{"id":12407,"date":"2022-04-11T14:26:37","date_gmt":"2022-04-11T12:26:37","guid":{"rendered":"https:\/\/eurotext.de\/?p=12407"},"modified":"2024-09-30T08:45:29","modified_gmt":"2024-09-30T06:45:29","slug":"spanisch-und-seine-varianten","status":"publish","type":"post","link":"https:\/\/eurotext.de\/blog\/spanisch-und-seine-varianten\/","title":{"rendered":"Spanisch und seine Varianten"},"content":{"rendered":"

Die spanische Sprache<\/strong> belegt hinter Mandarin<\/strong> den zweiten Platz der meistgesprochenen Sprachen und liegt damit sogar einen Platz vor Englisch<\/a><\/strong>. Mehr als eine halbe Milliarde Spanisch-Muttersprachler gibt es weltweit! Das Verbreitungsgebiet des Spanischen erstreckt sich \u00fcber Europa \u2013 hier nicht nur Spanien<\/a>, sondern auch Andorra und Gibraltar \u2013, S\u00fcdamerika, Mittelamerika, die Karibik und Nordamerika. Sogar in Asien und Afrika finden sich spanische Muttersprachler, da die Philippinen, \u00c4quatorialguinea und die Westsahara einst spanische Kolonien waren. Was es dabei f\u00fcr Gemeinsamkeiten und Unterschiede in der spanischen Sprache gibt und was bei einer \u00dcbersetzung zu beachten ist, wollen wir im Folgenden erkl\u00e4ren. <\/p>\n

Die verschiedenen kulturellen und sozialhistorischen Kontexte haben dabei dazu beigetragen, dass das Spanisch<\/strong>, was man in Madrid<\/strong> h\u00f6rt, nicht dem gleicht, das man in Buenos Aires<\/strong> oder wiederum in San Jos\u00e9<\/strong> in Costa Rica h\u00f6rt. Auch in Spanien selbst h\u00f6rt man einen gro\u00dfen Unterschied zwischen Muttersprachlern aus dem S\u00fcden und aus dem Norden.<\/p>\n

Vergleicht man das Spanisch Europas<\/strong> und S\u00fcd-\/Mittelamerikas,<\/strong> so ist die erste Auff\u00e4lligkeit, dass zwei verschiedene Begriffe verwendet werden, um die eigene Sprache zu bezeichnen. In den lateinamerikanischen L\u00e4ndern wird sie allgemein espa\u00f1ol<\/em><\/strong>, also Spanisch<\/strong><\/em>, genannt. Ein Spanier hingegen bezeichnet sein Spanisch als castellano<\/em><\/strong>, nach der Provinz Kastilien. Ein Begriff, der vor allem der Abgrenzung von anderen in Spanien<\/a> gesprochen Sprachen wie Katalanisch, Baskisch oder Galizisch dienen soll. Castellano<\/em> <\/strong>ist zwar in ganz Spanien die offizielle Amtssprache, aber in den jeweiligen Regionen, z.B. Katalonien, Valencia oder dem Baskenland ist die jeweilige regionale Sprache offizielle regionale Amtssprache und wird zur Achtung des kulturellen Erbes auch konsequent im \u00f6ffentlichen Leben verwendet.<\/p>\n

castellano<\/em> (“Spanisches Spanisch”) vs. espa\u00f1ol<\/em> (“Lateinamerikanisches Spanisch”)<\/h2>\n

Neben dieser sprachlichen Vielfalt innerhalb Spaniens gibt es auch Unterschiede zwischen dem castellano<\/em> <\/strong>Spaniens und dem espa\u00f1ol<\/strong> <\/em>Lateinamerikas. Auch wenn letzteres wegen der geographischen Ausbreitung ein sehr weites Gebiet umfasst, finden sich in ganz Lateinamerika zwei einheitliche Charakteristika.<\/p>\n

seseo<\/em> vs. ceceo<\/em><\/h3>\n

Ein typischer Unterschied liegt darin, wie die S-Laute ausgesprochen werden. In Lateinamerika werden die Phoneme (=Laute) \/s\/ und \/\u03b8\/ nicht unterschieden, die Buchstaben <c>, <z>, und <s> werden also wie das im Deutschen bekannte scharfe <s> ausgesprochen. Dieses Ph\u00e4nomen nennt man seseo.<\/em><\/strong> In Spanien (mit Ausnahme der s\u00fcdlichen Regionen) werden das <c> und <z> hingegen gelispelt, also \u00e4hnlich wie das englische <th> in dem Wort “the” gesprochen. Diese Aussprache wird als ceceo<\/em><\/strong> bezeichnet.<\/p>\n

Wenn ein Peruaner in einer Bar ein Bier (“cerveza”) bestellen m\u00f6chte, dann sagt er \u201eservesa\u201c ([s\u025b\u027e\u02c8\u03b2esa]). Bei einem madrile\u00f1o<\/em> (Spanier aus Madrid) h\u00f6rt man hingegen \u201ethervetha\u201c ([\u03b8\u025b\u027e\u02c8\u03b2e\u03b8a]).<\/p>\n

vosotros<\/em> vs. ustedes<\/em><\/h3>\n

Das zweite sprachliche Ph\u00e4nomen, das in ganz Lateinamerika einheitlich auftritt, ist das Wegfallen des zweiten Personalpronomens im Plural vosotros<\/em><\/strong>.<\/em> In Lateinamerika verwendet man stattdessen ustedes<\/em><\/strong>, das Personalpronomen, das in Spanien dem h\u00f6flichen Siezen vorbehalten ist. Den Satz \u201eWollt ihr einen Spaziergang machen?\u201c sagt man in Spanien \u201e\u00bf(Vosotros) quer\u00e9is dar un paseo?\u201c und in Lateinamerika als \u201e\u00bf(Ustedes) quieren dar un paseo?\u201c W\u00fcrde man letztere Variante in Spanien verwenden, dann w\u00fcrde sich dies als \u201eWollen Sie einen Spaziergang machen?\u201c \u00fcbersetzen lassen. Ein kleiner aber feiner Unterschied.<\/p>\n

Landestypische Varianten<\/h2>\n

voseo<\/em> vs. tuteo<\/em><\/h3>\n

Neben diesen beiden einheitlich verwendeten Aspekten gibt es weitere Besonderheiten, die nur in einzelnen L\u00e4ndern Lateinamerikas vorkommen. Eine davon ist das Ersetzen des zweiten Personalpronomens im Singular t\u00fa<\/em> (also das Deutsch “du”) mit dem Pronomen vos<\/em>. Dieses Ph\u00e4nomen ist allgemein bekannt als voseo<\/em><\/strong>, w\u00e4hrend das Verwenden des Pronomens t\u00fa<\/em> tuteo<\/em> <\/strong>genannt wird. Der voseo<\/em> ist in jedem Land Lateinamerikas au\u00dfer Puerto Rico und der Dominikanischen Republik pr\u00e4sent. Dabei muss man aber auch noch zwischen gesprochener und geschriebener Sprache unterscheiden: In einigen Regionen gilt der voseo<\/em> in geschriebener Form als umgangssprachlich, wird also nur selten verwendet, w\u00e4hrend er in der gesprochenen Sprache selbstverst\u00e4ndlich ist.<\/p>\n

ye\u00edsmo<\/em> vs. lle\u00edsmo
\n<\/em><\/h3>\n

Ursprung der Unterschiede<\/h2>\n

Ein interessanter Aspekt ist, dass es eine gro\u00dfe \u00c4hnlichkeit zwischen dem Spanisch Andalusiens, dem Spanisch der kanarischen Inseln und dem in Lateinamerika gesprochenen Spanisch gibt. Diese linguistischen Ph\u00e4nomene sind haupts\u00e4chlich phonologischer und phonetischer Art. Der lateinamerikanische seseo<\/em> z.B. ist auch in Andalusien und den Kanaren weit verbreitet, und auch die konsonantische Schw\u00e4chung, beispielsweise das Hauchen des <s> oder der Verlust des weichen <d> zwischen zwei Vokalen. In Andalusien und den Kanaren w\u00fcrde man den Satz \u201eLos ni\u00f1os han comido el pescado con las manos\u201c (“Die Kinder haben den Fisch mit den H\u00e4nden gegessen”) wie folgt h\u00f6ren: \u201eLoh ni\u00f1oh han com\u00edo el pescao con lah manoh\u201c.<\/em> Auch das Vertauschen von \/r\/ und \/l\/ vor Konsonanten, das in Lateinamerika vor allem auf den Antillen gel\u00e4ufig ist, findet sich auch im S\u00fcden Spaniens: das Wort alma<\/em> (“Seele”) wird so zu \u201earma<\/em>\u201c.<\/p>\n

Ob die Urspr\u00fcnge des amerikanischen Spanischs im Andalusischen liegen, ist eine sprachwissenschaftliche Theorie, auch teor\u00eda andalucista <\/em>genannt,<\/em> die zwischen Linguisten stark debattiert wurde. Auch wenn offensichtlich ist, dass die charakteristischsten phonetischen Merkmale des amerikanischen Spanischs, wie der seseo<\/em> und die Abschw\u00e4chung des <d>, nicht allgemein auf dem amerikanischen Kontinent und nicht ausschlie\u00dflich in Andalusien zu finden sind, ist doch ein erheblicher Einfluss des andalusischen Dialektes in den lateinamerikanischen Varianten zu finden. Dies hat sicher historische Gr\u00fcnde, da der Anteil andalusischer Siedler w\u00e4hrend des gesamten 16. Jahrhunderts viel h\u00f6her war als der anderer spanischer Regionen. Der Einfluss des Andalusischen zeigt sich noch heute besonders in den K\u00fcstengebieten, deren H\u00e4fen immer wieder von Flotten angelaufen wurden, die aus Andalusien und von den Kanarischen Inseln stammten. Im Landesinneren hingegen, wo sich die gro\u00dfen st\u00e4dtischen Zentren der Kolonialverwaltung befanden (Mexiko, Lima), war der andalusische Einfluss nicht so stark. Dort herrschte der h\u00f6fische oder madrile\u00f1ische Dialekt (insbesondere die Erhaltung der Konsonanten) vor, da viele der f\u00fcr intellektuelle oder administrative Aufgaben zust\u00e4ndigen Kolonisten vom k\u00f6niglichen Hof in Madrid und nicht aus Andalusien stammten.<\/p>\n

Auch auf lexikalischer Ebene (also in der Verwendung bestimmter Worte) finden sich Abweichungen. W\u00e4hrend man in Spanien mit seinem tel\u00e9fono m\u00f3vil<\/em> (“Mobiltelefon”) telefoniert, spricht man in Kolumbien in sein celular<\/em>. Der Computer hei\u00dft in Spanien ordenador<\/em> und in Argentinien computadora<\/em>. Durch die r\u00e4umliche N\u00e4he zu den englischsprachigen USA finden sich besonders in Mexiko, Zentralamerika und der Karibik auch viele Anglizismen. Von gro\u00dfer Bedeutung ist ebenso der Einfluss verschiedener indigener Sprachen Lateinamerikas, von denen sich einzelne W\u00f6rter sowohl in Lateinamerika als auch in Spanien durchgesetzt haben. Diese sind beispielsweise cacao<\/em> (Kakao), tomate<\/em> (Tomate), cacahuete<\/em> (Erdnuss), chicle<\/em> (Kaugummi) oder hamaca<\/em> (H\u00e4ngematte).<\/p>\n
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Fazit<\/h2>\n

Zusammenfassend l\u00e4sst sich sagen, dass die meisten Unterschiede zwischen dem amerikanischen und dem europ\u00e4ischen Spanisch gesprochener Natur sind; in der Schriftsprache sind sie h\u00e4ufig nicht direkt bemerkbar. Missverst\u00e4ndnisse d\u00fcrfte es also vor allem im direkten Alltagsgespr\u00e4ch geben, nicht bei der professionellen und\/oder schriftlichen Kommunikation. Au\u00dferdem sind die Unterschiede in den meisten F\u00e4llen so gering, dass ein europ\u00e4isches Spanisch f\u00fcr einen Lateinamerikaner trotzdem problemlos verst\u00e4ndlich ist, sowohl geschrieben als auch gesprochen. Das gleiche gilt umgekehrt auch f\u00fcr einen Spanier in Mittel- oder S\u00fcdamerika.<\/p>\n

Hei\u00dft dass, dass man bei einer professionellen \u00dcbersetzung<\/strong><\/a> einfach irgendeine Form des Spanischen verwenden kann? Nein, denn Sprache ist immer etwas Emotionales und Identit\u00e4tsstiftendes. Dabei k\u00f6nnen schon kleine Details positive oder negative Reaktionen ausl\u00f6sen. Deshalb ist es zum Beispiel bei der \u00dcbersetzung ausl\u00e4ndischer Filme ins Spanische \u00fcblich, zwei Versionen anzubieten: espa\u00f1ol latino<\/em> und espa\u00f1ol de Espa\u00f1a<\/em>.<\/p>\n

Eine landessprachliche \u00dcbersetzung ist immer dann sinnvoll, wenn man eine ganz bestimmte Zielgruppe<\/strong> ansprechen m\u00f6chte oder besonders emotional<\/strong> kommunizieren will. Beides trifft in hohem Ma\u00dfe auf Werbung zu. Wenn zum Beispiel ein Online-H\u00e4ndler seine Kunden auf emotionaler Ebene erreichen m\u00f6chte, sollte er unbedingt auf die im jeweiligen Land herrschenden grammatikalischen, lexikalischen und, wenn n\u00f6tig, auch die phonetischen Besonderheiten R\u00fccksicht nehmen. So kann er den Kunden den Eindruck vermitteln, dass er sich wirklich direkt an sie wendet, und so Respekt ausdr\u00fccken und Vertrauen aufbauen. Mit der Verwendung eines einheitlichen, europ\u00e4ischen Spanischs kann man hingegen allzu leicht in ein Fettn\u00e4pfchen treten: die im Marketing h\u00e4ufig verwendete Form des Imperativs gilt in einigen L\u00e4ndern Lateinamerikas beispielsweise als sehr unh\u00f6flich und vermittelt dem Leser\/H\u00f6rer: “Du bist gar nicht gemeint”.<\/p>\n

In Fachtexten oder Bedienungsanleitungen ist ein einheitliches Spanisch aber durchaus m\u00f6glich, wobei jedoch auf grammatikalischer Ebene, insofern eine direkte Ansprache stattfindet, die lateinamerikanische Version mit der Verwendung des \u201eustedes\u201c statt \u201evosotros\u201c zu empfehlen ist, da sich damit sowohl ein lateinamerikanischer, als auch ein spanischer Leser (hier die H\u00f6flichkeitsform) identifizieren kann.<\/p>\n

Zusammenfassend kann man sagen, dass das europ\u00e4ische Spanisch zwar f\u00fcr Spanischsprecher weltweit problemlos verst\u00e4ndlich ist, eine Differenzierung zwischen espa\u00f1ol <\/em>und castellano<\/em> jedoch von Respekt f\u00fcr die kulturelle Identit\u00e4t und die sozialhistorischen Hintergr\u00fcnde des jeweiligen Landes zeugt und somit eine Unterscheidung in den meisten F\u00e4llen zu empfehlen ist.<\/p>\n

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\"autor_eurotext_100\"Autor:<\/span> Eurotext Redaktion<\/h2>\r\n

Wir erkl\u00e4ren, wie Internationalisierung funktioniert, geben Tipps zu \u00dcbersetzungsprojekten und erl\u00e4utern Technologien und Prozesse. Au\u00dferdem berichten wir \u00fcber aktuelle E-Commerce-Entwicklungen und befassen uns mit Themen rund um Sprache.<\/em><\/p>\r\n

\u00a0<\/p>\r\n

Bitte beachten Sie: Auch wenn wir in unseren Beitr\u00e4gen gelegentlich Rechtsthemen ansprechen, stellen diese keine Rechtsberatung<\/strong> dar und k\u00f6nnen eine solche auch nicht ersetzen. Wenn Sie konkrete Fragen haben, lassen Sie sich bitte von einem Anwalt beraten.<\/em><\/span><\/p>\r\n\r\n

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Ein weiteres phonologisches Element ist der ye\u00edsmo<\/em><\/strong>, der das Zusammenfallen der Phoneme \u200b\/\u2060\u028e\u2060\/\u200b und \u200b\/\u2060\u029d\u2060\/\u200b beschreibt. Das hei\u00dft, dass man die Buchstaben <ll> und <y> beim Aussprechen nicht unterscheiden kann und beide wie ein deutsches <j> klingen. Zwischen den beiden W\u00f6rtern pollo<\/em> (“das H\u00e4hnchen”) und poyo<\/em> (“die Steinbank”) h\u00f6rt man also keinen Unterschied. Der lle\u00edsmo<\/em> <\/strong>hingegen bezeichnet die Differenzierung der beiden Buchstaben in der Aussprache, der besonders in Kolumbien, in Ecuador, Peru, Bolivien und Paraguay, als Dialektvariante jedoch auch in Spanien auftaucht. Hier zu nennen ist auch die Besonderheit der R\u00edo de la Plata Region, besonders in Argentinien<\/a> und Uruguay, in der das <ll> und das <y> wie ein deutsches <sch> ausgesprochen wird. Der Satz \u201eElla se llama Mar\u00eda\u201c<\/em> (“Sie hei\u00dft Mar\u00eda”) klingt in Argentinien \u201eEscha se schama Mar\u00eda\u201c.<\/p>\n