{"id":14080,"date":"2024-01-16T08:35:27","date_gmt":"2024-01-16T07:35:27","guid":{"rendered":"https:\/\/eurotext.de\/?p=14080"},"modified":"2024-11-11T08:13:06","modified_gmt":"2024-11-11T07:13:06","slug":"geschlechtergerechte-sprache-im-franzoesischen","status":"publish","type":"post","link":"https:\/\/eurotext.de\/blog\/geschlechtergerechte-sprache-im-franzoesischen\/","title":{"rendered":"Geschlechtergerechte Sprache im Franz\u00f6sischen"},"content":{"rendered":"

Im schnelllebigen und globalen Umfeld des E-Commerce<\/a> ist die Wahl der richtigen Worte von entscheidender Bedeutung. In diesem Kontext entfacht sich eine vielseitige Debatte um den Gebrauch der geschlechtergerechten Sprache, im Franz\u00f6sischen<\/a> bekannt als \u201e\u00e9criture inclusive\u201c (inklusives Schreiben) oder \u201elangage \u00e9pic\u00e8ne\u201c (geschlechtsneutrale Sprache). In diesem Beitrag stellen wir die verschiedenen Formen des inklusiven Sprachgebrauchs vor und w\u00e4gen deren Vor- und Nachteile ab, insbesondere im Hinblick auf E-Commerce und \u00dcbersetzungen. Au\u00dferdem wird geschaut, welchen Einfluss die politische Lage der franz\u00f6sischsprachigen L\u00e4nder auf die Umsetzung der geschlechtergerechten Sprache hat.<\/p>\n

Gesellschaftliche Diskussion im franz\u00f6sischsprachigen Raum<\/h2>\n

Insbesondere in Frankreich<\/a> ist die gesellschaftliche Diskussion von einer deutlichen Ablehnung durch ma\u00dfgebliche Institutionen und der entscheidenden Politik gepr\u00e4gt. Die Acad\u00e9mie Fran\u00e7aise<\/em>, eine traditionsreiche staatliche Einrichtung zur Vereinheitlichung und Pflege der franz\u00f6sischen Sprache, hat sich vehement gegen geschlechtergerechte Sprache und speziell gegen die Verwendung von Gender-Zeichen ausgesprochen. Diese Haltung spiegelt sich auch in der Politik wider, wie etwa in der Zustimmung der rechten Mehrheit im Senat im Oktober 2023 zu einem Gesetzentwurf, der bestimmte geschlechtergerechte Formulierungen in Verwaltungsdokumenten verbieten soll \u2013 ein Verbot, das auch der Pr\u00e4sident Macron unterst\u00fctzt. Diese politische Haltung ist nicht neu, da es bereits in den vergangenen Jahren Rundschreiben gab, die die Verwendung bestimmter inklusiver Schreibweisen in offiziellen Texten und im Unterricht untersagten. Trotz dieser politischen Ablehnung findet die geschlechtergerechte Sprache im franz\u00f6sischen Alltag breite Unterst\u00fctzung. So haben Universit\u00e4ten, Unternehmen und Gewerkschaften verschiedene Formen des Genderns in ihre Kommunikation integriert.<\/p>\n

Frankreich hebt sich als einziges franz\u00f6sischsprachiges Land durch seinen besonders restriktiven Umgang mit geschlechtergerechter Sprache hervor. Im Gegensatz dazu wurde in Belgien<\/a> 2021 ein Dekret verabschiedet, das geschlechtergerechte Formulierungen f\u00f6rdert und nicht diskriminierende Praktiken in der offiziellen Kommunikation empfiehlt. In Quebec<\/a> werden seit 2006 inklusive Schreibpraktiken unterst\u00fctzt, die das generische Maskulinum durch geschlechtsneutrale Formulierungen ersetzen. Auch die Schweiz<\/a> f\u00f6rdert seit den 1990er Jahren nicht sexistische und geschlechtsneutrale Schrift in den drei Landessprachen Franz\u00f6sisch, Deutsch<\/a> und Italienisch<\/a>. Trotzdem gibt es auch in diesen L\u00e4ndern Unstimmigkeiten, was die Verwendung von Gender-Zeichen in amtlichen Texten betrifft.<\/p>\n

Formen des geschlechtergerechten Sprachgebrauchs im Franz\u00f6sischen<\/h2>\n

Da jede Sprache ihren eigenen grammatikalischen Regeln folgt und sich historisch in einem anderen Kontext entwickelt hat, ergeben sich auch unterschiedliche Anliegen, die durch einen inklusiven Sprachgebrauch adressiert werden sollen. Im Franz\u00f6sischen ist eines dieser Anliegen die Feminisierung von Titeln, Berufsbezeichnungen und Funktionen<\/strong>. Dabei geht es darum, Frauen mit einer weiblichen Berufsbezeichnung anzusprechen, also eine Ministerin zum Beispiel als \u201eMadame la ministre\u201c statt \u201eMadame le ministre\u201c. Diese Praxis stie\u00df in Frankreich jahrelang auf Widerstand, insbesondere seitens der Regierung und der Acad\u00e9mie Fran\u00e7aise<\/em>. In anderen franz\u00f6sischsprachigen L\u00e4ndern und Regionen wurde bereits 1970 die weibliche Form der Amtsbezeichnung in der Verwaltungssprache eingef\u00fchrt. Es brauchte einen Regierungswechsel und mehrere Antr\u00e4ge von Ministerinnen, um in Frankreich endlich die weibliche Form von Berufs- und Amtsbezeichnungen offiziell umzusetzen. Es dauerte jedoch bis 2019, bis die Acad\u00e9mie Fran\u00e7aise<\/em> erkl\u00e4rte, dass sie grunds\u00e4tzlich keine Hindernisse f\u00fcr diese Praxis sehe.<\/p>\n

Das generische Maskulinum<\/h3>\n

Besonders im Fokus der Kritik steht im Franz\u00f6sischen die grammatikalische Regel des generischen Maskulinums, die besagt: \u201eLe masculin l\u2019emporte sur le f\u00e9minin\u201c (Das Maskulinum hat stets Vorrang vor dem Femininum). Demnach werden gemischtgeschlechtliche oder geschlechtsunspezifische Gruppen ausschlie\u00dflich im grammatischen Maskulinum ausgedr\u00fcckt, z. B. \u201eLes \u00e9tudiants espagnols sont arriv\u00e9s en retard\u201c (Die spanischen Studenten<\/em> sind sp\u00e4t gekommen), auch wenn unter den Studierenden 99 Frauen und ein Mann sind. Im Franz\u00f6sischen gilt ebenfalls, dass sich Adjektive und Pronomen grammatikalisch immer in Geschlecht und Anzahl an das Bezugswort anpassen, sodass teilweise jedes Element im Satz ver\u00e4ndert wird (\u00fcber eine Gruppe aus 100 Studentinnen hie\u00dfe es: \u201eLes \u00e9tudiante<\/strong>s espagnole<\/strong>s sont arriv\u00e9e<\/strong>s en retard\u201c). Die Verwendung des generischen Maskulinums wird von vielen als diskriminierend empfunden, da Frauen nur \u201emitgemeint\u201c, aber nicht explizit angesprochen und repr\u00e4sentiert werden. Dar\u00fcber hinaus hat die Verwendung dieser grammatikalischen Regel, die es auch im Deutschen gibt, psychologische Auswirkungen auf die Sichtbarkeit und Verfestigung von Rollenstereotypen, die wir hier<\/u> <\/a>n\u00e4her beschrieben haben.<\/p>\n

Alternativ zur Verwendung des generischen Maskulinums gibt es im Franz\u00f6sischen verschiedene M\u00f6glichkeiten, sich auf gemischtgeschlechtliche Gruppen zu beziehen: Zum einen Bezeichnungen, die die verschiedenen Geschlechter in der Formulierung auff\u00fchren, zum anderen geschlechtsneutrale Formulierungen, die sich auf ein Kollektiv oder ein Individuum beziehen, ohne ein Geschlecht explizit anzusprechen. Beide haben Vor- und auch Nachteile, die im Folgenden insbesondere im Kontext von \u00dcbersetzung und E-Commerce betrachtet werden.<\/p>\n

Geschlecht ber\u00fccksichtigende Formulierungen: Vor- und Nachteile<\/h3>\n

Eine M\u00f6glichkeit, M\u00e4nner und Frauen gleicherma\u00dfen zu repr\u00e4sentieren und anzusprechen, ist die Nennung beider Geschlechter<\/strong>, also z.B. \u201eChers \u00e9tudiants, ch\u00e8res \u00e9tudiantes\u201c (Liebe Studenten, liebe Studentinnen) \u2013 eine Praxis, die allerdings gerade in Texten mit L\u00e4ngenbegrenzung kritisiert wird.<\/p>\n

Um den Sprachgebrauch \u00f6konomischer zu gestalten, gibt es Vorschl\u00e4ge, die weibliche und m\u00e4nnliche Form zu kombinieren, so wie es z.B. im Deutschen mit den Gender-Zeichen<\/strong> bei \u201eLeser:innen\u201c m\u00f6glich ist. Im Franz\u00f6sischen gibt es zahlreiche Vorschl\u00e4ge f\u00fcr solche verk\u00fcrzten Doppelformen<\/strong>:<\/p>\n