großbritannien an der Europawahl teilnehmen und über Beschlüsse abstimmen, die das Land gar nicht mehr betreffen. Die EU stellte daher für die Brexit-Verschiebung die Bedingung, dass die Briten keine wichtigen EU-Entscheidungen blockieren.

Folgen für den Handel allgemein

Die Folgen für den Handel hängen vor allem davon ab, welche Form des Brexits am Ende ausgeführt wird – wenn der Antrag nicht wider Erwarten doch noch zurückgezogen wird. Bei einem Hard Brexit ohne Vertrag verlässt das Vereinigte Königreich nicht nur die EU, sondern auch den europäischen Binnenmarkt und die Europäische Zollunion ohne weitere Handelsabkommen. Damit gelten für Großbritannien dann die gleichen Zollvorschriften wie für andere Drittländer außerhalb der Europäischen Zollunion.

Bei einem Soft Brexit wird es eine Übergangsfrist bis zum 01.01.2021 geben, während der beide Parteien über weitere Handelsabkommen verhandeln können. Zum Beispiel könnte Großbritannien wie Norwegen im europäischen Binnenmarkt bleiben und/oder wie die Türkei in der Europäischen Zollunion. Auch für Händler und Kunden wäre dies eine Möglichkeit, sich länger auf die neuen Bedingungen vorzubereiten.

Egal, ob es zu einem Brexit mit oder ohne Vertrag kommt, Sendungen in und aus dem Vereinigten Königreich werden zollpflichtig und damit Zollanmeldungen erforderlich, nur der Zeitpunkt dafür liegt beim Soft Brexit wegen der Übergangsfrist weiter in der Zukunft.

Für deutsche Unternehmen ist Großbritannien vor allem ein wichtiger Markt für Autos und Maschinen. Bisher kann die Ware direkt und ohne zusätzliche Kosten ins Land kommen, doch nach dem Brexit wird es deutlich länger dauern und teurer werden, was dazu führen kann, dass die Briten weniger deutsche Waren bestellen werden. Das würde in Deutschland wiederum vor allem Mitarbeitern in Unternehmen schaden, die z.B. Autos nach Großbritannien verkaufen – laut Expertenschätzung sind etwa 100.000 Arbeitsplätze in Deutschland gefährdet.

Folgen für den E-Commerce

Großbritannien ist das zweitbeliebteste Land, in dem deutsche Onlineshopper einkaufen, auf Platz 1 steht China. Konkret bedeutet das, dass etwa ein Drittel der Deutschen Waren und Dienstleistungen online in Großbritannien einkauft. Bei einem Hard Brexit würde das Vereinigte Königreich für Deutschland und die EU mit Drittländern wie China oder den USA gleichgestellt. Damit wird für einen Warenwert von 22 Euro eine Einfuhrumsatzsteuer von in der Regel 19% fällig, ab 150 Euro unterliegen die Waren den Zolltarifen. Zusätzlich dazu käme weitere Arbeit auf die Zollbehörden zu: Die Waren müssen auf EU-Normen überprüft werden, wie zum Beispiel auf das CE-Zeichen bei technischen Geräten. Bei einem ungeregelten Brexit wird es wahrscheinlich zu einer ungeahnten Bearbeitungswelle für den Zoll kommen, wodurch sich die Sendungslaufzeiten drastisch erhöhen können.

Die Änderungen werden also vor allem für deutsche Kunden spürbar sein, die in britischen Onlineshops bestellen – und damit für die britischen Händler. Hier könnte aber auch ein Vorteil für den deutschen Onlinehandel liegen: Wenn der Wettbewerb durch britische Shops wegen der erschwerten Bedingungen abnimmt, könnte das automatisch zu mehr Umsatz bei deutschen Händlern führen.

Für deutsche Onlinehändler, die auch nach Großbritannien verkaufen, ändert sich nicht viel, denn der Versand in ein künftiges Nicht-EU-Land führt zu keinen rechtlichen Änderungen. Nur die Kunden müssen mit anfallenden Zöllen und Mehrwertsteuer sowie längeren Lieferzeiten rechnen. Da sich der Brexit aktuell weiter verschiebt, können deutsche Unternehmen durchaus noch damit starten, ihre Produkte in Großbritannien anzubieten. Deutschland ist an der Spitze des „Made in Country Index“ – deutsche Produkte waren noch nie so gefragt wie heute! Wichtig ist nur, den Onlineshop richtig zu lokalisieren oder lokalisieren zu lassen.

Fazit

Der Brexit wird sich noch eine Weile hinziehen und die Folgen für den Handel sind erst absehbar, wenn klar ist, wie genau der Brexit durchgeführt werden wird. Das größte Problem ist wohl aktuelle die Unsicherheit darüber, wie es weitergeht. Da sich aber kurzfristig nicht viel ändern wird, ist jetzt noch einmal die Gelegenheit, den eigenen Onlineshop auch für britische Kunden anzubieten.

Quellen:

 

autor_eurotext_100Autor: Eurotext Redaktion

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