{"id":13993,"date":"2023-12-20T08:56:22","date_gmt":"2023-12-20T07:56:22","guid":{"rendered":"https:\/\/eurotext.de\/?p=13993"},"modified":"2024-11-11T08:13:07","modified_gmt":"2024-11-11T07:13:07","slug":"geschlechtergerechte-sprache-im-spanischen","status":"publish","type":"post","link":"https:\/\/eurotext.de\/blog\/geschlechtergerechte-sprache-im-spanischen\/","title":{"rendered":"Geschlechtergerechte Sprache im Spanischen"},"content":{"rendered":"
In einer Zeit, in der die Gleichstellung der Geschlechter immer mehr in den Vordergrund r\u00fcckt, wird auch \u00fcber den Einfluss der Sprache auf die Wahrnehmung von Geschlechterrollen<\/strong> diskutiert. Wie im deutschsprachigen Raum wird auch in anderen Sprachen kontrovers \u00fcber einen geschlechtergerechten Sprachgebrauch<\/a><\/strong> diskutiert. Dieser Beitrag wirft einen detaillierten Blick auf die aktuellen Diskussionen und Entwicklungen zum geschlechtergerechten Sprachgebrauch im Spanischen<\/a><\/strong>. Dabei werden nicht nur die Vor- und Nachteile der verschiedenen Varianten beleuchtet, sondern auch ihre Anwendbarkeit im E-Commerce<\/a> und bei professionellen \u00dcbersetzungen thematisiert.<\/p>\n Die kontroverse Debatte \u00fcber die Einf\u00fchrung und Umsetzung eines geschlechtergerechten Sprachgebrauchs in der spanischen Sprache spiegelt unterschiedliche Meinungen wider. Zwischen den Bef\u00fcrwortenden eines inklusiven Sprachgebrauchs als Mittel zur Gleichberechtigung und der kritischen Opposition, die diesen Ansatz als unn\u00f6tigen Eingriff in die Sprache betrachtet, findet seit Jahren eine komplexe Diskussion statt. Eine entscheidende Rolle in dieser Debatte spielt die Real Academia Espa\u00f1ola <\/em>(K\u00f6nigliche Spanische Akademie), kurz RAE, eine staatliche Institution zur Normierung und Regulierung der spanischen Sprache, vergleichbar mit dem Duden in Deutschland. Die RAE reagierte kritisch auf die wachsende Zahl von Leitf\u00e4den zum inklusiven Sprachgebrauch und sprach sich f\u00fcr die Bewahrung des generischen Maskulinums aus.\u00a0Gegenstimmen, vor allem aus feministischen Kreisen, verurteilten die konservative Haltung der RAE und betonten, dass Sprache ein lebendiges, kulturelles, von Menschen gemachtes Konstrukt sei, das sich den Bed\u00fcrfnissen der Menschen, die es benutzen, anpassen und die soziale Realit\u00e4t widerspiegeln m\u00fcsse.<\/p>\n Die politische Situation in Spanien darf in dieser Debatte nicht au\u00dfer Acht gelassen werden. In den letzten Jahren wurde das Land von einer linksgerichteten Regierung gef\u00fchrt, die durch das Ministerium f\u00fcr Gleichberechtigung zahlreiche Ma\u00dfnahmen zur F\u00f6rderung der Gleichberechtigung und des Respekts vor der Vielfalt ergriffen hat. Die Rechtslage bez\u00fcglich des inklusiven Sprachgebrauchs in Spanien wird durch verschiedene Rechtsinstrumente geregelt. Insbesondere das Organgesetz 3\/200, Artikel 14.11. und der III. Plan f\u00fcr die Gleichstellung von Frauen und M\u00e4nnern in der allgemeinen Staatsverwaltung f\u00f6rdern die Verwendung inklusiver und nicht diskriminierender Ausdr\u00fccke in der Staatsverwaltung, der Gesetzgebung und der \u00f6ffentlichen Politik. Die \u00f6ffentlichen Verwaltungen in Spanien werden ermutigt, praktische Leitf\u00e4den f\u00fcr eine geschlechtergerechte Sprache zu entwickeln und diese als gute Praxis in allen ver\u00f6ffentlichten Dokumenten zu f\u00f6rdern und zu gew\u00e4hrleisten. Im Folgenden werden einige Methoden des geschlechtergerechten Sprachgebrauchs im Spanischen vorgestellt und ihre Vor- und Nachteile analysiert, insbesondere im Hinblick auf die Umsetzung im E-Commerce und bei Fach\u00fcbersetzungen.<\/p>\n W\u00e4hrend der geschlechtergerechte Sprachgebrauch im Deutschen allgemein unter dem Begriff \u201eGendern\u201c bekannt ist, wird im Spanischen vor allem der Begriff \u201eNicht-sexistischer Sprachgebrauch\u201c (lenguaje no sexista<\/em>) oder \u201einklusiver Sprachgebrauch\u201c (lenguaje inclusivo<\/em>) verwendet. \u00c4hnlich wie im Deutschen ist der am h\u00e4ufigsten kritisierte Sprachgebrauch die Verwendung des generischen Maskulinums, eine Form des sprachlichen Ausdrucks, bei der die grammatikalisch m\u00e4nnliche Form (z.B. “Leser”) verwendet wird, um sich auf eine Leserschaft jeglichen Geschlechts zu beziehen. Mehr zu diesem Ph\u00e4nomen und was genau daran kritisiert wird, haben wir bereits in diesem Blogbeitrag<\/a> behandelt. Um das generische Maskulinum zu vermeiden, kann man auf Bezeichnungen zur\u00fcckgreifen, die das Geschlecht explizit ber\u00fccksichtigen, und auf solche, die geschlechtsneutral sind.<\/p>\n Eine Form, das Geschlecht von Personen anzugeben, ist die doppelte Nennung der weiblichen und m\u00e4nnlichen Form<\/strong> (desdoblamientos<\/em>), bei der bewusst und explizit die weibliche und die m\u00e4nnliche Form genannt wird, z.B. “funcionarias y funcionarios” (“Beamtinnen und Beamte”). Diese Form erm\u00f6glicht eine transparente Darstellung der geschlechtlichen Vielfalt im Besch\u00e4ftigungskontext, wobei darauf zu achten ist, dass die Reihenfolge gewechselt wird, so dass nicht immer zuerst die m\u00e4nnliche und dann die weibliche Form genannt wird. Ein Hauptkritikpunkt ist die Komplexit\u00e4t, L\u00e4nge und m\u00f6gliche Beeintr\u00e4chtigung des Sprachflusses. Die Verwendung von Doppelformen kann als umst\u00e4ndlich empfunden werden und erweist sich insbesondere in Texten mit L\u00e4ngenbegrenzung als schwierig.<\/p>\n Eine andere, \u00f6konomischere Form ist die Verwendung von Schr\u00e4gstrichen<\/strong>, was besonders bei Formularen mit begrenztem Platz sinnvoll ist. Beispiele hierf\u00fcr sind “D.\/D\u00f1a.” (“Herr\/Frau”) oder “La\/el firmante” (“Der\/die Unterzeichnende”). Alternativ kann das Zeichen @ als Platzhalter<\/strong> verwendet werden, m\u00f6glich aufgrund der grammatikalischen Struktur der spanischen Sprache, in der m\u00e4nnliche und weibliche Formen durch “o” und “a” unterschieden werden und das @ beiden Buchstaben \u00e4hnlich ist. So werden “alumnos” (“die Sch\u00fcler”, m.) und “alumnas” (“die Sch\u00fclerinnen”, w.) im inklusiven Sprachgebrauch zu “alumn@s”. Die erste Form wird auch in offiziellen Dokumenten verwendet, w\u00e4hrend die zweite Form eher im informellen Sprachgebrauch, z.B. in sozialen Netzwerken und Foren, verwendet wird. Kritikpunkte sind vor allem der Lesefluss und die \u00c4sthetik des Textes, der durch die Einf\u00fcgung von Zeichen unterbrochen wird. Des Weiteren k\u00f6nnen diese Formen von manchen Menschen als unvollst\u00e4ndig empfunden werden, da sie sich h\u00e4ufig auf die bin\u00e4re Unterscheidung zwischen m\u00e4nnlich und weiblich beschr\u00e4nken, was der Vielfalt geschlechtlicher Identit\u00e4ten m\u00f6glicherweise nicht ausreichend Rechnung tr\u00e4gt.<\/p>\n Formen, die explizit versuchen, die Beschr\u00e4nkungen traditioneller Sprachformen, die oft auf der bin\u00e4ren Unterscheidung zwischen m\u00e4nnlichem und weiblichem Geschlecht beruhen, zu \u00fcberwinden, sind die Verwendung der Buchstaben \u201ex\u201c oder \u201ee\u201c<\/strong> anstelle des grammatikalisch m\u00e4nnlichen \u201eo\u201c. So werden aus “alumnos” entweder “alumnxs” oder “alumnes”. Ziel ist es, allen Geschlechtsidentit\u00e4ten Raum zu geben, ohne das Geschlecht der genannten Personen zu spezifizieren, und die Vielfalt der Geschlechtsidentit\u00e4ten jenseits bin\u00e4rer Kategorien anzuerkennen und zu respektieren. Diese Verwendung steht im Einklang mit den Bem\u00fchungen um Gender-Zeichen in der deutschen Sprache. Insbesondere die Verwendung des Buchstabens \u201ee\u201c wird bef\u00fcrwortet, da durch den Austausch eines Vokals die Lesbarkeit und Aussprechbarkeit erhalten bleibt und gleichzeitig mit der historischen Sprachtradition gebrochen wird. Einige halten diese Praxis f\u00fcr problematisch, da sie die Lesbarkeit und das Verst\u00e4ndnis des Textes beeintr\u00e4chtigen k\u00f6nnte, da sie nicht den traditionellen grammatikalischen Regeln folgt.<\/p>\n Es ist auch m\u00f6glich, geschlechtsneutral zu formulieren, indem geschlechtsneutrale Begriffe<\/strong> verwendet werden, die jeglichen Geschlechts sein k\u00f6nnen und sich sowohl auf eine Person im Singular als auch auf mehrere Personen im Plural beziehen k\u00f6nnen (spanischer Fachbegriff: sustantivos epicenos<\/em>). Beispiele sind “persona” (“Person”), “ser humano” (“Mensch”), “criatura” (“Kind”). Eine weitere M\u00f6glichkeit ist die Verwendung von Sachbezeichnungen f\u00fcr Kollektive<\/strong> (sustantivos colectivos<\/em>), einschlie\u00dflich Berufe wie z.B. “profesorado” (“Lehrerschaft”), statt \u201eprofesores\u201c (“Lehrer”) oder “alumnado” (“Sch\u00fclerschaft”) statt \u201ealumnos\u201c (“Sch\u00fcler”). In diesem Stil ist es auch m\u00f6glich abstrakte Substantive<\/strong> (sustantivos abstractos<\/em>) zu verwenden, um sich auf \u00c4mter oder Titel zu beziehen, anstatt die Personen zu nennen, die sie innehaben: \u201edirecci\u00f3n” (“Leitung”), “administraci\u00f3n” (“Verwaltung”) oder “secretar\u00eda” (“Sekretariat”).<\/p>\n Eine andere Form ist die Umschreibung<\/strong>, bei der nominale Gruppen es erm\u00f6glichen, sich auf Personengruppen zu beziehen, ohne das Geschlecht anzugeben: “comunidad educativa” (“Bildungsgemeinschaft”) und “personal docente e investigador” (“Lehr- und Forschungspersonal”). Es ist auch m\u00f6glich, generische Aussagen durch das unpers\u00f6nliche Passiv<\/strong> (estructuras de impersonalizaci\u00f3n<\/em>) oder durch die Verwendung des Infinitivs und des Gerundiums<\/strong> zu umschreiben, wie z.B. “Se debe firmar la solicitud” (“Der Antrag muss unterschrieben werden”). Ebenso k\u00f6nnen die unver\u00e4nderlichen Indefinitpronomen<\/strong> (pronombres indefinidos<\/em>) \u201enadie\u201c, \u201ecada\u201c, \u201ealguien\u201c sowie das Relativpronomen<\/strong> \u201equien\u201c verwendet werden, da bei ihrer Verwendung keine Geschlechtsangabe erforderlich ist (\u201eHay quienes opinan\u201c statt \u201eHay algunos que opinan\u201c).<\/p>\n Es wird kritisiert, dass geschlechtsneutrale Formen, die auf die Angabe des Geschlechts verzichten, zu Informationsverlust und Verwirrung f\u00fchren k\u00f6nnen, insbesondere in Kontexten, in denen das Geschlecht relevant ist. Weitere Bedenken beziehen sich auf die m\u00f6gliche Einschr\u00e4nkung der Vielfalt bei der Darstellung von Geschlechtsidentit\u00e4ten und -erfahrungen, was in der Gleichstellungsdebatte kontraproduktiv sein k\u00f6nnte. Auch k\u00f6nnte sich die konsequente Verwendung geschlechtsneutraler Formen in der Praxis als schwierig erweisen, was dazu f\u00fchren k\u00f6nnte, dass auf bekannte Formen zur\u00fcckgegriffen wird, um Missverst\u00e4ndnisse zu vermeiden. Positive Stimmen betonen, dass geschlechtsneutrale Formen zu einer inklusiveren Sprache beitragen und eine breitere Zielgruppe ansprechen, ohne bestimmte Geschlechter zu bevorzugen oder zu vernachl\u00e4ssigen. Im E-Commerce kann dies zu einer h\u00f6heren Akzeptanz und Identifikation innerhalb einer vielf\u00e4ltigen Kundschaft f\u00fchren. Die praktische Umsetzung erfordert ein gewisses Ma\u00df an Sensibilit\u00e4t, Kreativit\u00e4t und bewusster Wortwahl, kann aber von erfahrenen Fach\u00fcbersetzenden gekonnt umgesetzt werden. Der Prozess der Geschlechtsneutralit\u00e4t ist nicht notwendigerweise kompliziert oder umst\u00e4ndlich, sondern eher eine Anpassung an neue sprachliche Konventionen, bei der zwischen der Wahrung der Integrit\u00e4t des Textes und der F\u00f6rderung geschlechtsneutraler Sprachgewohnheiten abgewogen werden muss.<\/p>\n Im E-Commerce und bei \u00dcbersetzungen sind geschlechtsneutrale Formulierungen empfehlenswert, da sie weniger auff\u00e4llig, grammatikalisch korrekt und platzsparend sind und gleichzeitig inklusiver und respektvoller. Die konsequente Verwendung geschlechtergerechter Formulierungen sollte bereits bei der Texterstellung im Online-Shop ber\u00fccksichtigt werden, um eine nahtlose \u00dcbersetzung zu erm\u00f6glichen. Trotz des Mehraufwands k\u00f6nnen positive R\u00fcckmeldungen und ein verbessertes Unternehmensimage den Aufwand f\u00fcr E-Commerce und \u00dcbersetzung rechtfertigen. Auf die spezifischen Aspekte, die im E-Commerce und in der \u00dcbersetzung zu beachten sind, wenn es um die Verwendung geschlechtergerechter Sprache im Allgemeinen geht, wurde hier<\/u> <\/a>bereits eingegangen.<\/p>\n Das Thema geschlechtergerechte Sprache und ihre Umsetzung insbesondere in der \u00f6ffentlichen Verwaltung ist im Spanischen von gro\u00dfer Relevanz. Zahlreiche Leitf\u00e4den zur inklusiven Sprache, die sowohl vom Staat als auch von den Comunidades Aut\u00f3nomas<\/em> (vergleichbar mit den Bundesl\u00e4ndern) aufgrund gesetzlicher Vorgaben herausgegeben werden, bieten eine schnelle Orientierung \u00fcber verschiedene Formen des geschlechtergerechten Sprachgebrauchs. Dar\u00fcber hinaus nutzen einige \u00f6ffentliche Einrichtungen und private Unternehmen Softwarel\u00f6sungen, die auf k\u00fcnstlicher Intelligenz basieren, wie z.B. THEMIS. Diese Programme erkennen nicht inklusive Sprachformen und schlagen alternative Formulierungen vor. Diese Implementierungen zeigen das Engagement im spanischen Sprachraum, auch wenn es gleichzeitig kritische Stimmen gibt, insbesondere von Seiten der einflussreichen RAE.<\/p>\nGesellschaftliche Diskussion im spanischsprachigen Raum<\/strong><\/h1>\n
Formen des geschlechtergerechten Sprachgebrauchs<\/strong><\/h1>\n
Geschlecht ber\u00fccksichtigende Bezeichnungen: Vor- und Nachteile<\/strong><\/h2>\n
Geschlechtsneutrale Bezeichnungen: Vor- und Nachteile<\/strong><\/h2>\n
Fazit<\/strong><\/h1>\n