Wer im Internet nach einfachen oder niedrigpreisigen Waren sucht, findet eine Vielzahl von Angeboten. Erstaunlich viele davon stammen von chinesischen Händlern. Noch erstaunlicher ist aber, wie günstig diese angeboten und vor allem versendet werden. Das hat verschiedene Gründe – und wird sich 2018 vermutlich radikal ändern.

Man sollte meinen, dass sich der Versand einzelner Kleinteile von China nach Europa wirtschaftlich nicht rechnet, weil der Versand den Warenwert deutlich übersteigt. Trotzdem sind Amazon, eBay & Co. voll von Pfennigartikeln aus Fernost. Elektronisches Zubehör, Werkzeug, Kabel, Spielzeug, Accessoires und vieles mehr wird für einstellige Eurobeträge (oder noch billiger) angeboten. Meist inklusive Versand! Wie geht das?

Das hat vor allem zwei Gründe, die beide mit dem Porto zu tun haben.

1. Chinas Rolle im Weltpostverein

Der Weltpostverein (WPV, engl. Universal Postal Union, UPU) wurde bereits 1874 gegründet und regelt bis heute, wie die nationalen Postbehörden der 192 Mitgliedstaaten zusammenarbeiten. Hauptsächlich geht es darum, den grenzüberschreitenden Postverkehr und die dabei anfallenden Gebühren zu organisieren. Für die Berechnung der Gebühren ist dabei unter anderem entscheidend, welchen Status das jeweilige Land hat. Und damit ist auch schon der entscheidende Grund benannt:

Die Volksrepublik China hat offiziell den Status eines Entwicklungslandes und fällt damit in die günstigste Kategorie. Wer also einen Brief oder ein Paket von China ins Ausland verschickt, muss dafür fast nichts zahlen. Für die Postbehörden im Zielland ist das fast immer ein Minusgeschäft, die Ausgleichszahlungen decken nur selten die Kosten. Die Deutsche Post bzw. DHL sind aber durch ihre Mitgliedschaft im Postverein dazu verpflichtet, die Zustellung durchzuführen.

Diese Subvention ist in den meisten Fällen sinnvoll, um die wirtschaftliche Entwicklung von Ländern zu unterstützen. Zumal Entwicklungsländer meist nur einen sehr geringen Anteil am weltweiten Postversand haben. China hat sich aber in den letzten Jahrzehnten wirtschaftlich rasant entwickelt und versendet mittlerweile gigantische Warenmengen auf dem Postweg. Die Tatsache, dass es trotzdem noch von seinem Status als Entwicklungsland profitiert, kann deshalb nur als Missbrauch bezeichnet werden. Nur zum Vergleich: Ein Paket aus der Schweiz kostet trotz des wesentlich kürzeren Transportweges das Drei- bis Vierfache einer vergleichbaren Sendung aus der Volksrepublik China.

Um diesen Missbrauch zu stoppen, drängen die beteiligten Postunternehmen schon seit längerem auf eine Neubewertung Chinas. 2018 soll es soweit sein. Die Portokosten aus China dürften sich dadurch vervielfachen, was den Markt nachhaltig verändern wird.

2. Briefe statt Pakete

Ein anderes Schlupfloch, das von chinesischen Händlern genutzt wird, ist die Deklarierung ihrer Sendungen. Statt sauber zwischen Briefen und Paketen zu unterscheiden, werden fast alle kleinen und mittelgroßen Waren als Briefe versendet – mit entsprechend niedrigem Porto.

Für die europäischen Postunternehmen ist das ein echtes Problem, denn wenn dieses Verfahren im Herkunftsland zulässig ist, muss der Dienstleister im Zielland das wohl oder übel akzeptieren und die Ware zustellen.

Ab kommendem Jahr wird sich auch das ändern. Sollte das Paket eines ausländischen Händlers als Brief deklariert sein, kann die Postgesellschaft die Zustellung verweigern und Nachporto vom Versender verlangen. Wenn dieses nicht innerhalb von 6 Wochen eintrifft, darf die Sendung sogar vernichtet werden. Für die Post bedeutet das einen erheblichen Zusatzaufwand: Die Sendungen müssen geprüft und eingelagert, die Versender ermittelt und kontaktiert werden. Aber immerhin hat sie damit ein mächtiges Instrument gegen solchen Missbrauch in der Hand.

Es bleibt abzuwarten, wie sich die neuen Regelungen auf den Handel auswirken. Leidtragende werden zuerst die Kunden sein, die möglicherweise noch länger auf ihre Sendung warten müssen. In Einzelfällen vielleicht sogar vergebens. Mittelfristig werden die Preise für geringwertige Waren aus China deutlich steigen. Möglicherweise wird das sogar dazu führen, dass sich das Geschäft mit dem Einzelversand von Kleinteilen gar nicht mehr lohnt und die Waren nur noch teurer über Zwischenhändler in Europa angeboten werden.

Die Sache mit der (Einfuhr-)Umsatzsteuer

Ergänzend sei noch erwähnt, dass viele chinesische Händler noch an einer weiteren Stelle sparen. Dabei handelt es sich aber definitiv nicht mehr um ein Schlupfloch, sondern um handfesten Betrug: Geringwertige Waren, die direkt auf dem Postweg an den Endkunden geschickt werden, werden fast nie korrekt versteuert. Stattdessen verlangen viele Händler die Mehrwertsteuer vom Kunden, führen diese aber nicht an den Fiskus ab. Ähnlich sieht es bei Zollgebühren aus, die dadurch vermieden werden, dass Warensendungen als Geschenke deklariert werden oder der Warenwert zu niedrig angegeben wird. Zoll und Finanzamt können dabei eigentlich nur zuschauen, da die üblichen Strategien nicht greifen und sich ein Verfolgen der Einzelfälle kaum lohnt.

Und selbst wenn der Staat aktiv wird, kommt er an die eigentlich Schuldigen nicht ran. Zwar kann das Finanzamt den chinesischen Händler zur Kasse bitten, zur Zahlung zwingen kann er ihn aber nicht. Es wird deshalb überlegt, ob man die Plattformbetreiber wie Amazon oder eBay per Gesetz in die Pflicht nehmen kann, um auf diesem Weg Druck aufzubauen. Dass bei ihnen Missbrauch getrieben wird, wissen die Marktplätze nämlich sehr genau, dulden es aber meist, da sie selbst daran verdienen.

In der Summe entgehen dem Staat dadurch geschätzt dreistellige Millionenbeträge. Es handelt sich also wahrlich nicht um ein Kavaliersdelikt.

Quellen:

 

autor_eurotext_100Autor: Eurotext Redaktion

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