{"id":12512,"date":"2022-07-11T10:33:16","date_gmt":"2022-07-11T08:33:16","guid":{"rendered":"https:\/\/eurotext.de\/?p=12512"},"modified":"2024-09-30T08:45:23","modified_gmt":"2024-09-30T06:45:23","slug":"franzoesisch-und-seine-varianten","status":"publish","type":"post","link":"https:\/\/eurotext.de\/blog\/franzoesisch-und-seine-varianten\/","title":{"rendered":"Franz\u00f6sisch und seine Varianten"},"content":{"rendered":"
Franz\u00f6sisch<\/strong> z\u00e4hlt mit rund 300 Millionen Sprechern<\/strong> zu einer der meist gesprochenen Sprachen auf der Welt. Davon sind es jedoch nur 96,5 Millionen Menschen, die Franz\u00f6sisch als Muttersprache<\/strong> sprechen. Die restlichen Sprecher befinden sich in \u00fcber 50 L\u00e4ndern auf allen Kontinenten verteilt, dort wo Franz\u00f6sisch Amts- oder Verkehrssprache ist. Da wundert es nicht, dass sich mit der Zeit zum Teil erhebliche Unterschiede in Grammatik, Wortschatz und Aussprache ergeben haben. Wir zeigen, welche Unterschiede es gibt und wie diese bei einer Fach\u00fcbersetzung ber\u00fccksichtig werden sollten.<\/p>\n Wie wurde Franz\u00f6sisch \u00fcberhaupt zu einer so internationalen Sprache? Die Verbreitung des Franz\u00f6sischen begann in Europa, als sie zur offiziellen Sprache der europ\u00e4ischen H\u00f6fe wurde und im 17. und 18. Jahrhundert im Bildungswesen und in der Diplomatie Verwendung fand. Mit der Kolonialisierung weiter Teile Kanadas, der Karibik und Afrikas fand die franz\u00f6sische Sprache ihren Weg \u00fcber die Grenzen Europas hinweg. Auch nach der Unabh\u00e4ngigkeit der einst franz\u00f6sischen Kolonien war die Sprache so weit verbreitet, dass sie vielerorts die Amtssprache blieb.<\/p>\n Zun\u00e4chst schauen wir uns die Variante des Franz\u00f6sischen unserer direkten franz\u00f6sischsprachigen Nachbarn in Europa an, angefangen mit Frankreich<\/a> selbst, und dann die franz\u00f6sischen Varianten gesprochen in den ehemaligen Kolonien in Nordamerika und Afrika.<\/p>\n In Frankreich<\/a> sind die meisten der 96,5 Millionen Muttersprachler angesiedelt. Die Form des Franz\u00f6sischen, die in Frankreich, genauer gesagt in Paris, gesprochen wird, gilt als Standardversion<\/strong> des Franz\u00f6sischen. Sie wird auch internationales Franz\u00f6sisch<\/strong><\/em> genannt\u00a0 und ist die Variante, die Franz\u00f6sischlernenden weltweit beigebracht wird. In Frankreich selbst gibt es auch regionale Unterschiede, so z.B. sprechen die Franzosen aus dem S\u00fcden f\u00fcr gew\u00f6hnlich schneller und die Silben sind viel ausgepr\u00e4gter als im Rest Frankreichs.<\/p>\n Die franz\u00f6sische Sprache genie\u00dft bei den Franzosen einen sehr hohen Stellenwert. So hoch, dass versucht wird, sie mit einer konsequenten Sprachpolitik von allen Fremdspracheneinfl\u00fcssen, wie z.B. Anglizismen, zu sch\u00fctzen. Das, sowie das franz\u00f6sische Schulsystem, haben unter anderem dazu beigetragen, dass der durchschnittliche Franzose ziemlich geringe Fremdsprachenkenntnisse hat. In der internationalen Studie des English Proficiency Index<\/em> zur Ermittlung der Englischkenntnisse<\/strong> als Fremdsprache belegte Frankreich im Jahr 2021 den 31. Platz. Zum Vergleich: Deutschland<\/a> liegt auf Platz 11 und auf Nummer 1 die Niederlande<\/a>. Mit dem Spanischen<\/a> verh\u00e4lt es sich \u00e4hnlich: nur 13% der franz\u00f6sischen Bev\u00f6lkerung sprechen Spanisch, wovon die meisten spanische Muttersprachler sind, die nach Frankreich ausgewandert sind.<\/p>\n Weitere franz\u00f6sischsprachige L\u00e4nder in direkter N\u00e4he\u00a0 sind Belgien<\/a>, Luxemburg<\/a> und die Schweiz<\/a>. In Belgien ist Franz\u00f6sisch eine der drei offiziellen Sprachen zusammen mit Niederl\u00e4ndisch und Deutsch<\/a>. Etwa 45% der Bev\u00f6lkerung sprechen muttersprachlich Franz\u00f6sisch – haupts\u00e4chlich in den Regionen Wallonien und der zweisprachigen Region Br\u00fcssel-Hauptstadt. Das in Belgien gesprochene Franz\u00f6sisch unterscheidet sich durch die r\u00e4umliche N\u00e4he und die dadurch \u00e4hnlichen soziokulturellen Kontexte nur wenig von dem Franz\u00f6sisch in Frankreich oder der Schweiz. Geringe Unterschiede gibt es in der Aussprache, z.B. die Differenzierung von Nasallauten, die in Frankreich zu einem zusammengeschlossen wurden: In Belgien werden brin<\/em>\u00a0(Stiel) und\u00a0brun<\/em>\u00a0(braun) immer noch anders ausgesprochen.<\/p>\n Auf lexikalischer Ebene findet man im belgischen Franz\u00f6sisch sogenannte Archaismen<\/strong>, also Begriffe, die in Frankreich mittlerweile als veraltet gelten. Ein bekanntes Beispiel daf\u00fcr ist die Verwendung der Zahlw\u00f6rter septante<\/em>\u00a0f\u00fcr “siebzig” und\u00a0nonante<\/em>\u00a0f\u00fcr “neunzig”, im Gegensatz zum Standardfranz\u00f6sischen\u00a0soixante-dix<\/em>\u00a0(w\u00f6rtlich “sechzig-zehn”) und\u00a0quatre-vingt-dix<\/em> (“vier-zwanzig-zehn”).\u00a0Diese waren in Frankreich bis etwa im 16. Jahrhundert \u00fcblich, bis dann die neueren Formen zu dominieren begannen. Auch in der Schweiz wird auf das typisch franz\u00f6sische Rechnen zur Ermittlung von Zahlw\u00f6rtern verzichtet und es werden die \u00e4lteren Formen verwendet. Zu beachten ist jedoch, dass in der Schweiz auch noch das Wort huitante<\/em>\u00a0anstelle von\u00a0quatre-vingt<\/em>\u00a0(80) verwendet wird \u2013 in Belgien hat sich f\u00fcr die Zahl 80 die Form des Standardfranz\u00f6sischen durchgesetzt.<\/p>\n Da Belgien durch seine Dreisprachigkeit im engen Kontakt mit dem Deutschen und dem Niederl\u00e4ndischen steht, ist es nur logisch, dass sich die Sprachen gegenseitig beeinflusst haben. So finden sich im belgischen Franz\u00f6sisch die sogenannten Belgizismen<\/strong>, W\u00f6rter, die dort ihren Ursprung haben: bourgmestre<\/em> statt maire<\/em> (B\u00fcrgermeister), \u00e9chevin<\/em>\u00a0statt\u00a0adjoint au maire<\/em> (Beigeordneter) oder ath\u00e9n\u00e9e<\/em> statt lycee<\/em> (Gymnasium). Auch in der Grammatik, die eigentlich sehr dem Standardfranz\u00f6sischen \u00e4hnelt, finden sich hier und da germanische Einfl\u00fcsse: \u00c7a me go\u00fbte<\/em>, im Standardfranz\u00f6sisch \u00e7a me pla\u00eet<\/em> (“Ich mag es” im Sinne von “Es schmeckt mir”), ist ein Lehn\u00fcbersetzung des niederl\u00e4ndischen Dat smaakt<\/em>. Insgesamt sind die lexikalischen Unterschiede zwischen Standardfranz\u00f6sisch und belgischem Franz\u00f6sisch jedoch gering. Ein Belgier versteht einen Franzosen in etwa so wie ein englischsprachiger Kanadier einen Briten versteht.<\/p>\n Direkt neben Belgien liegt Luxemburg<\/a>, wo Franz\u00f6sisch \u2013 neben Deutsch \u2013 offizielle Amtssprache ist. Laut einer Studie des Bildungsministeriums von 2018 sprechen 98% der luxemburgischen Bev\u00f6lkerung Franz\u00f6sisch, 80% Englisch und 78% Deutsch. Luxemburgisch wird von 77% der Bev\u00f6lkerung genutzt. Je nach Einsatzgebiert variiert die Wahl der Sprache: Franz\u00f6sisch ist besonders als Kommunikationssprache im Bereich des Handels, sowie in der Hotellerie von Bedeutung. Luxemburgisch wird besonders im Radio- und Fernsehen verwendet, w\u00e4hrenddessen Printmedien bevorzugterweise auf Deutsch zur Verf\u00fcgung stehen.<\/p>\n Einige der oben genannten Belgizismen finden sich durch den engen kulturellen und politischen Kontakt mit Belgien auch im luxemburgischen Franz\u00f6sisch, unter anderem z.B. die Verwendung von bourgmestre<\/em> statt maire<\/em>. Durch die N\u00e4he zu Deutschland haben sich auch W\u00f6rter eingeschlichen, die sich von der Struktur her am luxemburgischen bzw. deutschen Verst\u00e4ndnis orientieren: place de travail <\/em>statt emploi<\/em> (“Arbeitsplatz”) oder place de jeux <\/em>statt terrain<\/em> (“Spielplatz”). Wenn drei Sprachen nebeneinander fast gleichwertig existieren, ist es unvermeidbar, dass sie sich gegenseitig beeinflussen.<\/p>\n Auch in der Schweiz werden drei Amtssprachen gleichberechtigt nebeneinander verwendet: Deutsch, Italienisch und Franz\u00f6sisch. Vier Kantone der Schweiz sind offiziell franz\u00f6sischsprachig, drei Kantonen gelten als zweisprachig. Genau wie in Belgien haben sich im Gegensatz zum Standardfranz\u00f6sisch sogenannte Archaismen<\/strong> erhalten. So werden in der Schweiz die drei Tagesmahlzeiten noch immer so bezeichnet, wie es bis Anfang des 19. Jahrhunderts in Frankreich \u00fcblich war: d\u00e9jeuner<\/em>\u00a0(Fr\u00fchst\u00fcck),\u00a0d\u00eener<\/em>\u00a0(Mittagessen) und\u00a0souper<\/em> (Abendessen). Im Vergleich hei\u00dft es in Frankreich petit-d\u00e9jeuner<\/em> (“Fr\u00fchst\u00fcck”), d\u00e9jeuner<\/em> (“Mittagessen”) und diner<\/em> (“Abendessen”). Auch die Aussprache der verl\u00e4ngerten Schlussvokale in W\u00f6rtern wie journ\u00e9e<\/em> oder amie<\/em> ist teilweise so geblieben, wie sie in der Aussprache des Pariser Franz\u00f6sischen bis ins 18. Jahrhundert \u00fcblich waren.<\/p>\n Ein interessantes Ph\u00e4nomen, das in der franz\u00f6sischen Schweiz vorkommt, ist das sogenannte fran\u00e7ais<\/em> f\u00e9d\u00e9ral<\/em>\u00a0(\u201eBundesfranz\u00f6sisch\u201c), ein Franz\u00f6sisch, das klar erkennbar deutschschweizerisch gepr\u00e4gt ist. Viele administrative Texte werden zun\u00e4chst auf Deutsch verfasst und werden dann ins Franz\u00f6sische \u00fcbersetzt. Durch wortgetreues oder ungenaues Vorgehen, kann es dazu kommen, dass die deutsche Satzstruktur oder feststehende Redewendungen ins Franz\u00f6sische \u00fcbernommen werden. Auch das Auftauchen von false<\/em> friends<\/em> ist hier \u00fcblich, typisch z.B. \u201eProtokoll\u201c mit protocole<\/em> (statt proc\u00e8s-verbal<\/em>) zu \u00fcbersetzen. Durch die geographische N\u00e4he zu Deutschland und dem Nebeneinanderleben zweier Sprachen hat das Schweizerfranz\u00f6sisch auch eine Reihe von W\u00f6rtern aus dem\u00a0Deutschen \u00fcbernommen, z.B.\u00a0 poutzer<\/em> (\u201ereinigen\u201c).<\/p>\n Weitere L\u00e4nder in Europa, in denen Franz\u00f6sisch offizielle Amtssprache ist, sind Monaco, Andorra, die Region Aostatal in Italien<\/a> und die beiden britischen Inseln im \u00c4rmelkanal Guernsey und Jersey. Auf letzteren wird das Standardfranz\u00f6sisch nach und nach vom Englischen als Bildungs-, Handels- und Verwaltungssprache verdr\u00e4ngt. Im Alltag wird neben Englisch<\/a> ein normannischer Dialekt des Franz\u00f6sischen gesprochen, der jedoch stark vom Standardfranz\u00f6sisch abweicht und nur von wenigen Muttersprachlern gesprochen wird, deren Zahl zudem aufgrund des hohen Alters der Sprecher abnimmt. Trotzdem werden Anstrengungen unternommen, die Sprache am Leben zu erhalten.<\/p>\n Die meisten Menschen, die Franz\u00f6sisch als ihre Muttersprache au\u00dferhalb von Europa angeben, leben in Quebec. Durch eine Expedition unter der Leitung von Jacques Cartier im Jahre 1534 wurde die Region Gasp\u00e9-Halbinsel in der heutigen Provinz Quebec erkundet und zu franz\u00f6sischem Besitz erkl\u00e4rt. Neufrankreich wurde gegr\u00fcndet, franz\u00f6sische Kolonisten siedelten sich bis ins 17. und 18. Jahrhundert in \u201eNew France\u201c an und brachten das klassische Franz\u00f6sisch mit nach Nordamerika.<\/p>\nFrankreich<\/h2>\n
Belgien, Luxemburg und die Schweiz<\/h2>\n
Kanada<\/h2>\n